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Die Physiologie des Schmeckens

Kurze Attacke, langes Finale

Den Wein körperhaft auf der Zunge zu spüren, bedeutet höchsten Genuss. Zwar ist der Geschmack nie so vielfältig wie der Duft. Aber im Mund befriedigt der Wein mehr als nur einen Empfindungssinn – und löscht den Durst.

Die nichtflüchtigen Geschmacksträger des Weins sind Zucker, Säuren und die Phenole. Sie duften nicht (oder nur geringfügig), sie müssen infolgedessen geschmeckt werden. Für den Geschmack ist die Zunge zuständig. An ihr befinden sich die meisten Geschmacksrezeptoren, am Gaumen und im Rachenraum dagegen nur wenige. Gaumen und Rachen sind dennoch am Weingenuss beteiligt. Der physische Berührungsreiz, die Temperatur, das Zusammenziehen der Schleimhäute unter dem Einfluss des Tannins – für alle diese Sinneseindrücke ist der Empfindungssinn des Mundes empfänglich, der Trigeminus. Durch die Erwärmung des Weins im Mund werden schließlich auch die flüchtigen Aromen noch einmal aktiviert, die auf retronasalem Weg die Nasenschleimhaut noch einmal stimulieren.

 Die Zunge

Die Zunge ist mit Papillen bedeckt: feinste pilz- oder wallförmige Ausstülpungen, die vor allem dem Tastsinn dienen. Etwa 200 bis 400 dieser Papillen enthalten jedoch auch Geschmacksknospen. Mit ihnen kann der Mensch chemische Stoffe wahrnehmen. Allerdings sind die Geschmacksknospen unregelmäßig über die Zunge verteilt. Sie häufen sich an der Zungenspitze, an den Zungenrändern und an der Zungenwurzel. In der Zungenmitte sind kaum  Geschmacksknospen zu finden. Dieser Teil der Zunge ist also geschmacksneutral. Jede Geschmacksknospe enthält zahlreiche Sinneszellen, die an ihrem oberen Ende in kleinen, speichelumhüllten Geschmacksfäden enden, dem Porus. Sie sind die eigentlichen Empfindungserreger: Sie reagieren auf chemische Substanzen und leiten die entsprechenden Informationen ins Gehirn weiter. Am besten können Kinder schmecken. Bei ihnen stehen die Geschmacksknospen am dichtesten. Vom 20. Lebensjahr an nimmt ihre Zahl jedoch stetig ab. Mit 60 Jahren hat sich ihre Zahl halbiert.

Die Geschmacksknospen

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Zunge eine unendlich große Anzahl von Geschmacksnuancen wahrnehmen kann. Heute weiß man, dass es gerade vier Grundgeschmackssrichtungen sind, auf die die Zunge reagiert: süß, salzig, sauer, bitter. Allerdings weiß man auch, dass der Weingeschmack stets aus einer Mischung dieser vier Grundrichtungen besteht. Süße hängt am Alkohol, besonders am Glykol. Die Säure ist als Weinsäure, Milchsäure, Essigsäure, gegebenenfalls als Apfelsäure im Wein enthalten. Salze sind Bestandteile der Säuren (da der salzige Geschmack von anderen Geschmackskomponenten dominiert wird, tritt er als solcher kaum in Erscheinung). Den Bittergeschmack steuern bestimmte Phenole bei, etwa die Tannine. Freilich sind nur wenige Geschmacksknospen in der Lage, alle vier Geschmacksrichtungen wahrzunehmen. Die meisten können nur eine oder zwei erkennen. Entsprechend verteilen sich die Empfindungen auf verschiedene Zonen der Zunge.

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