Das erste Mal hatte ich die Weine im Münchener Restaurant Tantris getrunken. Tata Jaiani von der Georgian Wine Association hatte sie mitgebracht, der englische Weinexperte Robert Joseph sie kommentiert. Beide Weine waren rot und zeigten, dass die Spitzen Georgiens sich mit besten Europäern messen können. Mehr noch: Sie zeigten, dass ein georgischer Rotwein nicht unbedingt im Qvevri, der Tonamphore, gelegen haben muss, um gut zu sein. Angesichts des Hypes um die Amphore könnte man nämlich fast glauben, dass sie es ist, die die Qualität der georgischen Weine ausmacht. Das ist Unsinn. Beide Rotweine sind im Stahltank vergoren und in französischen Barriques ausgebaut. Und beide sind aus Saperavi-Trauben gekeltert, der häufigsten roten Rebsorte in Georgien, aus der einfache, ja banale Weine gewonnen werden, aber eben auch hochklassige. Robert Joseph meinte, letztere hätten die Struktur eines Bordeaux und die Eleganz eines Burgunders.
Chateau Mukhrani: dicht gewoben und präzise
Der erste Wein, der mir den Atem verschlug, war die 2018er Reserve Royale von Chateau Mukhrani. Ein dicht gewobener, dunkler und sehr präziser Wein, der eine enorme Tanninstruktur mitbringt, gleichwohl geschliffen und auch in diesem jungen Stadium schon genussvoll zu trinken ist. Wie alle Saperavi-Weine durchzieht auch ihn eine feine Säure, die für Frische und Saftigkeit sorgt. Die Reserve Royale ist der Topwein des Chateau, gewonnen aus den besten Parzellen des 100 Hektar-Betriebs, der nördlich von Tiflis in der Region Kartilien liegt (42,90 Euro, www.bremer-weinkolleg.de). Önologe, Kellermeister und CEO ist übrigens der Deutsche Patrick Honnef, der in Heilbronn Weinbau studiert und lange Jahre auf Chateau D’Aighuile von Stefan Neipperg gearbeitet hat. Der Wein erinnert mit seinem Mix von dunklen Früchten und gerösteten Kaffeebohnen an einen guten Pomerol, beweist mit seiner erdig-herben Note aber seine Eigenständigkeit. Im Ranking des renommierten englischen Internet-Portals World’s Best Vineyards liegt Chateau Mukhrani unter den Top 100.
Chateau Lipartiani: samtig und aromentief
Der zweite Wein, der mich tief beeindruckte, war der 2014er Chateau Lipartiani. Auch dieser Wein besitzt viel Struktur, ist aber samtiger und fruchtbetonter mit würzigen Unternoten von Trüffel und Wildkräutern. Er ist etwas heller in der Farbe und würde in einem Koordinatensystem mehr in die burgundische Richtung tendieren, was allerdings auch damit zu tun hat, dass er älter und damit entwickelter, reifer, „süßer“ ist als der Mukhrani-Wein. Der Lipartiani ist ebenfalls der Topwein des Chateau. Er besteht zu 95 Prozent aus Saperavi und 5% Aladasturi, einer alten, autochthonen Sorte aus Georgien. Die Reben wachsen in Kachetien am Fuße der schneebedeckten Kaukasusgipfel, während das Chateau selbst sich in Tiflis befindet. Leider ist der Wein in Deutschland nicht im Handel. Über Ingo Simon habe ich dann aus dem Lipartiani-Lager in Dresden zwei Flaschen für eine Blindprobe bekommen, die ich Ende Januar in Köln für eine große Unternehmensberatung organisiert hatte. Resultat: Der Chateau Lipartinai landete im Urteil der Verkoster gleich hinter dem Clos de la Roche der Domaine Ponsot auf Platz 2. Ingo Simon ist Winzer des Riesling-Weinguts Gebrüder Simon in Lösnich an der Mosel und war bis 2016 verantwortlicher Kellermeister bei Chateau Lipartiani (jetzt arbeitet er zusammen mit Vladimir Kublashvili, dem georgischen Chefönologen, an hochwertigen Schaumweinen). Der Lipartiani-Wein, erzählte er mir, werde zum größten Teil nach Polen, Skandinavien und in die USA verkauft. Lediglich GeoVino in Hamburg führt einige Lipartiani-Weine (www.georgische-weine.com). In deren Sortiment findet sich zum Beispiel ein Chateau Lipartiani mit dem Zusatz „Prince Giorgi Classic“. Preis: 37,70 Euro. Dieser Wein sei, erklärte Simon, zwar nicht ganz identisch mit dem, den er mir geschickt hatte. Aber der Unterschied sei marginal.