Über den Glasrand hinaus: leichtere Weinflaschen

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Muss Wein unbedingt in Glasflaschen gefüllt werden? Oder kommen auch andere Behältnisse in Frage? Diese Frage stellten sich Paula Redes Sidore und Stuart Pigott in einem Trendtext für die Prowein Messe in Düsseldorf. Und wenn schon Glasflasche: Darf sie auch etwas leichter sein?

„Es kommt nicht auf das Äuße­re an“ wird uns seit frü­hes­ter Kind­heit ein­ge­bläut. Und doch ach­ten wir häu­fig auf Äußer­lich­kei­ten, auch beim Wein. Oder bes­ser gesagt, beson­ders beim Wein. Wir wis­sen, dass Glas für gut ein Drit­tel des CO2-Fuß­ab­drucks von Wein ver­ant­wort­lich ist. Dass der Trans­port und die Her­stel­lung von Glas­fla­schen mehr als die Hälf­te der Treibhausgas-Emissionen eines Wein­pro­du­zen­ten aus­ma­chen. Wir wis­sen, dass etwa der Wech­sel von Glas zu alter­na­ti­ven Ver­pa­ckungs­for­ma­ten bis zu 750 Mil­lio­nen Kilo­gramm CO2-Emis­sio­nen pro Jahr allein in Eng­land ein­spa­ren könn­te – und doch hän­gen wir an dem 400 Jah­re alten Irr­glau­ben, dass Wein in Glas­fla­schen gehört.

Wenn schon Glas, dann bit­te leicht

Inter­es­san­ter­wei­se sind es nicht die alter­na­ti­ven Ver­pa­ckungs­me­tho­den, die im Lau­fe des ver­gan­ge­nen Jah­res am meis­ten Auf­merk­sam­keit erhiel­ten, son­dern eine alter­na­ti­ve Her­an­ge­hens­wei­se an tra­di­tio­nel­le Ver­pa­ckungs­for­men. Das Stich­wort hier ist: leicht.

Gegen Ende des ver­gan­ge­nen Jah­res ver­kün­de­te die euro­päi­sche Glas­ma­nu­fak­tur Ver­al­lia, die leich­tes­te Bordeaux-Flasche der Welt ent­wor­fen zu haben, mit nur 300 Gramm Gewicht. Der Glas-Standard lag bis­her bei knapp 400 Gramm. Eine durch­schnitt­li­che 0,75 Liter-Weinflasche wiegt etwa 575 Gramm, eini­ge Schwer­ge­wich­te brin­gen sogar 900 Gramm auf die Waa­ge. Die Pro­duk­ti­on der Bor­de­lai­se Air 300G wird noch in die­sem Jahr begin­nen. Dar­über hin­aus tes­te­te Ver­al­lia im März letz­ten Jah­res die leich­tes­te Champagner-Flasche, die noch­mal 35 Gramm leich­ter ist und damit noch ein­mal 4 Pro­zent weni­ger CO2 aus­stößt.  Die Cham­pa­gne war übri­gens die ers­te Wein­re­gi­on, die sich bereits vor über zehn Jah­ren mit die­sem The­ma beschäftigte.

Alois Lageder liess eine Burgunder-Leichtflasche entwickeln

Der ita­lie­ni­sche Bio-Produzent Alo­is Lage­der hat vor kur­zem eine leich­te Fla­sche im Burgunder-Stil ange­bo­ten, ent­wi­ckelt zusam­men mit der Schwei­zer Glas­ma­nu­fak­tur Ver­tro­pack. So konn­te der jähr­li­che Glas­ver­brauch des Pro­du­zen­ten um 17 Pro­zent (bezie­hungs­wei­se um 87 Ton­nen) redu­ziert wer­den. Für Lage­der erstreckt sich der Wil­le zur Ver­än­de­rung sogar über die eige­nen Gren­zen hin­aus: Lage­der ent­schied, die 450 Gramm leich­te Fla­sche mit Namen „Sum­ma“ nicht paten­tie­ren zu las­sen, in der Hoff­nung, dass dies ande­re Pro­du­zen­ten ani­mie­ren wird, eben­falls auf „leicht“ umzustellen.

Auch der VDP setzt auf eine leichtere Flasche für die GG

In der Bran­che steigt der Druck auf die Pro­du­zen­ten, ihren öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck zu redu­zie­ren. Der Ver­band Deut­scher Prä­di­kats­wein­gü­ter (VDP) berich­tet, dass im ver­gan­ge­nen Jahr 45 sei­ner 200 Ver­bands­mit­glie­der die leich­ten Glas­fla­schen mit der Prä­gung des GG-Signets für ihre Gro­ßen Gewäch­se ver­wen­de­ten. Die­se spe­zi­ell gestal­te­ten Fla­schen wie­gen 580 Gramm, statt vor­her 750 Gramm. Wei­te­re Bei­spie­le sind auf der gesam­ten Lie­fer­ket­te zu fin­den. Die bri­ti­sche Wein­kri­ti­ke­rin Jan­cis Robin­son, eine laut­star­ke Ver­fech­te­rin leich­ter Glas­fla­schen, gibt neu­er­dings auch das Fla­schen­ge­wicht in ihren Punkt­be­wer­tun­gen auf https://jancisrobinson.com an. Und das staat­li­che schwe­di­sche Unter­neh­men Sys­tembo­la­get, das über ein Mono­pol auf den Ein­zel­han­del mit alko­ho­li­schen Geträn­ken ver­fügt, hat für Still- und Schaumwein-Einwegflaschen eine stren­ge Gewichts­be­schrän­kung zum 1. März 2024 eingeführt.

Fort­set­zung nächs­te Woche: Alter­na­ti­ven zur Glas­fla­sche für Wein

AUTOREN:

Pau­la Redes Sido­re ist eine US ame­ri­ka­ni­sche Wein­jour­na­lis­tin, die seit vie­len Jah­ren in Deutsch­land lebt und für die Wein­platt­form Pur­ple Pages von Jan­cis Robin­son schreibt. Sie ist eine IHK-geprüfte Som­me­liè­re, Inha­be­rin der Wein-Übersetzungsagentur „Wein­sto­ry“ und Co-Gründerin des eng­lisch­spra­chi­gen Inter­net Maga­zins „Trink“, das sich mit deut­schen, öster­rei­chi­schen, Süd­ti­ro­ler und Schwei­zer Wei­nen beschäftigt.

Stuart Pig­gott, 1960 in Lon­don gebo­ren, ist Wein­kri­ti­ker, Buch­au­tor und einer der welt­weit bes­ten Ken­ner des deut­schen Weins. Er lebt seit vie­len Jah­ren in Deutsch­land und schreibt Tasting Reports für die inter­na­tio­na­le Wein­platt­form von James Suckling.

 

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