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Heimann & Fiai: Die roten Weine vom „Kadarka-Man“

„Sanfter und leichter“ sollen seine Rotweine sein, sagt Zoltán Heimann. Der 33-Jährige ist weit gereist und nach einem Önologiestudium in Geisenheim und Wanderjahren in Frankreich, Italien und Australien nach Hause ins elterliche Weingut in Szekszárd zurückgekehrt – um hier im Süden Ungarns am Rande der Donauauen eines der spannendsten Weinbauprojekte des Landes zu starten. Damit die Weine „sanfter und leichter“ werden, setzt Zoltán auf die beiden autochthonen roten Rebsorten Kadarka und Kékfrankos. Letztere ist außerhalb Ungarns als Blaufränkisch (Österreich) oder Lemberger (Württemberg) bekannt. Anders als die Kollegen im bekanntesten ungarischen Rotweinort Villány nahe der Grenze zu Kroatien, von wo einige verlockende Cabernet-/Merlot-Blends kommen, verzichtet Zoltán Heimann komplett auf diese Sorten, ebenso wie auf neues Holz. Keiner seiner Weine hat mehr als 12,5 % Vol. Alkohol. Alle reifen in großen gebrauchten Fässern oder in der Tonamphore.

Rotweine der etwas anderen Art

Auf diese Weise entstehen Rotweine der etwas anderen Art: Sie machen sich nicht am Gaumen breit, sondern  tänzeln auf der Zunge. Das Projekt heißt Heimann & Fiai. Auf Deutsch: Heimann & Söhne. Es findet innerhalb des elterlichen  Weinguts statt, das Zoltán Heimann gemeinsam mit seinem Vater und seiner Mutter führt. Die Weine der Eltern stehen bereits seit Anfang der 2000er für die ungarische Nouvelle Vague, die sich an internationalen Standards misst und Qualität vor Menge stellt. 2016 hatte die ungarische Ausgabe des Gault Millau die Heimanns zum Weingut des Jahres gewählt.

Kadarka: großartig, aber kein großer Rotwein

Will man den neuen Junior-Stil von Heimann & Fiai verstehen, tastest man sich am besten mit Kadarka heran. „Mein Großvater hat immer gesagt: Kadarka wird nur alle zehn Jahre ein großer Rotwein“, erinnert sich Zoltán Junior. Der Ausweg des Enkels: gar nicht erst versuchen einen großen Rotwein zu machen. Das stehe der Rebsorte ohnehin nicht. Weil die Kadarkatraube durch ihre extrem dünnen Beerenhäute wenig Schutz gegen Pilzsporen bietet, ist sie im vollreifen Zustand fäulnisanfällig. Zoltán liest sie bereits Ende August mit 80 bis 90 Grad Oechsle – in Deutschland wären es Kabinettweine – und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: einmal ist der Pilzdruck geringer, außerdem haben seine Weine eine enorme Leichtigkeit. Der Guts-Kadarka kommt mit gerade mal 12 Volumenprozent aus, hat jede Menge kräuterige Frische, spritzige Walderdbeeraromen, kaum Tannin und erinnert leicht gekühlt in der Tat eher an einen Weißwein mit Maischestandzeit als an einen Rotwein.

Zoltán Heimann mit seinen Eltern © Pályi Zsófia

Kekfrankos: Zarter als das Klischee

Etwas komplexer, aber ebenfalls noch ein Fliegengewicht ist der Einzellagen-Kadarka Porkoláb-Völgy. Hier tritt die frische Fruchtkomponente in den Hintergrund, stattdessen dominieren Aromen von getrockneter Sauerkirsche und frisch geschnittenem Heu. Eines muss man sich klar machen: Wer üppige Rotweine aus Australien oder Südeuropa liebt und einen vanilligen Holzgeschmack in Weinen sucht, der wird mit Heimanns Kadarka-Weinen nichts anfangen können. Auch sein Kékfrankos, meistens als würzige, kraftvolle Rebsorte interpretiert, fällt ausgesprochen feingliedrig aus. Zwar haben Winzer wie Rainer Schnaitmann aus Württemberg und Uwe Schiefer in Österreich schon vor Jahrzehnten Pionierarbeit geleistet und das Image von Blaufränkisch weg von fruchtig-fett hin zu mineralisch-fein gewendet. Dem Gros der Weine aus dieser Rebsorte fehlt aber sowohl in Württemberg als auch im Burgenland und in Ungarn selbst das, was Rotwein-Puristen als „Finesse“  bezeichnen.

Drei Terroirs trotz gleichen Bodens

„Wir haben in Szekszárd keine große Bodendiversität“, sagt Zoltán Heimann. Alle Weinberge sind von Lössboden geprägt. Trotzdem setzt Heimann auf Einzellagen, wohlwissend, dass der Boden nicht das einzige terroirprägende Moment ist. Der Kékfrankos aus der Lage Bati Kereszt liegt auf 275 Metern, knapp 70 Meter höher als der aus der Lage Baranya-Völgy, weswegen die Lese dort zwei bis drei Wochen später stattfindet. Im 2018er Jahrgang fällt ein Vergleich schwer, da Zoltán Heimann für Baranya-Völgy mit 20 Prozent Ganztraubenanteil in der Maische experimentiert hat. Deswegen präsentiert sich Baranya-Völgy in unserer Verkostung deutlich ansprechender, hat feine kräutrige Lorbeertöne, rote Paprika und eine klare Sauerkirscharomatik, während Bati Kereszt molliger, klassischer und weniger typisch für den für Heimann-Stil schmeckt. Auch Zoltán Heimann selbst sieht seinen Ganztraubenversuch als geglückt an: seit 2019 vergärt er alle Kékfrankos mit 20 bis 30 Prozent Rappen.

Weinberge bei Szekszárd © Hirling Bálint

Rotwein mit vegetativen Aromen

An der Spitze der Kollektion von Heimann & Fiai steht der Kékfrankos Szivém aus einer 1969 gepflanzten Parzelle in Baranya-Völgy, die auf Deutsch übersetzt soviel wie „Herzstück“ heißt. Wie wenig anderen Winzern gelingt es Zoltán Heimann, aus den 20 bis 30 Prozent Stilgerüst, die in die Maische wandern, vegetative Aromen herauszukitzeln, ohne einen gerbstoffbetonten Wein zu keltern. Aromatisch dominieren Lorbeer, Brombeerblättertee, Graphit, Sauerkirsche und ein Hauch Eukalyptus. Das besondere an diesem Wein ist aber seine zarte Tanninstruktur, die dafür sorgt, dass die Aromen am Gaumen haften bleiben, ohne dass sich ein Völlegefühl einstellt.

Ungarn wendet sich von der Kadarka ab, Heimann pflanzt sie an

Mit seinem zarten Stil, liegt Zoltán Heimann im Trend. In seiner Leichtigkeit erinnert seine Kadarka an Poulsard aus dem Jura, der derzeit in keinem hippen Casual-Fine-Dining-Restaurant von Berlin bis Oslo fehlen darf. Dementsprechend gut laufe der Absatz in Nordeuropa aber auch in den USA, so Heimann. Schwerer hat es da schon der Kadarka, vor allem bei solchen Konsumenten, die noch in der Zeit vor 1990 groß geworden sind.  Damals war Kadarka der Lambrusco der Ostblockstaaten. Doch Zoltán Heimann ist froh, dass junge Ungarn wieder Gefallen an der Rebsorte finden. Trotzdem ist die Produktionsmenge in ganz Ungarn seit der Jahrtausendwende stark rückläufig. Während die Heimanns gerade erst eine neue Parzelle mit Kadarka bestockt haben, kehren viele seiner Kollegen der Kadarka den Rücken zu. Knapp 1000 Hektar Kadarka hatte es 2003 noch in Ungarn gegeben. Heute sind es nurmehr 280. „Kadarka wird nur gut, wenn man die Rebe ernst nimmt“, sagt Zoltán Heimann. „Zwischen unreif und faul vergehen oft nur ein paar Tage.“  Oft liest er aus seinen Kadarka-Parzellen 20 Prozent mehr faule Beeren aus als in den Kékfrankos-Lagen. Doch Zoltán Heimann begegnet der zickigen Rebsorte mit Geduld. Er hat den Ehrgeiz, den bestmöglichen Kadarka zu keltern. „Kadarka Man“ nennt er sich im Internet.

Die Weine

Kadarka Szekszárd 2019
Der Einstiegs-Kadarka aus verschiedenen Lagen in Szekszárd. Ein Wein voller Frische, Sauerkirsche, Walderdbeere, der fast ohne Gerbstoff auskommt. Am besten leicht gekühlt trinken.
Preis: ca. 11 Euro

Kekfrankos Szekszárd 2018
Ein federleichter Kekfrankos-Vertreter. Der Wein setzt auf Frische statt auf Fülle, erinnert Schwarzkirsche und unreife Brombeeren. Burgenlandfans dürfte die Würze fehlen, alle anderen sich über den enormen Trinkfluss.
Preis: ca. 11 Euro

Kekfrankos Bati Kereszt 2018
Ein Einzellagen-Kekfrankos aus der höchsten Parzelle (275 Meter) der Heimanns und der einzige Wein, den 2018 Zoltan ohne Ganztraubenanteil vergoren hat. Das macht ihn molliger, samtiger und klassischer.
Preis: ca. 19 Euro

Kekfrankos Baranya-Völgy 2018
Ein Einzellagen-Kekfrankos mit 25 Prozent Ganztrauben vergoren. Das verleiht ihm eine markante Kräutrigkeit, Graphittöne, rote Paprika und eine dezente Fruchtigkeit, die an Sauerkirsche und Cranberrys erinnert.
ca. 19 Euro

Kekfrankos Szivém 2018
Zoltáns Flaggschiff aus einer 1969 bestockten Parzelle in Baranya-Völgy. Ebenfalls mit Ganztrauben vergoren und dennoch wunderbar feingliedrig und filigran, mit einem sandigen griffigen Tannin, klaren Kirscharomen und einem zarten Eukalyptus-Schleiher. Unser Favorit.
Preis: ca. 30 Euro

Kadarka Porkoláb-Völgy 2019
Einzellagen-Kadarka mit 30 Prozent Ganztraubenanteil. Trotzdem schmeckt der Wein kein bisschen gerbig sondern, hat eine enorme Frische, Heuaromen und Noten von gedörrter Walderdbeere. Leichte Kühlung unterstreicht die Spritzigkeit.
Preis: ca. 19 Euro

Bezug: www.borstore.de, www.weinhalle.de

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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