Teure Super Premium-Rotweine gibt es viele auf der Welt – manche Menschen meinen: zu viele. Mag sein. Immer schwieriger ist es dagegen, gute und sehr gute Rotweine für unter zehn Euro im Handel zu finden. Zu rasant ist die Preisentwicklung auf dem Weinmarkt, zu schnell schießen die Preise in die Höhe. Der Rioja Corriente ist so ein Wein, der mit 9,95 Euro zwar die 10-Euro-Marke touchiert, aber nicht überschreitet.
„… ein Meisterwerk des spanischen Star-Önologen Telmo Rodriguez.“
Der Name des Weins ist etwas irreführend: „corriente“ heißt im Spanischen „normal“. Normal ist an diesem Rioja in Wirklichkeit gar nichts. Er ist, wie es bei Tempranillo-Weinen üblich ist, nicht übermäßig dunkel in der Farbe, besitzt aber dieses faszinierende Rioja-Aroma, das aus roter Beerenfrucht, vorherrschend Cassis, besteht, aus erdiger Würze, leicht rauchiger Mineralität und einem Hauch von Orangenschale besteht. Sowas findet man nur bei hochwertigen Rioja-Weinen, und dann auch nur nach einigen Jahren Reifezeit. Dazu kommt die feine Säure. Sie gibt dem Corriente Frische. Das Tannin ist nahtlos verschmolzen.
Ein Mainstream-Wein, sicher, aber einer von der allerfeinsten Sorte in der Kategorie der gehobenen Alltagsweine: Einstiegsdroge für weinhungrige Mädels und taffe Jungs im Kapuzenpulli, die mal in die große Weinwelt reinschnuppern wollen. Aber auch für Anzugträger ein großer Genuss, nachdem sie ihre Krawatte abgenommen und sich mak ein wenig zurückgelehnt haben. Schwere-Trinker werden dem Wein dagegen weniger abgewinnen können, obwohl Parkers Spanien-Tester Jeb Dunnuck dem Corriente hohen Respekt zollt: 90 Punkte. Würde das Suchtpotentzial bewertet, hätte der Wein sogar 100 Punkte verdient.
Der moderne spanische Weinstil ist in der Rioja noch nicht weit verbreitet
Der Corriente trägt die Handschrift von Telmo Rodriguez, des wohl bekanntesten spanischen Önologen und Winzers der Gegenwart. Die Weine von Remelluri (Rioja), Pegaso (Cigales), Gago (Toro), Gazur (Ribeira del Duero) kommen aus seiner Werkstatt. Rodriguez steht für den modernen, reduktiven Weinstil: reife, saubere Frucht, süßes Tannin, weiche Texturen, moderater Holzeinsatz. Weine dieser Stilistik sind in der Rioja, die stark traditionell geprägt ist, bis heute rar.
Das Geheimnis des Weins: mehrere exzellente Terroirs
Wie ist es möglich, einen solchen Wein für unter 10 Euro anzubieten? Auf der Suche nach alten Reben in besten Terroirs hat Telmo Rodriguez (zusammen mit seinem Geschäftspartner Pablo Eguzkiza) in vielen Teilen Spaniens kleine Weingüter gegründet. In der Rioja besitzt er – neben Remelluri, dem elterlichen Weingut – zum Beispiel die Bodegas Lanzaga am Fuße des Cantabrischen Gebirges. Auf den hochgelegenen, extrem steinigen Böden entsteht dort der Altos de Lanzaga, einer der ganz großen Rioja-Weine (ab 2014 aufgeteilt in die zwei Einzellagen-Weine El Velado und La Estrada). Die Trauben aus einer Lanzaga-Parzelle mit jungen Rebstöcken gehen in den Corriente. Ein anderer Teil der Trauben kommt aus den (ebenfalls in der Rioja Alavesa liegenden) Weinbergen seines zweiten Rioja-Weinguts Labastida – zwei exzellente Terroirs also. Ein dritter Teil der Trauben wird von biologisch arbeitenden Winzern aus der Alavesa zugekauft. Übrigens: Der Wein enthält neben Tempranillo kleinere Anteile von Graciano- und Garnacha-Trauben.
Auch die Vinifikation des Corriente ist ungewöhnlich: Er wird ausschliesslich mit Weinbergs-eigenen Hefen vergoren. Handwerkliches Winemaking also, keine industrielle Weinproduktion. Anschliessend wird der Corriente in Stahltanks und unbeschichteten Betonbehältern vergoren, danach in gebrauchen Barrriques aus französischer und amerikanischer Eiche ausgebaut. Er könnte sich Reserva nennen. Doch Telmo Rodriguez lehnt die traditionelle Nomenklatur ab. Reserva würde auch nicht zu diesem Wein passen. Er ist nur 12 Monate im Holz gewesen und muss nicht lange auf der Flasche nachreifen. Dekantieren ist ebenfalls überflüssig. Korken raus und rein ins Glas.
2015 Rioja Corriente | Compañia de Vinos Telmo Rodríguez
Preis: 9,90 Euro
Bezug: Lobenbergs Gute Weine
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Nur der Vollständigkeit bzw. pedantischen Korrektheit halber: „Parkers Spanien-Tester“ war und ist Luis Gutiérrez [*] — und der hat nur dem 2014er Corriente 90 Punkte gegeben; 2012 und eben 2015 haben ’nur‘ 89 Punkte.
([*] Jeb Dunnuck, der Parkers ‚Wine Advocate‘ Mitte 2017 verlassen hat, war dort für Kalifornien, Washington und v.a. Südfrankreich zuständig …)
Sie sind ein Pedant, aber das ist gut so. Auch die Details müssen bei einem Artikel stimmen! Mit den Punkten für den 2014er haben Sie Recht, mit Parkers Spanien-Tester nicht. Bis Ende 2011 war Jay Miller für Spanien zuständig, der dann uneherenhaft rausgeschmissen wurde.
Super Weinempfehlung. Hatte ich letztens noch beim Spanier meines Vertrauens. direkt nochmal was geordet. Gruß, Sebastian
Hallo Sebastian,möchte diesen Wein gern auch mal testen und probieren.Wo kann man ihn Kaufen?Kannst du mir das Etikett mal abfotografieren?
Danke Manfred S.