In puncto Ruhm ist dieses Chateau – einst Teil des riesigen Léoville-Besitzes – hinter seinen beiden Nachbarn zurück geblieben. Léoville Barton, dieser zweitrangige Cru aus St. Julien, ist weder Anwärter auf eine Ernennung zum Premier Cru Classé wie Léoville-las-Cases, sein vis-à-vis gelegenes Schwester-Chateau, noch hat es die gute Presse des vom Star-Önologen Michel Rolland betreuten Nachbarn Léoville Poyferré. Seine Weine sind dennoch mustergültig in ihrer klassischen Stilistik und qualitativen Konstanz.
Léoville Barton ist seit 1826 im Besitz der irischstämmigen Familie Barton. Hugh Barton (1766–1854) war bereits kein Neuankömmling mehr, als er einen Teil des Léoville-Besitzes erwarb. Er war bereits die dritte Generation der Bartons im Bordelaiser Weinhandel. Dennoch ist der Auftritt Léoville Bartons bis heute „very british“.
Die Verwurzelung in der britischen Weinhandelstradition prägt das ökonomische Verhalten bis zum heutigen Tage. So setzte Anthony Barton, der heute 79jährige Seniorchef des Weinguts, im April 2009 ein viel beachtetes Zeichen, als er unmittelbar nach Ende der Primeurverkostungen seinen 2008er zum Schnäppchenpreis von rund 30 Euro anbot. Mitten in den finstersten Wochen der Finanzkrise verkaufte er daraufhin seine gesamte Ernte innerhalb von nur zweieinhalb Stunden.
Die Botschaft dieses Schritts war unverkennbar: Wein ist da, um getrunken zu werden. Solcher Pragmatismus brachte Barton, der stets entwaffnend ehrlich auftritt und mit einem tiefen Sinn für Humor gesegnet ist, nicht nur freundliche Kommentare ein. Eine in Bordeaux kursierende Anekdote erzählt, dass sich ein Kunde des Vorjahrgangs 2007 bei Barton vehement über den niedrigen Preis für den – besseren – 2008er beschwerte: Nun habe er so viel Geld in den Jahrgang 2007 gesteckt und sein Geld somit schlecht investiert. Barton habe daraufhin die Stirn gerunzelt und dem Kunden geantwortet: “Ich rate Ihnen, noch weitere 10 Euro zu investieren. In einen Korkenzieher.”
Ähnlich herzhaft wie dieser Kommentar sind auch die Weine von Léoville Barton. Sie zeichnen sich durch eine kraftvolle, aber stets natürlich wirkende Frucht aus, und durch ein festes Rückgrat aus fleischigem Gerbstoff und mineralischem Kern. Feinheit ist nicht unbedingt ihre größte Tugend, aber sie zeigen ihr hochwertiges terroir mit Komplexität und Reifebeständigkeit. Es passt zum Stil des Betriebs und der hier vertretenen Auffassungen von gutem Bordeaux, dass Léoville Barton mehr Cabernet Sauvignon in seinen Weinbergen hat (nämlich 72 Prozent) als seine beiden Nachbarn (65 und 60 Prozent). Soviel Cabernet braucht man eben für einen anständigen Claret.