Nicht immer ist Tradition ein Vorteil. Aber im Falle der Weine von Principe Corsini ist der Vorteil greifbar. 1363 ist die Familie bereits als Weinerzeuger aktenkundig – zu einer Zeit, da die Antinori noch mit Seide handelten und die Frescobaldi noch Banker waren. Der Wein, den sie damals erzeugten, war offensichtlich gut, denn er verkaufte sich prächtig. Daran hat sich durch die Jahrhunderte nichts geändert – mit dem Unterschied, dass der Wein heute besser als nur gut ist. Er ist authentisch, in der Spitze majestätisch. Zugegeben: Diese Vokabel ist etwas abgegriffen. Aber wer die ultrakonzentrierten, weichgespülten Rotweine kennt, die in allen Teilen der Welt von verschiedenen Weingütern aus verschiedenen Rebsorten nach immer dem gleichen Muster erzeugt werden, wird zugeben, dass die Corsini-Weine ein klein wenig anders sind.
Alles dreht sich um die Sangiovese
Den Unterschied macht die Sangiovese-Traube. Sie ist die Hauptsorte in der zentralen Toskana und bildet die Basis aller Weine, die von dort kommen. Die Sangiovese ist keine internationale Sorte. Sie wird fast nur in Italien angebaut. Sie ergibt auch keine Mainstream-Weine. Die Frucht ist immer wild und würzig, das Tannin härter als bei einem Bordeaux oder einem Rioja. Je rigoroser die Traubenselektion, desto mehr Tannin hat der Wein, und Tannin ist nun mal nicht das, was Spasstrinker sich wünschen. Aber die Kenner wissen, dass Tannin dasjenige Element ist, das einen komplexen Rotwein zusammenhält und dafür sorgt, dass er reifen kann, ohne seine Frische zu verlieren – und damit seinen Charme. Genau den haben alle Weine der Corsini, und zwar in beträchtlichem Masse.
Der einfache Chianti Classico ruft regelmässig Begeisterungsstürme hervor
Ihr Weingut heisst Villa Le Corti und ist für drei Dinge berühmt: sein ausgezeichnetes Olivenöl, seine Ferienwohnungen, seinen Chianti Classico. Was letzteren angeht, so steht ganz oben in der Qualitätspyramide die Gran Selezione „Don Tommaso“, benannt nach einem Vorfahren der Corsini. Eine Sektion der besten Trauben aus den Weinbergen der Familie (80% Sangiovese, 20% Merlot). Die Merlot mit ihrem weichen Tannin macht den Wein geschmeidig, so dass er auch in jungem Stadium schon mit höchstem Genuss getrunken werden kann. Hier passt die Vokabel „majestätisch“ wirklich.
Die Chianti Classico Riserva heisst „Cortevecchia. Sie ist strenger gehalten, das Tannin ist präsenter, die Frucht karger – eine traditionelle Stilistik. Am Fuss der Qualitätspyramide steht der einfache Chianti Classico „Le Corti“. Aber was heisst einfach? Bei der internationalen Weinkritik ruft der Chianti Classico dieses Weinguts regelmässig Begeisterungstürme hervor und schlägt punktemässig fast alle anderen Jahrgang-Chianti Classico aus dem Feld: 90 Punkte beim amerikanischen Wine Enthusiast, 90+ bei Parker, 92 bei James Suckling – hohe Wertungen für einen Basiswein.
Die Corsini: Eng mit der Geschichte Italiens verbunden
Auch wenn Riserva und Gran Selezione letztlich etwas höher bepunktet werden und mehr über sie geschrieben wird: Der einfache Chianti Classico ist das Fundament, auf das alles aufbaut. Der „Le Corti“ ist gehaltvoll, aber leicht zu trinken und herrlich fruchtig. „Mein Alltagswein“ sagt Duccio Corsini, der heutige Inhaber des Weinguts, das – Hinweis für alle Toskana-Reisenden – nicht weit von der Superstrada Florenz-Siena entfernt liegt (Ausfahrt: San Casciano) Es befindet sich in einem grossen, von einer Natursteinmauer eingefassten Park und ist durch die beiden mächtigen Türme der Villa leicht erkennbar. Besucher können dort Wein einkaufen. Sie können eine Führung durch das Weingut buchen. Sie können das Archiv der Familie im ersten Stock der Renaissance-Villa besichtigen: Die Geschichte der Corsini ist eng mit der Geschichte Italiens verbunden. Sie waren im späten Mittelalter eine der einflussreichsten und wohlhabendsten Familien des Landes. Sogar ein Papst kam aus ihren Reihen: Clemens XII., dem die Gründung der Kapitolinischen Museen und der Bau des Fontana di Trevi-Brunnens in Rom zugeschrieben wird. Zum Weingut gehört auch eine Osteria, in der täglich die typisch toskanischen Gerichte serviert werden – allerdings nur mittags. Man kann auch einen Kochkurs buchen in der wunderbaren, alten Holzküche mit dem Kamin, der nach Zeichnungen von Leonardo da Vinco konstruiert ist. Und wer ein paar Tage bleiben will, mietet sich in einem der beiden Gästehäuser ein, über die das Weingut verfügt.
Zac – der Wein, der ein Chianti Classico sein könnte, aber keiner ist
Und dann ist da noch Zac. Zac ist ein Wein, ebenfalls rot und Sangiovese pur – aber kein Chianti Classico (obwohl er einer sein könnte). Er steht ausserhalb der Qualitätspyramide, ist aber hoch aufgehängt – noch höher noch als die Gran Selezione. Der Grund: eine herausragende Lage. Für Liebhaber, die konzentrierte Weine aus niedrigsten Erträgen von grauen Galestroböden bevorzugen, wie sie typisch für das Chianti Classico sind, ist dieser Wein die perfekte Wahl. Allerdings sollte man ihm ein bisschen Zeit geben, um zu reifen. Zac, so hiess die Schwester von Don Tommaso, dem oben erwähnten Vorfahren. So ist also auch eine Frau im Wein verewigt. Familie wird beim Adel gross geschrieben.
Ein zweites Weingut in der Maremma: Tenuta Marsiliana
Die Corsini besitzen noch ein zweites Weingut. Es liegt in der Maremma, nur 15 Kilometer von den Stränden des Mittelmeers entfernt. Tenuta Marsiliana heisst es. Es kam erst 1759 in den Besitz der Familie, und thront wie ein Castello auf einem Hügel im Hinterland bei Manciano. In diesem küstennahen Teil der Toskana gedeiht die Sangiovese-Traube weniger gut als in der Zentraltoskana, weshalb sie dort sehr wenig angebaut wird. Die Corsini verzichten ganz auf sie. Sie setzen auf Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot – Sorten, die in dem milden, mediterran-warmen Mittelmeerklima deutlich bessere Ergebnisse liefern als die Sangiovese. Der Spitzenwein „Marsiliana“ ist eine Cuvée aus diesen Trauben: ein dunkler, dichter Wein, verführerisch weich und intensiv im Geschmack: ein typischer Super-Tuscan. Da Wein in Italien täglich getrunken wird, aber nicht täglich eine teure Bistecca vom Chianina-Rind auf den Tisch kommt, zu der das Edelste aufgemacht wird, was der Keller hergibt, braucht es einen alltagstauglichen Zweitwein. Einen, der preiswert ist, nicht gelagert werden muss, unkompliziert zu trinken ist und dennoch die Seele der Maremma besitzt. Dieser Wein heisst „Birillo“. Er wird aus denselben Trauben wie der „Marsiliana“ gewonnen (nur ohne Petit Verdot) und begleitet die klassischen Pastagerichte der südlichen Toskana aufs beste, zum Beispiel Tagliatelle al Lepre (breite Nudeln mit Hasenragout) oder Tortelli mit Steinpilzen. Zu den berühmten Crostini al fegato (geröstetes Brot mit Leberpaste), die ein fester Bestandteil toskanischer Antipasti sind, passt der „Birillo“ ebenfalls wie die Faust aufs Auge.
Ohne Weisswein geht es nicht
Die Tenuta Marsiliana wird von Duccios Schwester Sabina geleitet. Sie verwaltet auch die mehr als ein Dutzend Ferienwohnungen, die sich im oder um das Castello befinden. Wer sich dort einmietet, geniesst nicht nur den Wein, sondern auch den Ausblick auf Meer, die umliegenden Wälder, die nahen Strände, die himmlische Ruhe…und den Vermentino, den trockenen, ortstypischen Weisswein, den die Corsini natürlich auch im Programm haben. An der Küste wird Fisch gegessen, und so schön die Rotweine sind: ohne Weisswein geht leider es nicht.
Die Weine der Villa Le Corti
2015 Chianti Classico „Le Corti“
Die Seele des Weinguts: ein herzhafter, zugleich aber ungemein delikater, expressiv fruchtiger Wein (95% Sangiovese, 5% Colorino), Bouquet von Iris, Veilchen und schwarzem Pfeffer, am Gaumen saftig mit knackigem Beerenaroma und der Würze der mediterranen Macchia. 12 Monate teils in Zementbehältern, teils in grossen Holzfässern ausgebaut.
Bezug: www.vinothek-nick.de, € 11,90
2015 Chianti Classico Riserva „Cortevecchia“
Eine sehr traditionelle Riserva mit schönem Veilchenbouquet, karger, aber sehr präziser Frucht und kräftiger Tanninstruktur: viel Kirsch- und Brombeerfrucht, ein Hauch von Schwarzem Tee, Piniennadeln, Eukalyptus. 20 Monate gereift, teils in grossen, alten Holzfässern, teil in gebrauchten Tonneaux. Braucht Zeit.
Bezug: www.sardovino.de, € 18,90
2015 Chianti Classico Gran Selezione „Don Tommaso“
Mächtiger, opulenter Wein in dunkler rubinroter Robe, typisches Veilchenbouquet, dazu rote und blaue Beeren, Gewürznelken, Kakao, am Gaumen druckvoll, reich mit weichem, röstigen Tannin und süßer Vanillenote, 18 Monate lang in Tonneaux (70% neu) ausgebaut.
Bezug: www.sardovino.de, € 27,90
2012 Rosso Toscana Sangiovese „Zac“
Transpararentes Rubinrot, im Bouquet Zwetschgen, Sauerkirschen und feine Röstaromen, am Gaumen seidig mit Noten von Lorbeer, Pinien und Minze: ein Wein wie aus einem Guss, 18 Monate in französischen Holzfässern gereift – Sangiovese at ist best.
Bezug: www.sardovino.de, € 49,90
Die Weine der Tenuta Marsiliana
2013 Maremma Toscana „Marsiliana“
Dunkel violettrot, dicht gewoben mit viel Cassis, Lakritz, Wachholder, samtiges Tannin, grosse Aromentiefe, 15 Monate in neuen Barriques gereift, Alterungs-Potenzial für zehn bis 12 Jahre
Bezug: www.sardovino.de, € 27,90
2016 Costa Toscana „Birillo“
Weicher, schmeichender Rotwein aus Cabernet Sauvignon und Merlot, dunkelbeerige Frucht mit Wachholder-Würze und milder Säure, ein Jahr in gebrauchten Barriques gereift, jung zu trinken.
Bezug: www.sardovino.de, € 11,90
2018 Vermentino
Frischer Weisswein mit schmelziger Frucht, vorherrschend Apfel, dazu eine salzig-mineralische Ader und eine lebendige Säure, die für eine vibrierende Frische sorgt. 100 Prozent Vermentino-Trauben, Ausbau ausschliesslich im Stahltank. Unbedingt jung trinken.
Bezug: www.principecorsini.it, € 10,50