Dienstag, Oktober 8, 2024
19.3 C
München
spot_img

Große Gewächse 2013: Rheinhessen – diesmal ganz groß!

Die Unbilden des Jahrgangs 2013 sind auch an Rheinhessen nicht spurlos vorüber gegangen. Die Weine haben eine markige Säure und sind eher schlank geraten – vielleicht gar nicht so schlecht angesichts der steigenden Zahl von fetten, alkoholreichen Weißweinen aus allen Teilen der Welt.

Manchmal drängt sich der Vergleich mit dem Jahrgang 2010 auf, der seinerzeit von vielen als problematisch beschrieben wurde. Doch die GG 2013 scheinen mir eine bessere Balance zu besitzen. Außerdem waren die 2010er in der Spitze Weltklasse.

Große Weine von der Rheinfront

Grandiose Weine kommen von der Rheinfront aus den Spitzenlagen bei Nackenheim und Nierstein. Kühling-Gillots Pettenthal schießt hier den Vogel ab. Allerdings ist dieser Wein, obwohl etwas schlanker als sonst, immer noch ein Kaliber, für das man eigentlich einen Waffenschein bräuchte. Normale Rieslingtrinker werden mit ihm wenig anfangen können.

Ganz anders der Rothenberg-Riesling von Gunderloch, der zwar auch mit großer Stofffülle aufwartet, aber die These zu belegen scheint, dass ein großer Wein auch jung schon zeigt, was in ihm steckt. Will sagen: Ein so nahbares, extrovertiertes GG findet man in dieser Klasse nicht so leicht. Hier zeigt sich deutlich die Handschrift des jungen Johannes Hasselbach, der mit diesem Riesling auch das Weingut wieder ganz nach oben in die Spitze führt, nachdem es einige Jahre einen kleinen Durchhänger gab.

Klaus Keller dominiert im Wonnegau

Im Wonnegau – pardon: in Westhofen – ragt das Weingut Klaus Keller mit seinem Morstein GG heraus. Auch wenn man möchte, dass mal jemand anders die Pole Position bekommt – die Keller-Weine sind eine Klasse für sich. Klaus-Peter Keller versteht es wie kein anderer, aus körprreichen Weinen, die vor Fülle schier bersten, elegante Gewächse zu formen, die sich leicht, fast heiter trinken lassen. Dabei ist die Konkurrenz in dieser Ecke Rheinhessens groß, wie man aus meinen Bewertungen sieht.

Übrigens: Ich bitte meine Leser um Entschuldigung für die verkürzte, manchmal saloppe Beschreibung der Weine in dem Ranking auf der nächsten Seite. Die Zahl der Weine, die bei der VDP-Vorpremiere Ende August in Wiesbaden zu verkosten waren, war groß, die Zeit knapp und die Weine teilweise frisch gefüllt und schwierig zu verkosten. Eine gewissen Bewertungstoleranz sollte mir bitte zugestanden werden.

Riesling Rheinhessen: Große Gewächse 2013


Ort Lage Weingut Beschreibung Punkte
Westhofen Morstein Keller Herrliches Bouquet mit reifen Früchten und mineralisch-salzigen Noten, dazu mit rassiger, perfekt eingebundener Säure: hochfeiner Benchmark-Wein, der eine Klasse besser ist als seine Konkurrenten. 95
Nierstein Pettenthal Kühling-Gillot In puncto Stofffülle auch in diesem Jahr die Messlatte am Roten Hang, dennoch wesentlich schlanker als normal, wenig Frucht, aber gespickt mit mineralischen Noten: grandios. 93
Nierstein Morstein Wittmann Trotz markanter Säure ein hervorragend balancierter Wein mit Ecken und Kanten, mit mineralischen und fruchtigen Elementen, am Ende zu einem großen Wein zusammenfindend. 93
Westhofen Brunnenhäuschen ‚Abtserde‘ Keller Irgendwie typisch Keller: seidige Textur, geschliffene Frucht, kräftige, aber elegante Säure, die den Gaumen streichelt, nicht reizt: ein hintergründiger, aber auch vordergründig überzeugender Wein. 93
Westhofen Rothenberg Gunderloch Glockenreine Frucht mit viel Pfirsich und Grapefuit auf der einen, grünem Apfel und Teeblüten auf der anderen Seite, dazu eine leicht rauchige Note: ein kraftvoller, weitgehend durchgegorener Wein (der 2. Jahrgang von Johannes Hasselbach), großartig im Saft, schon antrinkbar. 93
Westhofen Hipping Keller Kräftiger, ja muskulöser Bau, angedeutete Frucht, die von kalkig-salziger Mineralik überlagert wird: ein mächtiger, jedoch spielerisch-feiner Riesling, noch völlig unentwickelt, doch in ein paar Jahren höchster Genuss. 92
Westhofen Kirchspiel Wittmann Noch so eine Säurebombe, die allerdings durch ihre erdige Mineralik gut abgepuffert wird: sicher ein anspruchsvoller, aber auch ein anstrengender Wein. Parole: abwarten. 92
Mölsheim Brunnenhäuschen Wittmann Wilder, frecher Wein mit viel Extrakt und riesigem Spannungsbogen zwischen reifer Beere und ungestümer Säure: das Gegenteil von Kellers‘ Brunnenhäuschen 92
Nierstein Zellerweg am Schwarzen Herrgott Battenfeld-Spanier Straffer, aber karger Wein, wie immer ganz auf Mineralik abgestellt: sehr fein, aber auch sehr speziell – ein extremer Terroirwein, so wie ihn das GG vorschreibt. 92
Nierstein Rothenberg ‚wurzelecht‘ Kühling-Gillot Sehr spezieller Typ von Riesling, in sich gekehrt mit herber, leicht schotiger Würze, aber auch mit sehr reifer Beere: mit Sicherheit großes Reifepotenzial mit der Aussicht auf feinste Aromenkomplexität. 92
Nierstein Pettenthal St. Antony Gut strukturierter Wein, feinfruchtig, säurebetont, nachhaltig, Neuholz-Ausbau deutlich erkennbar: Charakterwein, der an die großen Pettenthal-Gewächse allerdings nicht herankommt. 91
Nierstein Hipping Gunderloch Reicher Wein mit satter Frucht und rauchigen Untertönen, allerdings etwas grobfruchtig und ungeschliffen, kommt an den Rothenberg nicht heran. 91
Westhofen Ölberg Kühling-Gillot Facettenreich, feinstrukturiert, gute Balance, vom Körper her eher schlank, aber mit reifer, ausdrucksvoller Beerenfrucht und enormer Aromentiefe, sehr gekonnter Wein. 91
Westhofen Aulerde Wittmann Gut strukturierter, saftiger Wein mit weiniger Säure, vielen Erdtönen und feiner Kräuterwürze: ein ungeschminkter Jahrgangsvertreter, derzeit noch etwas unnahbar, aber in fünf oder zehn Jahren vielleicht eines der Aushängeschilder Rheinhessens. 91
Nieder-Flörsheim Frauenberg Battenfeld-Spanier Viel grüner Apfel, noch mehr mineralische Elemente: Grenzgängerwein von einer Kalkbank im Wonnegau, nur für Hardcore-Rieslingtrinker. 91
Nackenheim Heerkretz Wagner-Stempel Hohe, aber sehr weinige und daher fruchtige Säure, viel Pfirsich, aber auch Maracuja und Grapefruit, dazu ein feiner Botrytiston: hochanspruchsvoller, raffinierter Kennerwein. 91
Nackenheim Kirchenstück Battenfeld-Spanier Vergleichsweise harmonischer Wein im Sortiment von Hans-Otto Spanier, viel Mineralität auch hier, aber auch spielerisch-fruchtige Komponenten, mit ein paar Gramm Restsüße abgerundet. 91
Nierstein Liebfrauenstift Kirchenstück Gutzler Sehr gelungener, bodengeprägter Wein, geschmeidig, elegant mit schöner Mineralität und herzhafter, aber nicht aggressiver Säure, mit sicherer Hand erzeugt. 91
Siefersheim Höllberg Wagner-Stempel Begeisternder Wein mit phantastischer Mineralik, umrahmt von donnernder Säure, würzige Aromatik. 91
Hohen-Sülzen Orbel St. Antony Satter, goldgelber Wein mit Edelbeerton, kräftige Säure, mit Restsüße leicht abgerundet, nicht unspannend. 90
Worms Morstein Gutzler Saftig, fruchtig, ausgewogen, ohne Säure- oder Restsüße-Exzesse: Auch wenn man schon bessere Jahrgänge bei Gutzler gesehen hat – das 2013er GG ist ein berührender, emotionaler Wein. 90
Bingen Pettenthal Gunderloch Stoffig, saftig, voll mit nobler Frucht, die sich in feinste Nuancen aufdifferenziert, derzeit noch wenig Charme, aber man spürt das Potenzial. 90
Bingen Kirchberg Prinz Salm Sehr sauber, eindeutig, korrekt mit wildem, ungebändigtem Säurenerv, abenteuerlich, aber gut. 90
Bingen Scharlachberg Prinz Salm Kantig, urwüchsig, ungeschminkt, derzeit noch etwas grobfruchtig, Charme eines Rauhbeins, wirkt allerdings sehr authentisch und ist für eine Überraschung gut. 90
Oppenheim Geyersberg Winter Kräuterwürziger, derzeit noch etwas kantiger Riesling mit grüner Säure auf der einen und satter Frucht auf der anderen Seite: derzeit wenig Charme, in vier, fünf Jahren wahrscheinlich mit viel Genuß zu trinken. 90
Siefersheim Scharlachberg Kruger-Rumpf Feingliedrig, zart, spielerisch-fein mit leichter Restsüße, etwas gefällig, mäßiger Terroirausdruck. 89
Dittelsheim Herrenberg Rappenhof Moderate Fülle, saftige Beere, glatte Länge, etwas rohe Säure: guter Wein mit konventioneller Stilistik. 89
Dittelsheim Leckerberg Winter Nicht übermäßig komplexer, aber homogener Riesling, reife Beere, markige Säure, die lange nachhallt: hochklassiger Wein, trinkanimierend, aber mit mäßigem Terroirausdruck. 89
Nackenheim Rothenberg Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim Gut gebauter, stämmiger Riesling, aber aus grobem Holz geschnitzt und daher im Inneren etwas undifferenziert. 88
Dienheim Falkenberg Brüder Dr. Becker Sehr schlanker, geschmeidiger Wein mit prononcierter Säure, nicht ganz ohne grüne Noten von Klee und Granny Smith, durch Restsüße abgemildert, fast feinherb wirkend. 88
Ingelheim Kirchspiel K. F. Groebe Recht vollmundiger Wein mit viel Stoff und Saft, gut zu trinken, aber etwas zu brav für ein GG, um nicht zu sagen: zu bieder. 88
Nierstein Ölberg Rappenhof Voller, aber ungeschliffener, kantiger Wein mit harter, roher Säure, die durch ein paar Gramm Restsüße gemildert wird. 88
Nierstein Ölberg Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim Moderate Fülle, saftig, sauber, ohne Ecken und Kanten, etwas anbiedernd und mit recht kleinem Spannungsbogen. 87
Westhofen Aulerde K. F. Groebe Merkwürdig parfümiert und aromatisiert wirkender Wein mit süß-sauren Rhabarber-Noten, schwierig einzuschätzen. 87
Nierstein Schloss Westerhaus Schloss Westerhaus Spröder Wein, schotig, merkwürdig aromatisch mit parfümiertem Bouquet, unausgewogen, enttäuschend. 86
Westhofen Glöck Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim Milder, nicht sonderlich komplexer Wein, wirkt wie entsäuert, ohne Druck und völlig harmlos. 86
- Anzeige -spot_img

1 Kommentar

  1. Wahrscheinlich bin ich auch kein „normaler Riesling-Trinker“, aber ich muss sagen, der Pettentahl von Kühling-Gillot trifft meinen Geschmack. Wobei ich verstehen kann, dass das der nicht Jedermanns Sache ist. Es ist natürlich schon ein etwas außergewöhnlicher Wein und weniger fruchtig im Vergleich zu Kühlings Rothenberg oder Ölberg. Ich tu mir zwar schwer meine Vorliebe zum Kühling-Riesling genau zu begründen, aber auf dieser Seite hier wird das ganz treffend beschrieben wie ich finde: http://www.der-weinmakler.de/home/Kuehling-Gillot,4905.php

- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img