In Südtirol gärt es. Viele Kellereien denken darüber nach, ob sie auf ihre bisherigen Spitzenweine noch einen Super-Premium-Wein draufsetzen sollen. Die Kellerei in Terlan hat bereits vor drei Jahren eine Grande Cuvée auf den Markt gebracht. Diese besteht überwiegend aus Weißburgunder und wird für einen dreistelligen Betrag pro Flasche angeboten.
Im vergangenen Jahr hat auch die Kellerei St. Michael-Eppan ihren ersten Super-Premium-Weißwein auf den Markt gebracht: nach vier Jahren Kellerreife, davon ein Jahr im kleinen Holzfass (Barrique/Tonneaux). Der Wein heißt Appius (nach dem lateinischen Namen von Eppan) und besteht aus Südtiroler Rebsorten in wechselnder Zusammensetzung.
Auch das Flaschendesign variiert von Jahr zu Jahr: Die 2010er-Flasche sieht anders aus als die des 2011er Jahrgangs, der gerade auf den Markt gekommen ist. Der Wein wird in Deutschland für 99 Euro angeboten.
Jens Priewe hat die beiden Jahrgänge verkostet und mit Hans Terzer gesprochen, seit 1977 Kellermeister (besser: Önologe) in St. Michael-Eppan. Der 60-Jährige gilt als ausgesprochener Weißwein-Fachmann. Mit dem Weißburgunder Schulthauser hat er schon 1986 einen Bestseller geschaffen, mit den Sanct Valentin-Weinen eine Südtiroler Toplinie installiert, die den Südtiroler Wein auch in der Spitzengastronomie hoffähig gemacht hat. Der Appius setzt jetzt noch einen drauf.
Die Weine
Appius 2010 und 2011
2010 Appius
Nicht nur dicht gewoben, sondern auch stoffig und cremig, in der Nase hefefrisch mit Anklängen an reife Aprikose, Mandarine, Limette, Bourbonvanille und nassem Flusskiesel, burgundisch im Stil ohne jede röstige Holznote und ohne übertrieben hohen Alkoholgehalt (13,5 Vol.%): perfekt balancierter, finessenreicher Wein mit erkennbar großem Reifepotenzial.
Bewertung: 95/100
2011 Appius
Reicher Wein mit warmer, satter Frucht, reifem Früchtecocktail und pikanten gelben Stachelbeernoten, hochkomplex, aromentief, sehr cremig und druckvoll am Gaumen (14 Vol.%): nicht zuletzt auf Grund der hohen Extrakte ein sehr suggestiver, schon gut antrinkbarer Wein, vielleicht nicht ganz so lagerfähig wie der Vorgänger, erkennbar von der Sauvignon-Traube geprägt.
weinkenner: Einige Südtiroler Kellereien glauben, mit ihren Weißweinen qualitativ noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben. Die Kellerei Terlan hat vor drei Jahren eine Grande Cuvée auf den Markt gebracht, die im Handel für 195 Euro pro Flasche angeboten wird. Die Kellerei St. Michael-Eppan kommt jetzt ebenfalls mit einem Super-Premium-Wein heraus, dem Appius. Man liest, die Kellerei wolle zur Weltspitze aufschließen.
Hans Terzer: Die Idee eines raren Spitzenweins habe ich schon lange im Kopf. Aber irgendwie ist es bei uns nie richtig ausgegangen. Vielleicht lag es daran, dass erst einmal unsere Toplinie Sanct Valentin Priorität hatte, die für die Kellerei St. Michael-Eppan extrem wichtig ist. Auch der Jahrgang hat nicht immer gepasst.
weinkenner: 2010 war es dann soweit.
Hans Terzer: Beste klimatische Bedingungen, minimaler Behang, vollreife Trauben – perfekte Bedingungen für den Traumwein, den ich im Kopf hatte. Ausschlaggebend war jedoch die Überzeugung, dass wir in Eppan bei strengster Selektion und sorgfältigster Verarbeitung mit den großen Gewächsen aus den anerkanntesten Anbaugebieten der Welt auf Augenhöhe sein können. Und dann habe ich gesagt: Wenn Du nicht vorangehst, wer dann?
weinkenner: Die Kellerei Terlan hat diesen Beweis schon angetreten. Ihre Grande Cuvée wird von der internationalen Weinpresse mit höchsten Bewertungen bedacht.
Hans Terzer: Wir haben eine etwas andere Philosophie als die Terlaner Kollegen. Unser Appius ist eine Cuvée der besten Weißwein-Trauben unserer Weinberge. Sie kommen von älteren Rebstöcken, die ich persönlich aussuche, wenn ich die Weinberge begehe. Die Zusammensetzung der Cuvée ändert sich jedes Jahr. Wenn der Sauvignon besonders gut ausgefallen ist, wird der Wein mehr Sauvignon enthalten. Wenn es ein Chardonnay-Jahr ist, bildet diese Sorte den Schwerpunkt.
weinkenner: Es gibt also keine festen Vorgaben?
Hans Terzer: Träume haben keine Grenzen, Traumweine keine Regeln.
weinkenner: Der erste Appius-Jahrgang, der 2010er, ist im letzten Jahr auf den Markt gekommen. Er besteht zu rund 70 Prozent aus Chardonnay, die restlichen 30 Prozent teilen sich Pinot Grigio, Weißburgunder und Sauvignon. Haben Sie eine besondere Wertschätzung für den Chardonnay?
Hans Terzer: Ich mag die anderen Weißweinsorten genauso gern. Aber Chardonnay ist eine noble Sorte. Viele der ganz großen Weißweine der Welt werden aus ihr erzeugt. Und Chardonnay ist in Südtirol seit langem beheimatet. Ich war übrigens der erste in Südtirol, der sie reinsortig abgefüllt hat. Das war Anfang der 1980er Jahre. Vorher hatte man immer Weißburgunder und Chardonnay zusammen gekeltert…
weinkenner: …man glaubte, es gäbe keinen Unterschied zwischen diesen beiden Sorten.
Hans Terzer: Dabei ist der Unterschied enorm, nicht nur vom Geschmack her. Die Weißburgunder-Rebe gedeiht am Besten in hoch gelegenen, kühlen Lagen, die Chardonnay in tieferen, wärmeren Lagen. Das bedeutet: Chardonnay ist in der Regel der kräftigere, strukturiertere Wein. Für den Appius, der 24 Monate im kleinen Holzfass ausgebaut wird und die malolaktische Gärung durchläuft, ist die Sorte besonders gut geeignet. Aber das kann sich ändern. In 2011 besteht der Appius nicht hauptsächlich aus Chardonnay. Er enthält gleich viel Sauvignon und Pinot Grigio.
weinkenner: Keinen Weißburgunder?
Hans Terzer: Nicht in 2011.
weinkenner: Weißburgunder ist doch in den letzten Jahren zur Trend-Sorte in Südtirol geworden.
Hans Terzer: Grundsätzlich kommt auch Weißburgunder in Frage für den Appius. Siehe 2010. Aber wir haben mit dem Sanct Valentin Weißburgunder, unserem Top-Wein, bereits ein hohes Niveau erreicht. Und auch der Weißburgunder Schulthauser, von dem wir mittlerweile 160 000 Flaschen herstellen, ist ebenfalls ein Selektionswein.
weinkenner: Also Sauvignon. Diese Sorte, die um 1930 in Südtirol eingeführt wurde, 1956 erstmals von Sebastian Stocker, dem legendären Terlaner Kellermeister, reinsortig vinifiziert und später von Alois Lageder in seinem Lehenhof reinsortig auf die Flasche gebracht wurde, ist eines der Pfunde, mit denen die Kellerei St. Michael Eppan wuchern kann. Kein anderer Wein hat so häufig die begehrten 3 Gläser im Gambero Rosso, dem maßgeblichen italienischen Weinführer, erhalten wie der Sanct Valentin Sauvignon.
Hans Terzer: Zum Sauvignon sind wir eher wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Bei der Begehung eines Weißburgunder-Weinbergs hatte ich 1986 rein zufällig entdeckt, dass dort ein paar Zeilen einer anderen Sorte standen. Die Prüfung ergab: Es war Sauvignon blanc. Wir hatten die Trauben bis dahin immer zusammen mit dem Weißburgunder geerntet. Daraufhin haben wir neue Sauvignon-Weinberge angepflanzt und 1989 den ersten Sanct Valentin Sauvignon gekeltert. Seitdem hat der Wein 18 mal die 3 Gläser erhalten. Das macht uns stolz und zeigt, dass auch unser Sauvignon nicht so schlecht sein kann. Warum sollten wir diese Sorte nicht auch für den Appius verwenden?
weinkenner: Geht der Appius nur an die Sterne-Gastronomie oder bekommen ihn auch private Weinliebhaber?
Hans Terzer: Jeder kann ihn zum Beispiel in unserem Weingut kaufen. Allerdings gibt es nicht mehr als 2 Flaschen pro Person. Die Menge ist einfach zu gering.