„Mediterraner Flair mit Durchgangsverkehr“ – mit diesen vergifteten Reim hat der SWR im Regionalfernsehen kürzlich den Südpfälzer Weinort Birkweiler beschrieben. Der Durchgangsverkehr ist für Volker Gies kein großes Problem. Sein Weingut ist ein paar hundert Meter vom Dorfkern entfernt. Und das mediterrane Flair ist dem Winzer ziemlich egal. Ihn interessiert das Klima, und das ist in Birkweiler eher kühl.
Zumindest da droben, wo Gies Reben stehen, am „Keschdebusch“, wie die Einheimischen ihren Kastanienbusch nennen. Einen der besten Riesling- und Spätburgunderlagen in Deutschland, 300 Meter hoch in der Spitze, mit viel Wald bedeckt, dessen Kühle in die Mulden abstrahlt, in denen die Reben stehen. Um die Trauben reif zu bekommen, muss man sich in manchen Jahren schon ziemlich anstrengen. Für die Feinheit der Weine ist die nächtliche Kühle dagegen hochwillkommen. Und Gies’ Weine prunken nicht mit Üppigkeit. Bei ihnen steht die Finesse im Vordergrund.
Im Niemandsland verhungert
Korrekt heiß das Weingut Gies-Düppel. Es ist einer der Betriebe, die in jedem Weinführer aufgelistet sind, aber immer mit warmen Worten ignoriert werden. Der eine Führer schwärmt davon, dass „nie zuvor ein Weingut seine Weine derart konsequent nach Bodenprägung ausgebaut“ hat. Doch bei der Bewertung lässt er Gies-Düppel im Niemandsland verhungern.
Ein anderer Führer spricht „vom Anschluss an die Spitze“, was eigentlich nur so gelesen werden kann: gehört noch nicht dazu. Der dritte konstatiert fachmännisch: „hat an Substanz gewonnen“. Toll, obwohl die Substanz eigentlich immer die gleiche ist: die Weinberge im Kastanienbusch und im Mandelberg, den beiden Spitzenlagen von Birkweiler. Und was den Anschluss an die Spitze angeht: Gies-Düppels Weine befinden sich in einem Koordinatensystem, dass andere Parameter setzt als die Herren von den Weinführern. Das Sehnsuchtsziel von Volker Gies ist kein Wein, wie ihn zum Beispiel Hansjörg Rebholz im Kastanienbusch erzeugt. Er strebt leichtere, filigranere Weine an, auch in der Spitze. „Moselriesling“ hat ein Kritiker mal geschrieben. Das war gar nicht spöttisch gemeint. Eher bewundernd.
Vor dem Wein kommt der Stein
Das Weingut liegt am Ortsrand von Birkweiler: ein schmuckes Satteldach-Einfamilienhaus aus gelbem Klinker und ein mehrgeschossiger Keller-„Turm“ für die Schwerkraft-Vinifikation, dazwischen ein weitläufiger, beide Elemente verbindender Bau mit breiter Fensterfront, die einen Ausblick auf die beiden Birkweiler Spitzenlagen ermöglicht. Er ist Probierraum, Empfangshalle, Feiermeile.
Volker Gies und seine Frau Tanja, eine frühere Pfälzer Weinkönigin, haben schon ein paar Weine aufgezogen, als ich komme. Doch vor dem Wein kommt bei ihnen der Stein. Zwei riesige Gesteinsprofile an der Wand ziehen die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich, Gesteinsproben verschiedener Lagen im Regal wollen ebenfalls beachtet werden.
Auch der Faltprospekt mit den Lagenkarten samt genauer Bodenaufschlüsselung wird ausgiebig besprochen. Buntsandsteine, Calcite, Granite, Rotliegendes mit Quarz, Rotliegendes mit Schiefer – alles rumpelt durcheinander. Muschelkalk darf auch nicht fehlen. Er liegt sogar in Form von Fliesen am Boden. Aber Wein, wie die beiden ihn erzeugen, will verstanden werden, nicht nur lecker schmecken.
Alles schon ausverkauft – den Weinführern zum Trotz
Der Weg zum Wein, man ahnt es, wird ein steiniger sein. Aber mühsam und schwer ist er nicht. Der erste Kastanienbusch, der Top-Riesling, ist eher leicht. Es ist der 2012er. Die Primärfrucht überdeckt noch fast alles. Wer genau hinschmeckt, spürt allerdings die Spannkraft, den Feuerstein, die Kräuterwürze. „Schon ausverkauft“ zuckt Gies bedauernd mit den Schultern.
Der zweite Kastanienbusch, den wir aufmachen, ist der 2008er. Er zeigt schon ein bisschen mehr von seiner Klasse. Klee, Quitten, Petrol steht auf meinem Probenzettel. „Auch ausverkauft?“ frage ich. – „Seit vier Jahren.“ Später öffnen wir noch einen Spätburgunder vom Birkweiler Kastanienbusch, den schwierigen 2010er Jahrgang: pure Pinot-Frucht, fast kühl. Wenn ich ihn mit verbundenen Augen trinken müsste, hätte ich auf einen Weißburgunder getippt.
Ein fabelhafter Wein – auch schon ausverkauft
Gies-Düppels wirklicher Weißer Burgunder kommt vom Birkweiler Mandelberg, der Nachbarlage des Kastanienbuschs, und ist mit seiner Gelbfrucht und Mineralität eigentlich viel weicher und saftiger als der Spätburgunder: ein absolut fabelhafter Wein, großes Kino. Leider auch schon ausverkauft.
Was an allen Weißweinen Gies-Düppels auffällt, ist die absolute Sauberkeit und Gradlinigkeit. Tanja sagt: „Wir verwenden ausschließlich gesundes Lesegut, keine Trauben mit braunen Beeren.“ Heißt: Die Trauben werden relativ früh gelesen, übrigens auch die Spätburgunder-Trauben. Sie hängen nicht bis zum letzten Moment. Daher erhalten die Weine ihre ausgeprägte Mineralität. Gerade 12,5 Vol.% bringt er auf die (Most-)Waage.
Schiefer und Granit
Mit 14,50 Euro ist Gies-Düppels Kastanienbusch übrigens einer der preiswertesten Spitzen-Rieslinge, den ich kenne. Und wo wir schon bei den Preisen sind: Eine Etage darunter begeistert haben mich zwei Rieslinge der 9,50-Euro-Kategorie. Der eine heißt Schiefer und kommt ebenfalls vom Kastanienbusch, der andere wächst im Nachbardorf Ranschbach, aber da die Lage Seligmacher heißt, schreiben die Gies sie lieber nicht aufs Etikett. Sie nennen den Wein – wie sonst? – Granit. Beide, Granit und Schiefer, sind übrigens auch schon ausverkauft. Die gute Nachricht: Ende März kommen die 2014er auf den Markt. Mal sehen, ob sie weiter an Substanz gewonnen haben und ob es dann mit dem Anschluss an die Spitze… Sie wissen schon, liebe Leser.