Dienstag, September 17, 2024
15.9 C
München
spot_img

Das Menge-Güte Gesetz

Quantität gegen Qualität

Das Menge-Güte-Gesetz besagt, daß die Qualität des Weins steigt, je weniger Reben am Rebstock hängen. Wo die Natur nicht die Quantität begrenzt, muss der Mensch dafür sorgen.

Der Qualitätsweinbau basiert überall auf der Welt auf mehr oder minder strengen Ertragsbegrenzungen. Das heißt: Die Reben dürfen ein bestimmtes Quantum an Trauben pro Hektar Weinberg nicht überschreiten. Sonst läuft der Weinbauer Gefahr, daß der Wein die Anerkennung als Qualitätswein verliert und als Tafelwein deklassiert wird. Die Festlegung der maximalen Erträge erfolgt durch die nationalen Weinbaubehörden. Ihre Höhe ist von Anbaugebiet zu Anbaugebiet verschieden. Sie reicht von 35 Hektolitern in den Grand-Cru-Appellationen Burgunds bis zu 200 Hektolitern in den Beregnungsgebieten Australiens und Kaliforniens. Allerdings handelt es sich bei den Weinen, die dort erzeugt werden, nicht um Qualitätsweine im europäischen Sinn. Selbstverständlich dürfen die Höchsterträge unterschritten werden. Doch ab einer bestimmten Grenze führt eine Verringerung der Erträge nicht mehr zu einer entsprechenden Qualitätssteigerung.

Geringer Extrakt

Das Menge-Güte-Gesetz beruht auf einem biologischen Faktum: Eine Pflanze kann nur eine begrenzte Menge an Früchten zur Reife bringen. Je mehr Trauben am Rebstock hängen, desto langsamer reifen sie. Entsprechend groß ist in kühlen Anbaugebieten die Gefahr, daß sie zum Lesezeitpunkt nicht voll ausgereift sind. In warmen Anbaugebieten bilden die Trauben zwar genügend Zucker, aber wenig andere Inhaltsstoffe. Die Extraktwerte sind niedrig, der Most verwässert. Der Mehrertrag führt zu einem Verlust an Qualität, Konzentration und Dichte. Da er aufgrund der größeren Mengen aber auch zu höheren Einnahmen führt, nehmen viele Weinbauern den Qualitätsverlust in Kauf.

Gezielte Ertragsbegrenzung

Die meisten Pflanzen – auch die Rebe – neigen zu einer starken Fruchtbildung, sofern Klima und Boden es zulassen. Es liegt also weitgehend in der Hand des Weinbauern, die natürliche Produktivität der Rebe zu begrenzen. Dies kann durch mehrere Maßnahmen geschehen:

Der Sommerschnitt

Bei allzu vollem Behang hat der Weinbauer die Möglichkeit, im Juli oder August noch einmal durch den Weinberg zu gehen und einen Teil der noch grünen Trauben zu entfernen. Wenn Krankheiten, Hagel, Frost und Blüteschäden den Behang schon reduziert haben, kann er allerdings auf den Sommerschnitt verzichten.

Natürliche Ertragsbegrenzung

Die Höhe der Erträge hängt aber auch von zahlreichen natürlichen Faktoren ab. Auf trockenen, steinigen Böden („warmen“ Böden) können die Reben keine Massenerträge produzieren. Auf feuchten, stickstoffreichen Böden („kalten“ Böden) tragen sie umso mehr. Auch das Klima spielt eine große Rolle. Ein kühles, feuchtes Frühjahr kann dazu führen, daß nicht alle Blüten befruchtet werden. Die Traube verrieselt. Spätfröste im Mai können die Blüte sogar ganz zerstören. Eine große Gefahr stellen auch Rebkrankheiten dar. Sie dezimieren die Erträge bisweilen drastisch. Im Sommer bedroht Hagel die Reben. Die Eignung eines Gebietes zum Qualitätswein- Anbau hängt daher stark von den natürlichen Faktoren ab.

Die Wahl des richtigen Erziehungssystems

Das Erziehungssystem hat einen großen Einfluß auf die Produktivität der Rebe. So begrenzt die Ein-Bogen-Erziehung den Fruchtansatz stärker als die Zwei- Bogen-Erziehung, und die Pergola-Erziehung eröffnet dem Rebstock ein üppigeres Wachstum als eine Drahtrahmen-Erziehung.

Die Bestockungsdichte

Die Bestockungsdichte hat ebenfalls einen Einfluß auf die Erträge. Wenn mehr Rebstöcke auf einer bestimmten Rebfläche gepflanzt sind, trägt jeder einzelne Rebstock entsprechend weniger Trauben. Zu groß ist die Nahrungskonkurrenz untereinander.

Die Wahl des richtigen Rebklons

Die Rebschulen züchten von jeder Rebsorte zahlreiche Klone. Sie unterscheiden sich in genau festgelegten Merkmalen voneinander. So gibt es von derselben Sorte zum Beispiel Klone, die auf üppigen Fruchtansatz hin selektiert sind. Das heißt: Sie bilden viele Trauben mit vielen Beeren. Umgekehrt existieren Klone, die einen lockeren Fruchtansatz mit wenigen Beeren aufweisen.

Der Winterschnitt

Während der Winterruhe werden die Reben beschnitten. Dabei wird der größte Teil des alten Holzes entfernt. Je weniger Fruchtruten (eine oder zwei) mit umso weniger Augen (sechs bis zwanzig) stehengelassen werden, desto geringer ist der Fruchtansatz im Frühjahr.

Wie Hektarhöchsterträge angegeben werden

Frankreich ist der Pionier der modernen Qualitätsweinerzeugung. Dort werden die Hektarhöchsterträge meist in Hektoliter Most pro Hektar angegeben (1 Hektoliter = 100 Liter). Die italienischen Weingesetze sprechen dagegen von Doppelzentner Trauben pro Hektar. Die Mostausbeute der Trauben liegt bei durchschnittlich 70 Prozent.

Hektarhöchsterträge

Frankreich*
Bordeaux Sec 65 hl
Pauillac Margaux/St- Julien/ St-Estèphe 45 hl
St-Emilion 45 hl
St-Emilion Grand Cru 45 hl
Pomerol 40 hl
Chambertin Grand Cru 35 hl
Pommard 1er Cru 40 hl
Montrachet Grand Cru 40 hl
Meursault 45 hl
Beaujolais 65 hl
Coteaux du Languedoc 50 hl
Côtes du Rhône 50 hl
Champagne 60 hl
Elsaß 80 hl
Elsaß Grand Cru 55 hl
Italien*
Chianti 65 hl
Chianti Classico 55 hl
Brunello di Montalcino 55 hl
Barolo/Barbaresco 55 hl
Collio (Friaul) 80 hl
Soave 100 hl
Teroldego (Trentino) 120 hl
Spanien*
Ribera del Duero 60 hl
Rioja 60 hl
Deutschland*
Rheingau 100 hl
Mosel-Saar-Ruwer 125 hl
Österreich*
alle Anbaugebiete 70 hl
Schweiz
Genf 90 hl
Wallis 80 hl
Andere Länder
Kalifornien, Südafrika, Australien keine Ertragsbegrenzung

*Auf Antrag darf der angegebene Basisertrag um bis zu 20% überschritten werden.

Das Alter der Reben

Auch das Alter der Reben beeinflußt stark die Produktivität. Ihre besten Erträge geben sie zwischen dem zwölften und 25. Lebensjahr. Danach nimmt ihre Leistung kontinuierlich ab. Die meisten Winzer hacken ihre Reben deshalb nach 25 Jahren aus und ersetzen sie durch neue. Château Margaux dagegen verwendet für seinen Grand Vin nur Reben mit einem Alter von mindestens 40 Jahren, für seinen Zweitwein Pavillon Rouge solche von mindestens 25 Jahren: Je geringer die altersbedingte Eigenproduktivität, desto besser die Qualität der Trauben. Andere berühmte Weine Frankreichs oder anderer Länder tragen auf dem Etikett gelegentlich die Bezeichnung vieilles vignes – alte Reben. Die Bezeichnung ist allerdings nicht geschützt.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel
- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img