Kunst & Chianti Classico: die Weine der Fattoria Nittardi

Nittardi Artikelbild
Der Frankfurter Kunsthändler Peter Femfert und seine Frau Stefania Canali haben ein kleines Wein- und Kulturimperium in der Toskana aufgebaut. Chapeau! Die Frage ist nur: Sind die Weine so gut wie die Kunst?

Jeder Toskana-Liebhaber kennt sie, die Wei­ne der Fat­to­ria Nitt­ar­di. Man erkennt sie an den auf­fäl­li­gen Künst­ler­eti­ket­ten bezie­hungs­wei­se an dem far­bi­gen Sei­den­pa­pier, in das die Fla­schen ein­ge­schla­gen sind. Yoko Ono, Tomi Unge­rer, Gün­ter Grass, Frie­dens­reich Hun­dert­was­ser und vie­le ande­re inter­na­tio­na­le Artis­ten haben eigens ange­fer­tig­te Zeich­nun­gen bei­gesteu­ert, mit dem der Wein von Nitt­ar­di sich schmückt.

Wein auf Augenhöhe mit der Verpackung?

Wein von Nitt­ar­di – das heißt Chi­an­ti Clas­si­co. Also San­gio­ve­se, die tos­ka­ni­sche Tra­di­ti­ons­sor­te, meist hun­dert­pro­zen­tig. 1981 war der ers­te Jahr­gang, der auf den Markt kam. Seit­dem hat Nitt­ar­di regel­mä­ßig Chi­an­ti Clas­si­co pro­du­ziert. Weil das Äuße­re künst­le­risch so wert­voll ist, stellt sich für vie­le Lieb­ha­ber des tos­ka­ni­schen Weins die Fra­ge, ob auch der Inhalt auf Augen­hö­he mit der Ver­pa­ckung ist. Und mit dem Preis. Denn die Nittardi-Weine lie­gen preis­lich durch­weg an der Ober­gren­ze des­sen, was unter Top-Erzeugern im Anbau­ge­biet üblich ist. Das ist nicht allein der wer­ti­gen Ver­pa­ckung geschul­det, son­dern auch ein State­ment. Kurz­um: Die Fra­ge mit der Augen­hö­he kann nur durch eine umfas­sen­de Pro­be beant­wor­tet werden.

Lasst die Experten sprechen!

Peter Fem­fert und Ste­fa­nia Canal­iDie­se Pro­be fand Anfang Febru­ar in Frank­furt statt, wohin Peter Fem­fert und Ste­fa­nia Cana­li, Ehe­leu­te und Besit­zer von Nitt­ar­di, ein­ge­la­den hat­ten. Über ein Dut­zend Exper­ten waren dazu gekom­men: Som­me­liers wie Marie-Hélène Krebs von Schloss Elmau, Küchen­chefs wie Frank Buch­holz, Win­zer wie Rowald Hepp von Schloss Voll­rads, Kultur-Manager wie Micha­el Herr­mann vom Rhein­gau Musik Fes­ti­val, Unter­neh­mer wie John Feld­mann von BASF und Hen­ning Wieg­mann von der Hen­kell Sekt­kel­le­rei, dazu ein paar Jour­na­lis­ten wie Die­ter Bra­atz (Fein­schme­cker), Giu­sep­pe Lau­ria (Wein­Wis­ser),  Ste­phen Brooks (Decan­ter) und Ste­phen Spur­ri­er, der ein Dut­zend Wein­bü­cher geschrie­ben hat und 1976 das berühm­te Paris-Tasting orga­ni­siert hat, bei dem Kali­for­ni­en gegen Bor­deaux pro­biert wur­de (und gewann).  Also kei­ne ahnungs­lo­sen „Drauf-los-Verkoster“, die nur beur­tei­len, ob der Wein lecker ist oder nicht, son­dern aus­ge­wie­se­ne Ken­ner, die genau wis­sen, wie ein guter Chi­an­ti Clas­si­co zu schme­cken hat.

Die meisten lieben den jungen, fruchtigen Chiantio Classico

Wein­gut mit Hundertwasser-SkulpturenDer Wein mit den Künst­ler­eti­ket­ten reprä­sen­tiert den jun­gen, fruch­ti­gen Chi­an­ti Clas­si­co, in der Tos­ka­na anna­ta genannt (weil er bereits nach einem Jahr frei­ge­ge­ben wer­den darf). Die­ser Chi­an­ti Clas­si­co (auf dem Eti­kett Casa­no­va di Nitt­ar­di genannt, seit 2012 mit der Unter­be­zeich­nung Vigna Dog­hes­sa) kommt erst nach zwei Jah­ren auf den Markt, ent­spricht aber in etwa die­sem Typus. Sein Preis liegt zwi­schen 18,50 und 22 Euro. Der 2013er ist rela­tiv hell in der Far­be und etwas ein­di­men­sio­nal fruch­tig, ähn­lich der 2012er. Der 2011er ist rei­cher und hat mehr Wür­ze. 2007 ist zwar nicht mehr jung, aber noch völ­lig frisch, dabei eben­falls üppig und jetzt per­fekt zu trinken.

Letz­te­re zwei Wei­ne stam­men aus war­men Jahr­gän­gen. Es zeigt sich also, dass die spät­rei­fen­de Sangiovese-Traube in sol­chen Jah­ren mehr Poten­zi­al besitzt. Frei­lich dürf­te stim­men, was Peter Fem­fert zu 2013 und 2012 sag­te: „Ich wet­te, dass 90 Pro­zent der Wein­trin­ker die­se Wei­ne lie­ben und den schwe­re­ren vor­zie­hen.“ Ich wür­de hin­zu­fü­gen: Ein gro­ßer Teil der Wein­trin­ker, beson­ders der deut­schen, setzt Chi­an­ti Clas­si­co sogar mit solch herz­haf­ten, fruch­ti­gen, mäßig tan­nin­be­ton­ten und oft etwas kan­ti­gen Wei­nen gleich – was natür­lich falsch ist.

Krönung Riserva

Chianti Classico Riserva
Chi­an­ti Clas­si­co Riserva

Denn bei allem Respekt für den jun­gen Chi­an­ti Clas­si­co: Die Krö­nung ist nun ein­mal die Riser­va (und neu­er­dings die Gran Sele­zio­ne, die auf dem Papier noch über der Riser­va steht). Sie ist der fei­ne­re, viel­schich­ti­ge­re Wein, wird meist spä­ter gele­sen, dabei nach der Qua­li­tät des Tannins selek­tio­niert, anders vini­fi­ziert und län­ger aus­ge­baut: bei Nitt­ar­di zum Bei­spiel lan­ge 24 Mona­te in Barriques.

Die Riser­va bekommt bei Nitt­ar­di auch kein Künst­ler­eti­kett ver­passt, son­dern trägt ein schlich­tes schwar­zes Eti­kett mit gol­de­ner Schrift. Außer­dem ent­hält sie rund fünf Pro­zent Mer­lot. Es gibt sie nur in guten Jah­ren und dann in klei­nen Men­gen (etwa ein Vier­tel der Pro­duk­ti­on). Natür­lich ist sie auch teu­rer als der ein­fa­che Chi­an­ti Clas­si­co. Der Han­del bie­tet sie für rund 32 Euro an.

 

 

Die Beurteilung

Die Riser­va stand denn auch im Mit­tel­punkt der Ver­kos­tung in Frank­furt. Da sie für ein län­ge­res Leben kon­zi­piert ist, hat­ten Cana­li und Fem­fert 11 Jahr­gän­ge auf­ge­bo­ten, die Aus­kunft geben soll­ten, ob aus einem zwar fruch­ti­gen, aber in sei­ner Jugend oft tann­in­har­ten Wein ein ele­gan­ter, fei­ner Trop­fen wer­den kann. Hier das Ergebnis:


2012 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Straf­fer, aber weder sehr kom­ple­xer noch sehr kon­zen­trier­ter Wein mit vor­der­grün­di­ger Frucht (daher jetzt schon gut zu trin­ken), stram­mer Säu­re, tro­cke­nem Tan­nin, kantig.
Bewer­tung: 88+/100


2011 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Dich­ter, tief­grün­di­ger Wein von inten­si­ver blau­ro­ter Far­be, viel Kir­sche und Pflau­me im Bou­quet, dazu eine rau­chi­ge Kom­po­nen­te, die noch von einem vanil­li­gen Neu­holz­ton über­deckt wird. Sehr aus­la­dend, alko­hol­reich, noch etwas unba­lan­ciert, aber mit gutem Potenzial.
Bewer­tung: 90+ /100


2010 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Äußerst struk­tur­rei­cher Wein, eher tough als üppig mit sau­be­rer, noch sehr fri­scher Frucht von roten Bee­ren, dazu die typisch medi­ter­ra­ne Unter­holz­wür­ze, bitter-süßer Abgang: gro­ßes Entwicklungspotenzial.
Bewer­tung: 92+/100


2007 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Dun­kel­far­be­ner, mäch­ti­ger Wein mit opu­len­ter Frucht, aller­dings mehr in Rich­tung Bee­ren­kon­fi­tü­re als fri­scher Früch­te gehend, dazu ein Hauch von Scho­ko­la­de im Abgang: viel­leicht nicht der lang­le­bigs­te aller Nittardi-Weine, aber einer hedonistischsten.
Bewer­tung: 92+/100


2004 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Nicht der mäch­tigs­te Wein, aber doch sehr ele­gant, fein und zart­fruch­tig, Schmauch- und Röst­aro­men mit süßer Gelee­frucht unter­legt, etwas irri­tie­rend die fort­ge­schrit­te­ne Rei­fe. Lag es an der Flasche?
Bewer­tung: 90/100


2001 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Extrem dun­kel, sehr dicht, rie­si­ges Tan­nin, das gera­de mür­be wird, Aro­men von Rum­topf, Scho­ko­la­de, Wachol­der­wür­ze, enor­me Län­ge: phan­tas­ti­scher Wein aus einem in der Tos­ka­na gro­ßen Jahr­gang, der wahr­schein­lich noch ein lan­ges Leben vor sich hat.
Bewer­tung: 93/100


1999 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Fri­sches­ter der älte­ren Jahr­gän­ge mit dem schöns­ten Bou­quet, sehr jung noch, aber nicht der struk­tu­rier­tes­te aller Wei­ne, begrenz­tes Entwicklungspotenzial.
Bewer­tung: 89/100


1997 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Mäch­ti­ger, rei­cher, viel­schich­ti­ger Wein aus einem war­men Jahr­gang, viel bitter-süßes Tan­nin, Rum­topf­aro­men, aber auch noch Res­te von fri­scher Frucht: sehr sug­ges­tiv und jetzt wun­der­bar zu trin­ken, alko­ho­lisch aber an der Grenze.
Bewer­tung: 93/100


1995 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Ein Wein von gro­ßer Struk­tur, der von süßem, fein­kör­ni­gem Tan­nin zusam­men­ge­hal­ten wird, trotz­dem noch viel fri­sche Pri­mär­frucht besitzt und von einer aus­ge­präg­ten Säu­rea­der durch­zo­gen ist. Majes­tä­tisch. Purer Genuss.
Bewer­tung: 93/100


1993 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (Magnum)
Nach über 20 Jah­ren nicht mehr ganz frisch, aber immer noch ein aus­ge­zeich­ne­ter Wein: opu­lent und mäch­tig mit viel fre­cher Chianti-Würze.
Bewer­tung: 90/100


1985 Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va (0,75 Flasche)
Die letz­te Fla­sche die­ses Jahr­gangs auf dem Wein­gut – aber was für ein Wein! Gra­nat­rot in der Far­be, sei­di­ge Tex­tur, fri­vo­le Bur­gun­der­na­se, süßer Frucht­cock­tail, immer noch leben­di­ge Säu­re. Ein hoch­rei­fer, aber kein oxy­dier­ter Wein (100 Pro­zent San­gio­ve­se, nur in gro­ßen Holz­fäs­sern statt in Bar­ri­ques gereift).
Bewer­tung: 94/100


Im Alter besser als viele Brunello

Sangiovese-Trauben von Nitt­ar­di­Na­tür­lich sind das nur mei­ne per­sön­li­chen Beur­tei­lun­gen. Aber ich hat­te nicht den Ein­druck, dass die ande­ren Ver­kos­ter groß davon abwi­chen. Was mich beein­druck­te an den Nittardi-Weinen, ist ihre Lang­le­big­keit. Die hat­te ich in die­ser Form nicht erwar­tet. Zwar stimmt es, dass die Nittardi-Riserva im jun­gen Sta­di­um nicht immer höchs­te Erwar­tun­gen weckt. Doch nach 15 Jah­ren schwingt sie sich durch­aus in höhe­re Punk­tesphä­ren auf – gute Jahr­gän­ge vor­aus­ge­setzt. In Mon­tal­ci­no gibt es in Jah­ren wie 2001, 1997, 1995 nicht vie­le Bru­nel­lo, die so gut sind wie die Chi­an­ti Clas­si­co Riser­va von Nitt­ar­di. Und die her­vor­ra­gend gelun­ge­nen 2008er und 2006er Riser­ve haben wir noch nicht ein­mal probiert…

Weinberge auch in der Maremma

Fat­to­ria Nitt­ar­di besitzt 29 Hekt­ar Reben im Chi­an­ti Clas­si­co. Sie lie­gen tief ver­sun­ken in den Wäl­dern süd­lich des Dor­fes Cas­tel­li­na. Dane­ben haben Fem­fert und Cana­li 37 Hekt­ar Wein­ber­ge in der süd­li­chen Marem­ma, die 1999 erwor­ben wur­den. Dort wer­den auf der Basis von Caber­net Sau­vi­gnon mit klei­ne­ren Antei­len von Syrah und Petit Ver­dot (und neu­er­dings auch der Neu­züch­tung Ari­nar­noa, einer Kreu­zung Mer­lot x Petit Ver­dot) ein hoch­klas­si­ger Rot­wein namens Nec­tar Dei erzeugt, der eben­falls in Frank­furt ver­kos­tet wer­den konn­te. Auch er ist lang­le­big ange­legt und zeigt nach etwa zehn Jah­ren, wie­viel Kraft und Fül­le, aber auch Wild­heit in ihm steckt.

Öno­lo­gisch bera­ten wer­den Fem­fert und Cana­li übri­gens von Car­lo Fer­ri­ni, der meh­re­re Wein­gü­ter in Ita­li­en super­vi­siert. Sohn Leon ist bereits voll in die Wein­pro­duk­ti­on eingestiegen.


Bezug: www.stefania-canali.de, www.wein-bastion.de, www.weinkeller.basf.de, www.emma2.de


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