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Coche-Dury – Magie im Glas

Jean-François Coche besitzt kein Handy und keinen PC. Wer mit ihm sprechen will, muss ihm ein Fax schicken oder versuchen, ihn über Festnetz anzurufen. Aber auch dann ist nicht sicher, ob man ihn erreicht. Er nimmt das Telefon nur ab, wenn er Lust hat. Und wenn er es abnimmt, ist er nicht sehr leutselig. Seine Auskünfte sind knapp. Und für das Wenige, das er zu sagen hat, macht er nicht viel Worte.

Die meisten Fragen, die ihm gestellt werden, kreisen um das Thema, wo man seinen Wein bekommt und wie viel Flaschen möglicherweise zur Verfügung stehen. Denn die Weine des 60jährigen Winzers aus der burgundischen Weißweinmetropole Meursault kann man nicht einfach ab Kellertür kaufen. Sie sind lange im Voraus reserviert. Um ein paar Flaschen zu bekommen, muss man sich an einen der wenigen Händler wenden, die es für die Coche-Weine gibt. Sie prüfen, ob die Bittsteller des Weins würdig sind, was in der Regel dadurch geschieht, dass man den Nachweis erbringt, über Jahre hinweg auch andere, wertvolle Weine erworben zu haben.

Ursache für die Knappheit sind zuerst einmal die geringen Mengen. Jean-François Coche produziert durchschnittlich 45 000 Flaschen. Die Hälfte davon ist einfacher Bourgogne Aligoté und Bourgogne Chardonnay. Vom verbleibenden Teil ist wiederum die Hälfte Rotwein. Die gesuchten Weine machen also nur etwa 10 000 Flaschen aus: die verschiedenen Meursaults, sein Puligny Montrachet und sein Spitzenwein, der Corton Charlemagne. Von ihm werden höchstens 2000 Flaschen gefüllt – eine homöopathische Menge, wenn man bedenkt, dass sie für die ganze Welt reichen soll.

Insgesamt besitzt Coche-Dury 11 Hektar Reben an der Côte de Beaune. Der größte Teil befindet sich in Meursault, wo Coche, der seit dem Jahr 2000 von seinem Sohn Rafael unterstützt wird, in den Premiers Crus Perrières und Genevrières vertreten ist, sowie in den Gemeindelagen Chevaliers, Vireuils, Caillerets und Rougeots (diese Lage gilt unter den Vignerons des Ortes als lieu dit, also als herausgehobene Gemeindelage). Insgesamt verteilt sich sein Weinbergsbesitz in Meursault auf 12 verschiedene Parzellen. Der größte Teil seines Weins wird als Meursault générique abgefüllt. Vor einigen Jahren hat Coche einen Premier Cru in Puligny-Montrachet erwerben können (Les Enseignières). Dazu kommt der Grand Cru Corton Charlemagne, seine Spitzenlage. Sein dortiger Rebenbesitz macht gerade mal 0,35 Hektar aus.

Die Knappheit ist aber auch eine Folge der stark gestiegenen Nachfrage. Seit der Amerikaner Robert Parker ihn als „besten Weißwein-Erzeuger des Burgunds“ bezeichnet hat, sind die Preise für Coches Weine in den Himmel gestiegen. Der Corton Charlemagne wird derzeit auf etwa 1500 Euro pro Flasche taxiert, der Perrières – sein gesuchtester Meursault – auf  deutlich über 600 Euro. Selbst die Meursaults génériques werden im Handel mit durchschnittlich 150 Euro dreimal so hoch bezahlt wie die Weine anderer Erzeuger.

Über die Preise schüttelt Jean-François Coche selbst den Kopf. Er kalkuliert seine Weine selbst wesentlich bescheidener. Doch unabhängig von den Preisen: Ist die hohe Wertschätzung für Coche-Dury gerechtfertigt?

Aligoté und Chardonnay sind saubere, aber keine spektakulären Weine. Die vorzüglichen Roten sind vom Hype völlig unbetroffen. Die hochklassigen Weißweine stechen jedoch mit Sicherheit einen Großteil der burgundischen Konkurrenz aus. Es sind, auch wenn sie hochkomplex sein mögen, puristisch-einfache Weine, ohne Überreife, ohne übertrieben hohe Alkoholgehalte und mit nur partiellem biologischen Säureabbau – also keine „Granaten“.

Ihr Geheimnis beruht nicht etwa auf Mini-Erträgen im Weinberg. Mit 40 bis 60 Hektolitern pro Hektar liegt Coche im dem Qualitäts-Segment, in dem er sich befindet, eher hoch. Seine Weine leben von der Spannung zwischen Mineralität und mitreißender Säure. Dass sie nicht alt werden können, wie vielerorts behauptet wird, ist eine Legende, dass sie zu neuholzlastig seien, Ansichtssache. Coche dient das Holz eigentlich nur, um seine Weine auf der Feinhefe ausbauen zu können, was beim Grand Cru und den Premiers Crus durchaus 22 Monate dauern kann. Mehr oder minder markante Röstaromen sind daher unvermeidlich. Übrigens werden alle seine Weine unfiltriert abgefüllt.

Wer den burgundischen Weißweinstil liebt, wird an den Weinen von Coche ihre Natürlichkeit, ihre Unverfälschtheit schätzen – von der außerordentlichen Finesse, die die Lagen den Gewächsen mitgeben, mal abgesehen. Von „Magie im Wein“ zu sprechen, mag zwar etwas poetisch-unbeholfen klingen. Aber wenn andere Worte fehlen, darf man sich schon einmal so ausdrücken.

Übrigens hatten Ondrej Kovar, der Service-Chef des Restaurants Ikarus, und seine Mitarbeiter anderthalb Jahre gebraucht, um die 35 Weine zusammenzusuchen. Begleitet wurde die Probe von den kenntnisreichen Kommentaren des Mastersommeliers Hendrik Thomas und einem eigens für den Anlass kreierten Menu des Ikarus-Chefkochs Roland Trettl.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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