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Santa Barbara: Wo Pinot zur Höchstform aufläuft

Pinot Noir? 200 Kilometer nordöstlich von Los Angeles? Auf dem Breitengrad von Casablanca? Ja, das Santa Barbara County gilt tatsächlich als Cool-Climate-Region. Die Nähe zum kühlenden Pazifik ist der Schlüssel – und eine geologische Besonderheit auf dem gesamten amerikanischen Kontinent: Die Täler verlaufen hier von West nach Ost, so können die kühlen Winde und der hier segensreiche Nebel recht weit ins Landesinnere vordringen.

1782 wurden hier die ersten Reben gepflanzt, wie an anderen Ort in Kalifornien von Missionaren, die Messwein herstellen wollten. Bis weit ins 20. Jahrhundert spielte der Weinbau hier keine ernst zu nehmende Rolle, auch nicht nach dem Ende der Prohibition 1933, als der Weinbau in Kalifornien wieder Bedeutung erlangte. Erst 1962 wurde das erste Weingut nach dem tiefen Einschnitt eröffnet.

In den 1970er Jahren ging es richtig los, in den 1990er Jahren schnellte das Wachstum nach oben, heute sind knapp 6000 Hektar Reben unter Ertrag, etwas mehr als vergleichsweise in Südtirol. Doch Santa Barbara ist damit noch immer eine kleine, feine Region, die aktuell in sieben AVAs (American Viticultural Area) unterteilt ist.

Mit über 30 Prozent der Rebfläche ist Pinot Noir der unangefochtene Platzhirsch und bekam nicht zuletzt deshalb eine tragende Rolle im erfolgreichen Film „Sideways“, der in Santa Barbara spielt und der Region noch einen weiteren Schub bescherte und Genusstouristen in die malerische Region lockte und lockt.

Ikonen mit Reifepotenzial: ausgewählte Weine aus Santa Barbara

2016 Sanford & Benedict Vineyard, Pinot Noir Santa Ynez Valley, Au Bon Climat

Die Geschichte von Santa Barbara kann nicht ohne vor zwei Jahren verstorbenen Jim Clendenen erzählt werden. Sein Interpretation von Pinot Noir und Chardonnay haben den Stil der Region geprägt und die gesamte Kalifornische Weinwelt beeinflusst. Zunächst stieß er jedoch auf Unverständnis. Die Weine seines 1982 gegründeten Weinguts waren von Anfang an geprägt von Leichtigkeit und Finesse, wie Clendenen sie im Burgund kennen gelernt hatte. Der 2018er Pinot Noir Sanford & Benedict stammt vom wohl prominentesten Weinberg Santa Barbaras, 1971 von Richard Sanford in den kühlen Santa Rita Hills gepflanzt. Eher hell in der Farbe, komplexe kühle Kräuterwürze, zurückhaltende Frucht und ebenso zurückhaltener Holzeinsatz sorgen für Harmonie und Finesse. Das feine, seidige Tannin füllt den Gaumen und führt zu einem langen anhaltenden Finish. 49 Euro bei www.weinhalle.de.

2015 Sanford & Benedict Vineyard, 31st Vintage Celebration Chardonnay Santa Ynez Valley, Au Bon Climat
Der weiße Bruder aus dem Sanford & Benedict Vineyard. Eine limitierte Abfüllung mit ätherischer Würze sowie feiner tropischer Frucht, am Gaumen markant und kraftvoll ohne fett zu sein. Die Säure trägt den Wein in einen begeisternd langen Abgang. 65 Euro bei www.weinhalle.de.

2009 Sta. Rita Hills Estate Chardonnay, Melville
Würdevoll gereifter – nicht etwa gealterter – Chardonnay, der das Reifepotenzial von Weinen aus Santa Barbara eindrucksvoll belegt: Ätherische, kräuterige Würze, ungemein vital am Gaumen; elegant und geerdet zugleich wie die Schauspielerin Helen Mirren. Wer den Begriff „Salzigkeit“ mal deutlich spüren möchte: Bitteschön, hier ist sie. 28 Euro bei www.californiawines.de.

2018 Sta. Rita Hills Chardonnay, Sandhi
Ansprechendes Bouquet aus Frucht (Zitrus, Melone), Rauchigkeit und steinigen Anklängen, dezent eingesetztes Holz druckvoll dabei frisch und anhaltend am Gaumen. Ein sehr ausgewogener Chardonnay im modernen Santa Barbara Stil. Um 28 Euro bei www.bacchus-vinothek.de

1999 Santa Barbara County Pinot Noir, Sanford
Richard Sanford gilt als einer der Santa Barbara-Pioniere. Nicht zuletzt pflanzte er den Sanford & Benedikt Vineyard (siehe oben). Vor einigen Jahren verkaufte er sein Weingut mitsamt dem Namen, doch Weine aus seiner Zeit sind noch erhältlich. Der 1999er Pinot ist ein Wein wie Senior-Primabellerina, die allen nochmal zeigt wie`s geht. Zarte Noten von Unterholz, Kräutern und Trockenfrüchten, spielerisch und schwebend leicht am Gaumen. 28 Euro bei www.californiawines.de.

2018 Sta. Rita Hills Estate Pinot Noir, the Hilt
Ein junges Weingut das auf sich aufmerksam macht, mit einem Wein, der das ebenfalls sofort tut. Einnehmender, vielschichtiger Duft, mit allem, was man mit Pinot Noir verbindet: Rote Früchte, Rauch, Gewürze. Im Geschmack elegant und markant zugleich. Frage: Wie schmeckt ein moderner Pinot Noir aus Kalifornien? Antwort: So! Verfügbar bei Tesdorpf für 59 Euro.

2018 Ballard Canyon Estate Grown Syrah Stolpman
Syrah und nicht Shiraz? Der französische Name auf dem Etikett ist ein klares Statement. Der Wein ist überraschend hell in der Farbe, nicht auf Opulenz gebaut, sondern auf Struktur und Finesse. Würzige Nase, direkt in der Ansprache, zupackend am Gaumen, kühle Finesse im Abgang. 27,70 Euro bei www.bacchus-vinothek.de.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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