„Ich hatte schon immer ein Faible für Riesling“, sagt Jochen Dreissigacker voller Leidenschaft, „keine Rebsorte kann so viel Charakter zeigen“. Was der Rheinhesse nicht sagt, sondern immer wieder aktiv zeigt: Es kommt darauf an, wie man den König der weißen Sorten behandelt, was man aus ihm macht, noch besser vielleicht, was man ihn machen lässt. Rund 60 Prozent der aktuell 40 Hektar des Gutes im Wonnegau sind mit Riesling bestockt, dazu gehören Weinberge in Spitzenlagen wie dem Bechtheimer Geyersberg und Rosengarten sowie dem Westhofener Morstein und Kirchspiel.
Der Weg zum Erfolg war nicht vorgezeichnet, zumindest verlief er nicht geradlinig. Jochen Dreissigacker sollte nach dem Willen der Eltern etwas Solides erlernen und absolvierte eine Lehre als Steuerfachkraft. Danach wusste er wirklich, was er wollte und machte eine Winzerlehre und studierte anschließend noch Weinbautechnik.
Gemeinsam mit Bruder Christian, der 2006 das benachbarte Weingut Dr. Koehler übernahm, machte er sich ab dem Jahr 2004 daran, den Familienbetrieb umzukrempeln: mit biologischem Weinbau, Ertragsreduzierung, Handlese, Straffung des Sortiments und Fokussierung auf trockene Weine. „Ich habe immer das gemacht, was ich für grandios halte“, sagt Dreissigacker zurückblickend. Nicht so grandios fand das die alte Stammkundschaft, die dem seit 1782 bestehenden Weingut den Rücken kehrte. Die Folge: 70 Prozent Umsatzverlust im ersten Jahr.
Doch es findet sich – gerade noch rechtzeitig – ein neuer Kundenkreis, der zum Sprungbrett wird: Top-Gastronomie, angefangen mit dem Berliner Hotel Adlon und Spitzenkoch Tim Raue, mit dem Jochen Dreissigacker seither befreundet ist. Die Verbindung mit ausdrucksstarker Küche treibt den Ehrgeiz des Winzers weiter an. „Die Kombination von Essen und Wein inspiriert mich und ich versuche, den perfekten Wein für perfekte Gerichte zu machen“. Tim Raue beschreibt seinen Wunschwein so: „Schlank und elegant, mit komplexer Mineralität.“
So sind Dreissigackers Weine über die Jahre immer geradliniger und dabei ausdrucksstärker geworden. Boden und Lage machen mehr denn je den Wein aus. Der Weg dorthin ist aufwändig und führt zunächst über die detailgenaue Arbeit im Weinberg, mit Handarbeit an jedem einzelnen Stock, vom Rebschnitt über Laubarbeit und Ertragsreduzierung bis zur Handlese in mehreren Durchgängen. Nur so erhält Dreissigacker das Lesegut, das für Maischestandzeiten geeignet ist. Das bedeutet, dass auch bei weißen Trauben der Most nicht sogleich abgepresst wird, sondern für eine bestimmte Zeit mit den Traubenschalen in Kontakt bleibt. So lösen sich unter anderem Gerbstoffe aus den Schalen, die dem Wein Tiefe und (Lagen-)Charakter verleihen.
So geht Dreissigacker nicht nur bei den Lagenweinen vor, sondern auch bei den kleineren Brüdern.
Der Riesling „Wunderwerk“ stammt von jüngeren Reben, die nach Meinung des Winzers noch nicht das Potenzial für Lagenweine haben, aber schon kurz davor steht. Bis zu 70 Stunden bleibt der Most auf der Maische, bevor er zu 40 Prozent im Holzfass und 60 Prozent im Edelstahl vergärt. Das Ergebnis ist ein kraftvoller dabei straffer Wein mit zurückhaltender Frucht (Zitrus)und feiner Kräuterwürze. Sein Entwicklungspotenzial zeigt sich schon allein daran, dass Dreissigacker aktuell die Jahrgänge 2013 und 2016 in den Verkauf gibt, wobei der letzterer gerade beginnt seine Größe zu offenbaren.
Ein Beispiel für die ungebrochene Neugier und Innovationsfreude von Jochen Dreissigacker ist das Projekt „Vintages“, bei dem drei Jahrgänge Riesling miteinander vermählt werden. „Die Idee kam mir bei einem Besuch in der Champagne“, erzählt Dreissigacker. „Hier habe ich hautnah erfahren, wie sich bei der Komposition von Grundweinen, die Eigenschaften der Jahrgänge ergänzen und sich zu einem komplexen Gesamtbild fügen“. Bis zu acht Stunden steht hier der Most auf der Maische, 20 Prozent des Weines vergären im Holz. Das Ergebnis ist vielschichtig, frisch und belebend, somit ein feiner Begleiter zu leichter Küche – eben auch ein echter Dreissigacker.
Ausgewählte Dreissigacker Weine
Vintages Weiß, Riesling trocken, Rheinhessen, 14,50 Euro
2016 Wunderwerk Riesling trocken, Rheinhessen, 21 Euro
zu bestellen unter www.dreissigacker-wein.de