Die burgundischsten Spätburgunder Deutschlands kommen derzeit von keinem der landesweit bekannten Weinerzeuger, sondern von einem kleinen Weingut in Staufen im Breisgau namens Wasenhaus. Hier arbeiten Alexander Götze und Christoph Wolber, die sich während ihrer Lehr- und Wanderjahre im Burgund kennenlernten. Neben Weißburgunder sowie ein wenig Gutedel und Chardonnay keltern die beiden vor allem Spätburgunder und haben damit seit ihrem Debütjahrgang 2016 einen regelrechten Hype ausgelöst. Ihre Weine sind in der Regel überall, wo sie auftauchen, sofort ausverkauft. Aufsehen erregt haben sie mit einer Spätburgunder-Stilistik, die faszinierend anders ist als die ihrer badischen Kollegen: zarter, tiefer, selbstbewusster Säure, weniger holzbetont, weniger fruchtig, dafür erdiger und burgundisch-samtig in der Textur.
Eine Basisversion und vier Lagenweine
Das Sortiment von Wasenhaus umfasst fünf Spätburgunder. Es besteht aus einer Basisversion und vier Lagenweinen, wobei es sich bei den Lagen eher um kleine Parzellen handelt. Die Parzelle für den Spätburgunder „Vulkan“ liegt am Kaiserstuhl. Die Trauben für diesen Wein bekommen die beiden Winzer von befreundeten Kollegen. Der „Vulkan“ bildet das mittlere Segment in der Qualitätspyramide. Die Spitzenweine stammen von verschiedenen Parzellen um Staufen und Ehrenstetten im Breisgau. Es sind der „Möhlin“, der „Kanzel“ (erstmals 2018) und der „Bellen“. Die Reben stehen dort auf Kalkverwitterungsböden in teilweise sehr steilen Lagen mit vielen alten Rebstöcken. Vor allem auf diese Weine richtet sich der Hype. Sie sind brillant und stecken voller Finesse, sind dabei glasklar und äußerst charakterstark. Neben den Spätburgundern erzeugt Wasenhaus noch kleine Mengen an Weissburgundern sowie ein paar hundert Flaschen Riesling, Chardonnay und Gutedel.
In Beaune, nicht in Geisenheim gelernt
Die schmeckbare Andersartigkeit der Wasenhaus-Weine ist kaum verwunderlich, betrachtet man die Lebensläufe der beiden, die weder in Geisenheim studierten noch einen (deutschen) Gesellenbrief in der Tasche haben und vor ihrer Selbstständigkeit auch nie wirklich in Deutschland Wein gemacht hatten. Christoph Wolber stammt zwar aus dem Markgräflerland, wo Wein als Kulturgut omnipräsent ist, ein Weingut im engeren Familienkreis gibt es aber nicht. Götze hatte während seines Landschaftsarchitektur-Studiums in Dresden ab und an im Wingert gejobbt, später dann ein Praktikum in Montalcino absolviert. Weinbau von der Pike auf gelernt haben die beiden erst im Burgund an der Weinbauschule in Beaune und in den Kellern einiger Spitzen-Winzer.
Nur wenige Eingriffe im Keller, aber keine „Naturweine“
Wolbers und Götzes Weine in Deutschland zu finden, ist angesichts der enormen Nachfrage und der nur etwa 25 000 Flaschen, die gefüllt werden, nicht leicht. Bei den wenigen Händlern, die sie führen, ist die Abgabe streng limitiert. Wegen der geringen Eingriffe bei der Kellerarbeit werden ihre Weine gern als „Naturwein“ bezeichnet. Allerdings ist diese Art Winzerhandwerk im Burgund, wo sie gelernt haben, ganz normal. Christoph Wolber arbeitete unter anderem bei Leflaive, Alexander Götze bei der Chardonnay-Ikone Pierre Morey und zuletzt im Keller der Domaine de Montille in Volnay. Niemand würde bei solchen Domänen einen Naturwein-Verdacht äußern. Der deutsche Hype findet dementsprechend in erster Linie in Naturweinbars und hippen Restaurants statt.
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Schwefelgaben minimieren, aber nicht dogmatisch ablehnen
„Im Burgund lernt man vor allem das Laissez-faire“, sagt Alexander Götze. Und in der Tat ist ihre Weinbereitung recht simpel – was zahlreiche Naturweinfreaks mit den Großmeistern aus dem Burgund gemein haben. Die Rotweine werden nur teilweise entrappt, in Maischebottichen mit moderater Pigeage – also dem Unterstoßen des Tresterhuts – etwa 18 bis 22 Tage vergoren. Nach der Gärung werden sie rasch gepresst, weil der Wein ohne die schützende Gärkohlensäure und ohne zusätzlichen Schwefel anfällig für Oxidation ist. Schwefel lehnen die beiden zwar nicht dogmatisch ab, versuchen die Dosen aber dennoch so niedrig wie möglich zu halten. Anschließend reifen die Weine in gebrauchten Pièces und Tonneaux auf der Vollhefe bis zur Füllung, meist etwas mehr als ein Jahr.
Weinberge in Staufen, im Markgräflerland, am Kaiserstuhl
Außerdem suchen Wolber und Götze andere Weinberge als ihre Nachbarn und haben solche im ganzen südbadischen Raum verteilt gefunden, großteils zur Pacht. Einige der besten Lagen, wie zum Beispiel die Steillage Kanzel, wurden davor von Landwein-Pionier Henrik Möbitz bewirtschaftet. Ihre Rebanlagen liegen in Staufen im Breisgau, im Markgräflerland und sogar am Kaiserstuhl. Da die Weine als Landwein vertrieben werden, dem die offiziellen Lagenbezeichnungen per Gesetz versperrt bleiben, erscheinen auch die Lagenweine unter erdachten Namen wie Kanzel, Möhlin oder Bellen.
Immer auf der Suche nach alten Pinot Noir-Klonen
Mit etwas Geschick konnten sie Parzellen übernehmen, die bei den Rebflurbereinigungen der 1970er und 1980er-Jahren unberührt blieben und noch alte Rebstöcke mit altem Klonmaterial aufweisen. Die beiden Winzer wollen nämlich nicht die neumodischen Klone mit großen lockerbeerigen Trauben. Diese bringen zuverlässig hohe Erträge und faulen dank guter Durchlüftung auch dann nicht, wenn man die Handarbeit im Weinberg scheut. Stattdessen sind die beiden auf kleine kompakte Trauben aus, die kurze Stiele haben. Solche haben ein anderes Stiel-Frucht-Verhältnis und lassen sich unentrappt vergären ohne grünliche, harsche Aromen in die Maische zu transportieren.
Selection massale statt Rebschule
Solche Rebstöcke kann man nicht einfach als Setzling bei der Rebschule kaufen, weswegen Götze und Wolber eigene, aus ihren besten Stöcken gezogene, Ableger setzen. Selection massale sagt man dazu in Frankreich, wo die Praxis noch recht verbreitet ist. „Im Burgund würde kein Spitzenwinzer gekaufte Klone in einer Grand Cru-Lage pflanzen“, beteuert Götze. Und nicht umsonst heißt es, dass Klaus-Peter Keller seine besten Spätburgunder-Lagen mit eigens gezogenen Romanée-Conti-Ablegern bestockt habe.
Ziel: hundert Prozent Ganztraubenpressung
„In einer perfekten Welt würden wir nur kleine kompakte Trauben lesen und dann einhundert Prozent Ganztrauben vergären“, sagt Götze und räumt ein, dass das derzeit noch nicht möglich ist. Mit 50 bis 80 Prozent Ganztraubenanteil liegen die Rotweine aber dennoch weit über dem Spätburgunder-Standard in Baden, wo das Gros der Beeren ganz selbstverständlich vom Stielgerüst getrennt wird. Dass Weine mit Glanztraubenanteil stets gerbstofflastig sind, entpuppt sich bei Wasenhaus als Irrglaube. Die Spätburgunder sind herrlich seidig in der Textur mit zarten kräutrigen Noten.
Deutsche Kofferraum-Importeure
Um zu verstehen, was so besonders ist am Hype um das Weingut Wasenhaus, muss man Deutschland mit den gefragten Regionen der Weinwelt vergleichen. Denn wer ins Burgund oder in die Champagne fährt, um bei den besten Winzern einzukaufen, kehrt häufig frustriert heim. Häuser wie Armand Rousseau, Arnaud Ente oder Jacques Selosse teilen ihre raren und weltweit gefragten Tropfen in der Regel nur Stammkunden und ausgesuchten Händlern zu. Wer im Burgund Wein ab Hof kaufen möchte, darf sich nicht wundern, wenn er auf eine Warteliste verwiesen wird. Gerüchten zufolge soll der große Anselm Selosse sogar mal ein Schild an seinem Hoftor angebracht haben, das sagte „Kein Champagner zu verkaufen!“.
Nur wenige Weingüter verkaufen nicht an Endkunden
Dem entgegensetzt ist Deutschland ein Weinland, in dem man sich problemlos kistenweise Große Gewächse in den Kofferraum laden kann, selbst bei Spitzenweingütern. Ohne Voranmeldung, ohne Vitamin B, ohne Limits. Weingüter wie Klaus-Peter Keller, Egon Müller oder Weine wie Theresa Breuers Berg Schlossberg und Wilhelm Weils Monte Vacanao sind davon ausgenommen, das Gros der besten Winzer und Winzerinnen des Landes empfängt aber herzlich und bereitwillig Endverbraucher. Auch ohne Warteliste.
Brillante Spätburgunder und unauffindbare Chardonnay
Dass der Hype über Alexander Götze und Christoph Wolber hereingebrochen ist, liegt nicht nur an der „guten Story“, wie sie mit charmantem Understatement einräumen, sondern zuvorderst daran, dass sie sensationelle Weine keltern. Steckt man seine Nase in ihren 2018er Spätburgunder Bellen, ein duftiger, molliger Wein, der sich auch im warmen Jahr jede Menge Finesse bewahren konnte, denkt man nicht an Naturwein, eher an große Klassik. Dass die Weine nicht als Qualitätswein, sondern als Landwein vermarktet werden, dürfte wohl daran liegen, dass der Badische Landwein mittlerweile dank Winzern wie Hanspeter Ziereisen oder Henrik Möbitz mehr zur Marke taugt als so manche AOC. Mit den berüchtigten großartigen Naturweinen, die der amtlichen Prüfstelle zu trüb, essigstichig oder moussierend sind, haben sie jedenfalls nichts gemein.
Die Rotweine sind brillant und stecken voller Finesse, sind glasklar und haben dennoch viel Charakter. Die Weißburgunder können für uns nicht immer ganz mit den Spätburgundern mithalten. Ohne Frage, das Grundniveau ist hoch, mitunter fehlt ihnen aber das letzte Quäntchen Biss und Säure. Vielleicht profitiert die Rebsorte vom im Vergleich etwas kühleren Jahrgang 2020. Ihr volles, im Burgund erlerntes Potential können die beiden vermutlich erst beim Chardonnay ausschöpfen, von dem es nur eine verschwindend geringe Menge gibt. Wie der schmeckt? Keine Ahnung. Wie gesagt: Hype.
Weingut Wasenhaus: Die Weine im Überblick
Gutedel 2020 (Fassprobe)
Etwa ein Fünftel der Trauben wird entrappt und maischevergoren, der übrige Part wird früh gelesen und direkt gepresst. Letzterer ist zupackend, aber auch blütig-zart, der maischevergorene Teil wirkt als Fassprobe wilder, stoffiger und reduktiver, hat aber viel Biss und Zugkraft.
Preis: ca. 15 €
Bezug: bei Vinisud
Spätburgunder Vulkan 2019
Der Spätburgunder aus dem Mittelbau ist sehr frisch und saftig, ein typischer 2019er. Aromatisch dominieren Holunderbeeren, Sanddorn und ein wenig Graphit. Ein recht scharfkantiger Wein mit viel Biss, der dennoch genug Lässigkeit mitbringt.
Preise: 34,00 €
Bezug: bei Vinisud
Spätburgunder Kanzel 2019 (Fassprobe)
Kanzel greift die Spannung und Kantigkeit des Vulkan auf und denkt sie weiter. Ein karger fordernder Wein aus einer steinigen Steillage, mit Aromen von unreifen (im positiven Sinn) schwarzen Johannisbeeren und Graphit. Der extremste aber für Puristen vielleicht auch spannendste Wein von Wasenhaus.
Bezug: mit Glück auf Anfrage bei Vinisud, Viniculture oder Weinfurore
Spätburgunder Möhlin 2019
Möhlin ist karger als Bellen und molliger als Kanzel, hat viel Leichtigkeit ein zartes aber tragendes Tannin und elegante klare Aromen von Berberitzen, Sanddorn, Sauerkirschen und Roten Johannisbeeren. Jung wirkt der Wein noch recht verschlossen, mit mehr Luft entwickelt sich eine eindrucksvolle Floralität die an Hagebutten und ganz dezent an Veilchen erinnert. Das Lagerpotential dürfte enorm sein.
68,00 € bei Vinisud
Spätburgunder Bellen 2018
Der breiteste Einzellagenspätburgunder mit Aromen von schwarzem Holunder, geradeso reifen Brombeeren und Brombeerblättertee. Das Gerbstoffgerüst ist molliger als bei Möhlin und Kanzel. Der zugänglichste, dichteste und im jungen Zustand betörendste Wein des Lagen-Trios.
Notiz: eine ebenfalls verkostete 2019er Fassprobe bestätigt den Eindruck, dass Bellen die dichtesten und molligsten Weine hervorbringt
ca. 69 €, mit Glück auf Anfrage bei Vinisud, Viniculture oder Weinfurore
Weißburgunder 2019
Der weiße Einstiegswein ist 2019 für einen Weißburgunder recht duftig ausgefallen, fast tropisch mit Aromen von Limette und einer Spur Passionsfrucht. Ein sehr gute cremige Konsistenz und ein zarter crispy Hefeton sorgen für eine tolle Balance auch wenn ihn ein Ticken mehr Säure noch präziser machen würde.
24,00 € bei Vinisud
Weißburgunder Möhlin 2018
Ein vom heißen Jahrgang 2018 geprägter Wein mit hefigen, fast brotigen Noten, ein wenig Baumharz und Fichtensprossen, was in der Kombination mit einer reifen Zitronenölaromatik ein wenig an Monkey 47 Gin erinnert. Viel Kraft und eine spannende Aromarik aber nicht mit der tollen Finesse ausgestattet, welche die Spätburgunder auszeichnet.
58,00 € bei Vinisud