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Stets am Puls der Zeit: Masi schreibt 250 Jahre italienische Weingeschichte

Im Herbst 2022 wurde am Stammsitz die 250. Ernte eingebracht, was gebührend gefeiert wurde. Im Herzen des klassischen Valpolicella hatte die Familie Boscaini im Jahr 1772 die Weinberge des Vaio dei Masi“ („Tal der Höfe“) erworben, heute sind die sechste, siebte und achte Generation im Gut aktiv.

Wein wird im Valpolicella, dem „Tal der vielen Keller“ seit der Antike angebaut. Als die Römer ihr Imperium nach Norden ausdehnten, fanden sie bei den Venetern am Fuß der Alpen eine florierende Weinkultur vor. Auf die römische Zeit geht die Technik zurück, Trauben nach der Lese auf Strohmatten trocknen zu lassen, um die Konzentration von Zucker und anderen Inhaltsstoffen zu erhöhen. Doch bis zum Amarone, der sich heute zu den großen Weinen Italiens zählen darf, war es noch ein langer Weg, auf dem Masi stets an der Spitze stand.

Über Jahrhunderte resultierte das „Appassimento“ (Verblühen, Schwund) in süßen Weinen wie dem roten „Recioto della Valpolicella“, oder seinem weißen Nachbarn, den „Recioto di Soave“. Es war eher ein Unfall, als in den 1930er Jahren in der Cantina die Valpolicella in einem Fass Recioto unbemerkt eine zweite Gärung stattfand und ein ungekannt wuchtiger, konzentrierter und alkoholstarker Wein herauskam. Der Siegeszug dieses „Recioto Amaro“ („bitterer Recioto“) wurde von Masi maßgeblich gestaltet.

Das Miracolo del Amarone

Es waren nicht zuletzt die wissenschaftlichen Untersuchungen, die Sandro Boscaini in den 1960er Jahren in Auftrag gab, die das „Miracolo del Amarone“ lüfteten: Es hatte sich im Valpolicella ein Hefestamm herausgebildet, der auch jenseits von 15 Prozent Alkohol noch aktiv ist, eigentlich die „natürliche Grenze“ der Hefegärung im Wein.

Ripasso

Sandro Boscaini, der gerne als „Mister Amarone“ tituliert wird, kreierte als Nebenprodukt 1964 eine eigene Weinkategorie, den Ripasso („Zweiter Durchgang“). Er ließ erstmals jungen Valpolicella auf den Trestern des Amarone eine zweite Gärung durchlaufen, was dem eher leichten Wein Kraft und reife Aromen mitgibt. 1964 kam der „Campofiorin“ als kleiner Bruder des Amarone auf den Markt und wurde zu einem großen Erfolg, der schnell Nachahmer fand. Masi ließ sich den Begriff „Ripasso“ schützen, übertrug die Rechte aber 2006 an die Handelskammer Verona.

Wein im Wandel

Der Campofiorin hatte da schon längst eine Wandlung durchgemacht. Statt auf Amarone-Trestern wird der junge Wein das zweite Mal mit angetrockneten Trauben vergoren, wie sie auch zur Produktion des Amarone verwendet werden. So gerät der Wein runder und geschmeidiger. Masi hat sein Wissen um Trauben und ihre Genetik, die Trocknung, immer wieder geteilt. Auch hier folgten einige renommierte Güter dem Beispiel von Masi. Wohl nicht zum letzten Mal.

Drei rote Klassiker von Masi im Kurzportrait

2018 Costasera Amarone della Valpolicella Classico DOCG
Der Costasera stammt aus dem historischen Kerngebiet des Valpolicella. Er wird aus den traditionellen Sorten Corvina, Rondinella und Molinara gekeltert, die über den Winter auf Bambusgestellen bis zu 50 Prozent ihrer Flüssigkeit abgeben. Mit 15 Prozent Alkohol liegt er für einen Amarone eher niedrig. Mit seinen intensiven Aromen von eingelegten und getrockneten Früchten, viel Kraft am Gaumen und präsenten, samtigen Gerbstoffen passt er zu kräftigen Fleischgerichten, Hartkäse, fühlt sich aber – ungewöhnlich für große italienische Weine – auch als Solist wohl. Um 40 Euro.

2017 Grandarella Refosco Trevenezie IGT
Das Appassimento funktioniert nicht nur im Valpolicella. Der Grandarella stammt aus der Gegend zwischen Udine und der Adria im Friaul. Refosco ist eine alte Sorte, die zur Rustikalität neigt. Nicht so beim Grandarella. Der weist zwar eine feste Struktur auf, macht dabei BER mit Frucht und Würze, präsenten Gerbstoffen und anhaltendem Geschmack eine gute Figur, vor allem zu gegrilltem Fleisch und Gemüse. Um 25 Euro.

2020 Campofiorin Rosso Verona IGT
Der Welterfolg von Masi: Mit der Verwendung angetrockneter Trauben entsteht ein sehr ausgewogener Rotwein mit komplexer Frucht und Würze, reich am Gaumen und weichen Gerbstoffen. Sehr vielseitiger Speisenbegleiter von der Pasta über Fleisch und herzhafte Gemüsegerichte bis zu Käse. Besonders authentisch wäre eine Pasta e fasoi alla Veneta (Pasta mit Bohnen). Um 12 Euro.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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