Mangelnden wirtschaftlichen Erfolg kann man der Familie Cecchi nicht nachsagen. Von Anfang an stand ihr Name über einem der großen Handelshäuser für roten Wein aus der Toskana. Der Anfang, das war 1893 – also lange her. In den 1930er Jahren hatte Cecchi bereits einen Ruf erworben, der weit über Italien hinausreichte. Ihre Weine waren nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee zum Inbegriff italienischer Lebenslust und Genießerkunst geworden.
Ein halbes Dutzend Weingüter gekauft
Seitdem hat Cecchi langsam, aber sicher ein weltumspannendes Vertriebsnetz aufgebaut. Heute steht das Unternehmen für acht Millionen Flaschen. Im Unterschied zu den Anfängen besitzt die Familie allerdings ein halbes Dutzend Weingüter und produziert einen grossen Teil seiner Trauben selbst. Sie hat somit die volle Kontrolle vom Rebstock bis zum Wein, einschließlich ökologischer Anbaumethoden und nachhaltiger Produktionsweise. „Wir sind heute dezentral organisiert“, sagt Andrea Cecchi, der zusammen mit seinem Bruder Cesare die Geschäfte führt. „Jedes Weingut wird selbstständig geleitet und trägt eigene Verantwortung für Wein und Weinberge.“
Villa Cerna – der Mittelpunkt
Im Mittelpunkt der Weinaktivitäten stand immer der Chianti. 1961 kaufte die Familie dann Villa Cerna, ein Weingut im Chianti Classico mit über hundert Hektar Land. Gelegen auf einem sanft ansteigenden Hügel bei Castellina, sollte es zum Mittelpunkt aller Weinaktivitäten der Familie werden. Die prächtige, von Zypressen umstandene Casa Padronale wurde aufwendig renoviert, um Kunden aus aller Welt stilvoll empfangen zu können. Der Chianti Classico von Villa Cerna wurde bald zu einer Art Ikone für das Anbaugebiet.
Der Toskana-Boom
Als die Toskana in den 1980er und 1990er Jahren zu boomen begann und zahllose neue Weingüter plötzlich mit spektakulären Qualitäten auf den Markt kamen, wurde es etwas stiller um Cecchi und Villa Cerna. Die italienischen Weinkritiker fanden die Cecchi-Weine zu brav, zu traditionell. Auch wenn diese sich nach wie vor gut verkauften, so strahlte das Weingut nicht mehr ganz hell vor vorher.
Kein Stein auf dem anderen geblieben
Cesare und Andrea, die vierte Generation seit der Gründung, begannen umzusteuern. Sie entschlossen sich, die Weinproduktion neu zu ordnen und sich höhere Ziele zu setzen. Neue Weinberge wurden gekauft, alte Weinberge neu angelegt. Die Keller wurden entrümpelt, erweitert, modernisiert. Das Profil aller Weine wurde önologisch geschärft. Bei den Basisweinen wurde mehr auf Frische und Sauberkeit geachtet. Für die Riserva-Qualitäten wurden nur hochklassige Lagen herangezogen. Um eine Gran Selezione – das i-Tüpfelchen auf der Qualitätspyramide im Chianti Classico – erzeugen zu können, die ihrem Namen gerecht wurde, erwarb Cecchi ein neues Weingut mit noch besseren Lagen: Villa Rosa. Am Ende blieb kein Stein auf dem anderen. Das Einzige, was blieb, war das Bekenntnis zur Sangiovese-Traube.
Auch in der Maremma präsent
Und das galt nicht nur fürs Chianti Classico. 1996 hatte die Familie bereits grosse Ländereien in der Maremma gekauft und dort das Weingut Val delle Rose unweit Grosseto gegründet. Auch dort ist die Sangiovese die Leitsorte. Doch pflanzten die Cecchi auch Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot sowie weißen Vermentino an – mittlerweile durchaus typische Rebsorten für diesen südlichen Teil der Toskana. Heute kommen von dort ein ausgezeichneter Morellino di Scansano plus Riserva „Poggio al Leone“ sowie der Supertuscan „Aurelio“, eine mitreissende Cuvée aus Merlot und Cabernet franc.
Ich habe Andrea Cecchi, den jüngeren der beiden Brüder, Mitte Oktober in München getroffen. Er bekannte ganz offen: „Letztlich waren es die Journalisten, die uns dazu gebracht haben, uns neu aufzustellen. Durch ihre Beurteilungen und Kritiken ist das ganze Niveau der Toskana stark gestiegen. Auch uns haben sie motiviert, die Qualitätsschraube anzuziehen.“
Die Weine
2017 Morellino di Scansano, Val delle Rose
Der einfachste Rotwein , den Cecchi in der Maremma produziert: ein herrlich fruchtiger Wein mit milder Säure und weichem Tannin, der trotz seiner Umkompliziertheit reich und vollmundig ist und jeden Winkel des Mundes ausfüllt. Im Aroma an Iris und frische Marasca-Kirschen erinnernd, zeigt er am Gaumen eine erdige Würzige gepaart mit süßen Konfitüre-Noten. Zu 90 Prozent besteht dieser Morellino aus Sangiovese-Trauben, den Rest machen andere Sorten aus, die um das Weingut in Poggio La Mozza (unweit Grosseto) wachsen.
Preis: 11,40 Euro
Bezug: www.belvini.de
2015 Morellino di Scansano Riserva „Poggio al Leone“, Val delle Rose
Die Riserva ist das i-Tüpfelchen auf der Produktion des Morellino di Scansano: ein strammer, sehniger Wein, rebsortenmässig ähnlich zusammengesetzt wie der einfache Morellino, von der Typologie her aber ganz anders: komplexer, tiefer, mit kräftigerem Tanninkorsett, entsprechend mehr durch Sekundäraromen geprägt wie Leder und rauchige Würze, dazu ein Hauch von Minze. Ein Wein von disziplinierte Fülle, jetzt schon mit Genuss trinkbar, aber sicher noch viele Jahre haltbar.
Preis: 22,90 Euro
Bezug: www.weisshaus.de
2016 Aurelio, Val delle Rose
Mit dem Aurelio (95% Merlot, 5% Cabernet franc) hat die Familie Cecchi eine nicht-traditionelle Cuvée ins Sortiment genommen, um zu demonstrieren, dass in der warmen Maremma auch internationale Sorte gute Ergebnisse hervorbringen. Eindrucksvolle sogar: Dieser Wein wirkt reifer als die Morellino Riserva, wartet mit einem Cocktail von dunklen Früchten und Konfitürenoten auf, dazu schwarzer Pfeffer und ein Hauch von Bitterschokolade. Das Tannin ist süßer und samtiger, die Säure milder. Ein perfekt gemachter Wein, weniger langlebig, dafür umso köstlicher jetzt zu trinken.
Preis: 22,90 Euro
Bezug: www.weisshaus.de
2015 Chianti Classico Riserva „Villa Cerna“
Dieser Wein ist das Aushängeschild der Winzerfamilie Cecchi. Ein Sangiovese-Wein (95%) mit einem kleinen Anteil Colorino (5%) aus einem wahrhaft großen Jahrgang, reich und aromentief auf der einen Seite, straff gewoben auf der anderen: reife Brombeere und Salzlakritz mit einem Touch von grünem Unterholz, wie er für viele Chianti Classico so typisch ist. Schon jetzt ein Genuss, aber mindestens zehn Jahre lang noch ausbaufähig (der Wein hat in den letzten Jahren mehrfach die 3 Gläser im Gambero Rosso-Weinführer erhalten). Übrigens: Villa Cerna, das Weingut, ist für Weininteressierte und Toskana-Reisende immer offen. Es beherbergt ein feines Restaurant („La Foresteria“) mit prachtvollem Ausblick über die Landschaft, wo die Weine zusammen mit erlesenen Speisen getrunken werden können.
Preis: ca. 28 Euro (noch ist der 2014er im Verkauf. Wir empfehlen, auf den Jahrgang 2015 zu warten)
2015 Chianti Classico „Gran Selezione“, Villa Rosa
Eine Gran Selezione steht für die die höchste Qualitätsstufe im Chianti Classico. In sie gehen die besten Trauben von den besten Lagen eines Weinguts ein. Die Villa Rosa, der jüngste Erwerb der Familie Cecchi, verfügt über historisch herausragende Lagen bei Castellina in Chianti. Der 2015er ist die erste Gran Selezione, die Familie erzeugt hat: ein erkennbar Terroir-betonter Wein aus 100% Sangiovese mit seidiger Textur, der weniger durch Primärfrucht als durch getrockene Blumen, Zwetschgenröster, Zimt geprägt ist. In der Farbe relativ hell, doch im Aroma tief und anhaltend. Wären die Wildschweine nicht gewesen, die sich jede Nacht über die reifen Trauben hermachten, hätten die Cecchi diese noch ein paar Tage länger hängen gelassen. Ein Wein für die nächsten zehn Jahre.
In Deutschland noch nicht erhältlich