Weltweit wird 13 Mal mehr Chardonnay angebaut als Weißburgunder. Damit ist Chardonnay mit Abstand der wichtigste Vertreter der Pinot-Familie (Pinot Noir, Pinot Gris, Pinot Blanc, Auxerrois, Aligoté). Ist dieser große Unterschied nun ein Indiz dafür, dass sich aus Weißburgunder weniger gute Weine erzeugen lassen als aus der Sorte Chardonnay? Wenn man die Weine der Côte de Beaune aus dem Burgund zum Massstab nimmt, also Puligny-Montrachet, Meursault, Corton zum Beispiel, lässt sich die Frage leicht mit Ja beantworten. Doch der Chardonnay-Anteil im Burgund (rund 3.000 Hektar) macht nur 1,5 Prozent der weltweiten Chardonnay-Rebfläche aus. Für die restlichen 98,5 Prozent ist die Frage keineswegs so leicht mit Ja zu beantworten. Häufig lautet die Antwort Nein.
Inhalt dieses Artikels:
- Südtirol als Weißburgunder-Pionier
- Weißburgunder: nützlich, aber langweilig?
- Chardonnay vs. Weißburgunder
- Deutschland als Weißburgunder-Produzent
- Herstellung von Weißburgunder
- Degustation
Weißburgunder hat gar keinen Ruf
„Spatium Pinot Blanc“ heisst der Kongress, der alle zwei Jahre im Südtiroler Weinort Eppan veranstaltet wird. Einen Tag lang im Mai diskutieren Experten aus aller Welt über die Frage, was das Problem des Weißburgunders ist. In diesem Jahr war das schnell klar: Der Wein hat keinen wirklich schlechten und keinen wirklich guten Ruf. Er hat, genau genommen, gar keinen Ruf. Er gilt als gutmütig, bieder, unaufregend, ja: ein bisschen langweilig. Dieser Ruf, so kritisierte Madeleine Stenwreth, Master of Wine aus Schweden, wird seit Jahren mit Erfolg von allen Wein-Publikationen weiterkolportiert.
Hinzu kommt, dass der Weißburgunder da, wo er angebaut wird, immer im Schatten anderer Weine steht, mal des Chardonnay (USA), mal des Rieslings (Deutschland, Österreich), mal des Pinot Gris (Elsass). So ist der Weißburgunder ein Nischenwein geworden. Im Friaul, wo er vor 20 Jahren als einer der besten Weißweine überhaupt galt, wird er der Glera-Traube geopfert, aus der Prosecco produziert werden soll. Sein Rebflächenanteil ist auf ein paar Prozent geschrumpft. In Deutschland wird der Weißburgunder vor allem als unkomplizierter Buschenschank-Wein geschätzt. In Übersee wird er von Chardonnay und Pinot Gris in die Ecke gedrängt. Lediglich in Südtirol kann er sich behaupten – allerdings erst seit Kurzem. Zwar ist die Sorte dort schon seit über 150 Jahren heimisch. Aber erst in den letzten Jahren haben Weinbauern und Kellereien so richtig begriffen, dass der Weißburgunder die ideale Weißweinsorte zwischen Eppan und Meran ist.
Südtirol heute der Weißburgunder-Pionier
Noch vor zehn Jahren war es so, dass der Weißburgunder vor allem für die Basisqualitäten gut war. Lediglich die Kellerei St. Michael-Eppan mit ihrem „Schulthauser“ und Alois Lageder mit seinem „Haberle“ zeigten, dass die Sorte zu mehr taugt. Heute existieren mindestens drei Dutzend Weine der gehobenen Kategorie, angeführt vom „Sirmian“ der Kellerei Nals Margreid, der Riserva der Abtei Muri, dem „Strahler“ des Stroblhofs, Abrahams „In der Lämm“, Niedrists „Limes“, dem „Plattenriegel“ der Kellerei Girlan, dem „Moriz“ der Kellerei Tramin, der „Klaser Riserva“ des Niklaserhofs und der „Vorhof Riserva“ der Kellerei Terlan.
Da der Weißburgunder (im Gegensatz zum Chardonnay) eher das kühle Klima liebt, wandert der Anbau in Südtirol in die hohen Lagen. In Nals und Terlan steht die Sorte bereits auf 800 Metern, wo sie schlanke, finessereiche Qualitäten hervorbringt, wie es sie zuvor in Südtirol nicht gab und wie sie die wenigsten Chardonnays auf der Welt erreichen. Der endgültige Durchbruch, was die Wahrnehmung dieses Weins angeht, gelang mit einigen Premium-Weißburgundern wie dem raren „Renaissance“-Weißburgunder des Gumphofs, der in Amphoren ausgebauten „Passion Riserva“ der Kellerei St. Pauls oder der auf Weißburgunder-Basis zusammengestellten, sündhaft teuren „Grande Cuvée“ der Terlaner Kellerei. Dass aus dieser „langweiligen“ Sorte Weine solcher Klasse werden können, hat selbst Experten überrascht.
„Nützlich, aber nicht aufregend“
„Weißburgunder steht im Ruf, nützlich, aber nicht sonderlich aufregend zu sein“, hat David Schildknecht in Eppan vorgetragen, langjähriger Verkoster für Parkers „Wine Advocate“ , jetzt beim Konkurrenten „Vinous“ unter anderem für deutsche und österreichische Weine zuständig. Nützlich, weil er sich fast universell mit Speisen kombinieren lässt, was die Berufsausübung der Sommeliers natürlich stark vereinfacht. Dass Weißburgunder auch aufregend sein kann, weiß nur eine Handvoll Weißwein-Liebhaber.
Natürlich: Für einen Teil der Weißburgunder dieser Welt trifft die wenig schmeichelhafte Beschreibung „langweilig“ zu. Aber liesse sich nicht dasselbe auch von den meisten Chardonnays sagen? Sind die Massen von „Stahltank-Chardonnays“, die aus allen Winkeln der Welt kommen, nicht genauso bieder? Schlimmer noch: die industriellen, mit getoastenen Chips oder Staves geholzten Chardonnays aus Übersee, die noch immer die Märkte fluten?
Weißburgunder so großartig wie Chardonnays
Sicher, es gibt großartige Chardonnays, nicht nur im Burgund. In der österreichischen Steiermark (allen voran von Erwin Sabathi), im schweizerischen Graubünden, vereinzelt in Italien (Lageder, Gaja, Jermann), in den cool climate-Gebieten Australiens (Tasmanien), Neuseelands (Hawke’s Bay), Argentiniens (Tupungato) oder Kaliforniens (Sonoma Coast). Aber es gibt es auch großartige Weißburgunder, nicht nur in Südtirol. Nur sind sie weit weniger bekannt: von Ludwig Neumayer im niederösterreichischen Traisental, von Rudi Pichler aus der Wachau, von Alois Gross in der Südsteiermark mit seiner nur in guten Jahren gefüllten Ried Nussberg, von Erie Vineyards in Oregon, nicht zuletzt die Großen Gewächse aus Deutschland von Huber und Heger aus Baden, von Boris Kranz, Wehrheim, Rebholz und Bassermann-Jordan aus der Pfalz.
Deutschland größter Weißburgunder-Produzent
Deutschland hat weltweit die grösste Weißburgunder-Anbaufläche. Chardonnay spielt nur eine Nebenrolle. Ein Großes Gewächs vom Chardonnay ist nur in Baden vorgesehen, vom Weißen Burgunder dagegen in der Pfalz, in Franken, in Baden, an der Hessischen Bergstraße sowie in den ostdeutschen Anbaugebieten Sachsen und Saale-Unstrut.
In Südtirol wird inzwischen genauso viel Weißburgunder angebaut wie Chardonnay. Nur hat Weißburgunder hohe Zuwachsraten, Chardonnay nicht. Im Elsass, der dritten Weißburgunder-Hochburg Europas, hat Pinot Blanc den Status eines AOC-Weins, nicht aber Chardonnay. Zufall? Schwerlich. Weißburgunder bringt im Elsass den besseren Wein.
Wie wird Weißburgunder vinifiziert?
Die Frage, die sich die Experten in Eppan stellten, lautete aber nicht nur: Wo wächst der beste Weißburgunder? Sondern auch: Wenn Weißburgunder seine Qualitäten ausspielen will, wie muss er dann vinifiziert werden? Wie ein Riesling? Oder burgundisch wie ein Chardonnay? Oder ganz anders? Der Amerikaner David Schildknecht war diesbezüglich ganz klar: „Das Argument: Burgundersorte, darum burgundischer Ausbau in teils neuen Barriques, gehört auf den Schrotthaufen.“ Aber wie dann?
Es gab in Eppan mehrere Masterclasses, in denen jeweils 12 hochklassige Weißburgunder präsentiert und von jeweils fünf Experten kommentiert wurden. Einer dieser Masterclass-Kommissionen gehörte ich an. Soviel vorweg: Alle Weine waren im Holzfass ausgebaut, teilweise darin auch vinifiziert worden, die wenigsten allerdings im Barrique. Trotzdem burgundisch: mit biologischem Säureabbau und langer Lagerung auf der Hefe. In die hohe und höchste Kategorie gehörten alle – zumindest dem Anspruch nach. Nur wurden nicht alle diesem Anspruch gerecht.
Die Weine
2017 Pinot Blanc, Domaine Weinbach (Elsass)
Sehr schmelziger, von grünen und gelben Früchten getragener Wein mit einer leicht smokigen Granitnote, kein Premium-Weissburgunder, aber ein höchst delikater Wein, der mit 13,5 Vol.%, einer kleinen Restsüsse (4 gr) und zusätzlichem Biologischen Säureabbau sehr rund und weich über den Gaumen rollt. Dass der Wein (wie nahezu alle Pinot Blancs aus dem Elsass) einen mehr oder minder großen Anteil Auxerrois enthält, ist anzunehmen. Es muss auf dem Etikett nicht angegeben werden.
Preis: rund 17 Euro
2016 Weißer Burgunder „Schönenberg***“, Weingut Knab (Baden)
Gut strukturierter, aber immer noch schlanker Premium-Wein von 40jährigen Rebstöcken, die auf vulkanischen Böden am Kaiserstuhl stehen. Viel Grapefruit, kräftige kristalline Säure, im großen Holzfass vergoren, trotz 14 Vol.% Alkohol elegant und nachhaltig. Feiner Wein.
Preis: 19 Euro
2016 Weißer Burgunder „Dottinger Castellberg“ GC, Weingut Martin Wassmer (Baden)
Ein mit blumigen Duftnoten und obstigen Aromen vollgepackter Wein im „Markgräfler Burgunderstil“, wie Martin Wassmer sagt, wenn er einen Wein im Barrique ausbaut. Entsprechend röstig schmeckt dieser Grand Cru von einer terrassierten Steillage mit 40 Jahren alten Stöcken. Er ist spontan vergoren, knochentrocken, hat eine hohe Säure, die etwas neben dem Wein steht. Ein Weißer Burgunder von beeindruckender Fülle und Dichte, aber nicht ganz stimmig in sich.
Preis: 38 Euro
2016 Pinot Bianco Riserva „Flora“, Kellerei Girlan (Stüdtirol)
Ein überwiegend von den skelettreichen Böden in Girlan stammender Wein von feiner Cremigkeit, relativ stoffig, aromatisch zurückhaltend mit zarten Pfirsich-/Birnennoten und kalkiger Mineralität, schlank wirkend, doch mit 14 Vol.% alkoholisch gut bestückt. Ausbau in 15 Hektoliter-Fässern mit teilweisem biologischen Säureabbau.
Preis: 18 Euro
2015 Pinot Blanc „AbrahamArt“, Weingut Abraham (Südtirol)
Dieser Wein kommt von den ältesten Rebstöcken (über 50 Jahre alt) aus der Lage „in der Lämm“, der Paradelage des kleinen Privatguts von Martin Abraham in Girlan. Über 50 Jahre alte Rebstöcke mit kleinen Beeren und Mini-Erträge von rund 30 Hektolitern – das ist die solide Basis für die herausragende Qualität dieses Weins: dicht gewoben mit präziser Frucht und schöner Textur, dabei auch im jungen Stadium schon sehr präsent und zugänglich, in 500 Liter-Eichenholzfässern ausgebaut mit biologischem Säureabbau, lange auf der Grobhefe gelegen und erst nach einem Jahr gefüllt. Hinreissender, aber leider rarer Weißburgunder.
Preis: 37 Euro
2015 Weißburgunder „Kirchberg“ GG, Weingut Salwey (Baden)
Stoffiger, gut strukturierter Wein, auf Vulkanboden gewachsen, in Holzfass vergoren mit biologischem Säureabbau: zitrusfruchtig mit leicht rauchigem Unterton, trotz biologischem Säureabbau von rassiger, ja: roher Säure geädert. Mit seinen Reife- und Vanillearomen auf der einen und donnernden Säure auf der anderen Seite wirkt der Wein in sich nicht stimmig, strebt auseinander.
Preis: 35 Euro
2013 Weißburgunder „Maximum“, Weingut Hiedler (Kamptal, Österreich)
Maximum nennt Ludwig Hiedler aus Langenlois seine raren Spitzenweine. Dieser Weißburgunder von Vulkanverwitterungsböden ist fast goldgelb in der Farbe, nussig mit röstigen Kaffeenoten am Gaumen, dazu ein Hauch Honigmelone, im Akazienholzfass vergoren und fünf Jahre auf der Hefe gelegen: ein Wein, der als Weißburgunder nicht mehr zu erkennen ist, breit und fett wirkt und irgendwie ratlos macht.
Preis: 30 Euro
2013 Weißer Burgunder „Bienenberg“ GG, Bernhard Huber (Baden)
Huber heißen viele, aber wenn es um Spät-, Grau- oder Weißburgunder geht, gibt es nur einen, der gemeint sein kann: Julian Huber aus Malterdingen. Der junge Winzer präferiert die burgundische Stilistik: Vergärung im Barrique (nur 1/3 neu) bei nicht zu kühler Temperatur, anschließend biologischer Säureabbau und lange Lagerung auf der ersten Hefe. Aber Huber geht beim Weißen Burgunder nicht in die Reife. Er liest relativ früh und ist mit einem 90grädigen Most zufrieden. Resultat ist ein vielschichtiger, mineralisch geprägter Wein mit Apfel- und Zitrusaromen sowie einer pikanten Toastnote im Hintergrund. Bei aller Cremigkeit bleibt der Wein frisch, was beim 2013er allerdings auch der überproportional hohen Säure geschuldet ist.
Preis: 28 Euro
2012 Pinot Blanc „Renaissance“, Gumphof (Südtirol)
Seit 2012 erzeugt Markus Prackwieser in guten Jahren eine Auslese vom Weißburgunder im Stile einer Riserva, die seinen exzellenten Weißburgunder „Präsulis“ noch übersteigt: spät gelesene Trauben von den ältesten Rebstöcken, spontan im Tonneau (500 Liter) vergoren und ein Jahr lang unabgestochen auf der Hefe ausgebaut, danach weitere 10 Monate auf Feinhefe im Edelstahl gelagert. Herauskommt ein reicher, dicht gewobener Wein mit einem satten, an Zitrus und Austernschalen erinnernden Aroma und 14 Vol.% Alkohol. Die kräftige Säure, von der er durchzogen ist, gibt ihm zusammen mit der brotigen Hefe genügend Frische, um auch nach fünf und mehr Jahren in bester Form dazustehen. Ein exemplarischer Südtiroler Weißburgunder. Aus dem Burgunderglas trinken.
Preis: 30 Euro
2010 Weißburgunder „Mandelberg“ GG, Bergdolt – Klostergut St. Lamprecht (Pfalz)
Der Mandelberg in Kirrweiler ist eine Top-Lage für den Weißburgunder in der Pfalz, und das GG von Bergolt immer einer der der grössten Weine dieser Sorte in Deutschland. Auf kalkhaltigem Quarzsand gewachsen, entsteht ein hochfeiner, von gelben Früchten geprägter und von einem Hauch Schiesspulver durchzogener Wein, der mit seiner Üppigkeit und der cremigen Textur den Gaumen verwöhnt. Ein gut gereifter, im großen Holzfass und im Edelstank ausgebauter Wein, der sich jetzt in bester Genussreife präsentiert, aber leider längst ausverkauft ist.
Preis: ca. 30 Euro
2010 Pinot Bianco Riserva, Castello di Spessa (Friaul, Italien)
Ein weißer Burgunder der etwas anderen Art: opulent und stoffig mit moderater, aber lebendiger Säure, der dem Wein auch nach über sieben Jahren noch Frische gibt. Aromatisch eher zurückhaltend, Anklänge von Williamsbirne mit zarter, schiefrig-rauchiger Note, durch seine seidige Textur elegant und kaschmirweich am Gaumen. Von den 36 Monaten Barriqueausbau und 14,5 Vol.% Alkohol schmeckt man nichts. Da das Weingut sich in den letzten Jahren mehr auf Schaumwein, Grappa und Elitetourismus konzentriert, ist diese Riserva ein Einzelwein geblieben.
Preis: unbekannt
2005 Weißburgunder „Rarität“, Kellerei Terlan (Südtirol)
In sehr guten Jahren baut Rudi Kofler, der Terlaner Kellermeister, eine kleine Partie seines Weißburgunders speziell aus. Er legt den Wein nach der Gärung (im Edelstahl) und nach einjähriger Reifung im großen Holzfass in eine Betonzisterne, wo er zehn Jahre auf der Feinhefe lagert. Erst danach wird der Wein gefüllt. Die 2005er „Rarität“ ist ein Monument von Weißburgunder: keine Falte im Gesicht, aber abgeklärt und reif mit Noten von gelbfleischigen Früchten, Teeblüten, Brioche, Granitstaub. In 400 bis 500 Meter auf rotem Porphyr oberhalb von Terlan gewachsen, spät, aber nicht überreif gelesen, schonend gepresst, später dann biologischer Säureabbau (50%) und am Ende unfiltriert abgefüllt.
Preis: ca. 100 Euro