2018er Riesling GG aus Baden: mal glänzend, mal irrlichternd

Riesling aus Baden – viele wissen gar nicht, dass es ihn gibt. Aber er existiert, teilweise sogar als Großes Gewächs (GG). Mag ihnen auch der große Glanz fehlen – im Einzelfall sind sie wesentlich besser als ihr Ruf, findet Jens Priewe.

Baden ist vor allem auf sei­ne Bur­gun­der fokus­siert und lässt nur ein gebrems­tes Inter­es­se am Ries­ling erken­nen. Aber es gibt Aus­nah­men. Im Kraich­gau etwa Burg Ravens­burg, deren Wein­ber­ge fast zur Hälf­te mit Ries­ling bestockt sind. Ihr Spit­zen­wein, das GG von der his­to­ri­schen Lage Husa­ren­kap­pe in Sulz­feld (Jahr­gang 2017), kommt von alten Reben mit extrem nied­ri­gen Erträ­gen, ist ent­spre­chend fein­ma­schig gewirkt, prunkt mit rei­fer Bee­re, recht kräf­ti­ger Wür­ze und zugleich mit einer über­ra­schend hohen Säu­re, die den Pfäl­zer Ries­lin­gen von der ande­ren Sei­te des Rheins nur wenig nach­steht. Ein sehr, sehr guter, aller­dings rei­fe­be­dürf­ti­ger Wein, der qua­li­ta­tiv und vom Cha­rak­ter her für sich steht (92). Das zwei­te Ravens­bur­ger Ries­ling GG vom Kapel­len­berg (eben­falls Jahr­gang 2017) ist etwas geschmei­di­ger, eben­falls kräu­ter­wür­zig, zugleich aber mit leicht mine­ra­li­schem Unter­ton (91).

Der Kraichgau: Burg Ravensburg, Heitlinger, Seeger

Genau­so über­zeu­gend, aber ganz anders im Stil sind die Ries­lin­ge des Mut­ter­wein­guts Heit­lin­ger in Tie­fen­bach, das seit der Über­nah­me durch den Bau­un­ter­neh­mer Heinz Hei­ler vor gut zehn Jah­ren einen mäch­ti­gen Sprung nach vorn gemacht hat. Am Sinn­fäl­ligs­ten wird der Auf­stieg die­ses Wein­guts (dem mitt­ler­wei­le zweit­größ­ten in Baden) an den Spät­bur­gun­dern sowie an sei­nen Grau- und Weiss­bur­gun­dern. Aber auch der Ries­ling hat von der prä­zi­sen Kel­ler­ar­beit und der behut­sa­men Öko­lo­gi­sie­rung der Wein­ber­ge pro­fi­tiert, die der Geschäfts­füh­rer Claus Bur­meis­ter ein­ge­lei­tet hat (er ist auch für die Geschi­cke von Burg Ravens­burg zustä­dig). Das GG von Schel­len­brun­nen ist dicht gewo­ben mit ele­gan­ter Tex­tur und einer sub­ti­len Mine­ra­lik – ein sehr sau­be­rer, genau­er Wein „moder­nen“ Zuschnitts (91). Die Gäs­te des zum Wein­gut gehö­ren­den Heit­lin­ger Golf Resort soll­ten lie­ber auf das 18. Loch ver­zich­ten als sich die­sen Wein ent­ge­hen zu las­sen. Der drit­te VDP-Streiter im Kraich­gau ist das klei­ne, aber fei­ne Wein­gut von Tho­mas See­ger in Lei­men. Des­sen Haupt­au­gen­merk gilt – wie bei so vie­len Bade­ner Win­zern – den Rot­wei­nen, nicht dem Ries­ling. Ange­sichts des­sen ist sein 2018er GG vom Her­ren­berg „Ober­klamm“ über­ra­schend gut gelun­gen: ein leicht rau­chi­ger, offen­bar im Holz­fass aus­ge­bau­ter Wein von mitt­le­rem Kör­per, rei­fe Frucht, mil­de Säu­re, ziem­lich tro­cken: ein fei­ner Stoff, nicht zu for­dernd (89).

Die Ortenau: Andreas Laible und Markgraf von Baden

Das zwei­te Riesling-Anbaugebiet Badens, die Orten­au, liegt wei­ter süd­lich zwi­schen Baden-Baden und Offen­burg. Bei der Wies­ba­de­ner Vor­pre­mie­re konn­te ich letz­ten Som­mer das 2018er Ries­ling GG vom Plau­el­rain „Am Bühl“ von Andre­as Lai­b­le ver­kos­ten: eine Essenz aus einer der bes­ten Kalk­mer­gel­la­gen die­ses Teils von Baden, eher geschmei­dig als kör­per­reich mit einer Aro­men­pa­let­te, die vom (süßen) Gra­ven­stei­ner Apfel bis zum Weis­sen Wein­berg­spfir­sich reicht, dazu viel Kräu­ter­wür­ze auf­weist und – gar nicht so selbst­ver­ständ­lich – weit­ge­hend durch­ge­go­ren ist. „Bis in die Fasern durch­ge­ar­bei­tet“ steht auf mei­nem Ver­kos­tungs­zet­tel – ein Urteil, das ich nach aber­ma­li­gem Pro­bie­ren ein hal­bes Jahr spä­ter in Mün­chen nur bestä­ti­gen kann (92). Zum ers­ten Mal hat­te ich dort auch das GG vom Schloss Stau­fen­berg des Mark­graf von Baden im Glas – aller­dings den Jahr­gang 2017. Offi­zi­el­le Bezeich­nung des Weins: Dur­ba­cher Schloss Stau­fen­berg „K“ Klin­gel­ber­ger Ries­ling Gros­ses Gewächs. So sper­rig der Name, so hand­lich der Wein: ein opu­len­ter Trop­fen, gedacht für tra­di­tio­nel­le Riesling-Liebhaber, die es im Glas reich und üppig lie­ben. Bei aller Eigen­art: Der Wein ist nicht über­la­den, nicht behä­big, son­dern vol­ler Wohl­ge­schmack und mit einer deut­li­chen Ter­ro­irn­o­te aus­ge­stat­tet, wie man sie von einem GG erwar­ten darf. Ein Dino­sau­ri­er von Ries­ling, wie es ihn in Baden sonst nir­gend­wo mehr gibt. Wenn man die­sen Wein als alt­mo­disch bezeich­net, dann im posi­ti­ven Sinn: kein Main­stream (91). Halt: Auf Schloß Salem am Boden­see, dem zwei­ten Wein­gut des Adels­ge­schlechts, soll Bern­hard Prinz von Baden ein noch üppi­ge­res GG von der Meers­bur­ger Chor­herrn­hal­de auf­ge­legt haben. Die­ses habe ich lei­der nicht ver­kos­ten können.

Wenig Riesling am Kaiserstuhl und im Markgräfler Land

Noch wei­ter süd­lich im Breis­gau und am Kai­ser­stuhl wer­den die Ries­lin­ge rar. Huber, Salw­ey, Kel­ler kon­zen­trie­ren sich aus­schließ­lich auf die Bur­gun­der­sor­ten. Bei Mar­kus Wöhr­le exis­tiert Ries­ling zwar, aber nur als Guts­wein, bei  Ber­cher immer­hin als Orts­wein und als Ers­te Lage, bei Heger nur als Ers­te Lage. Ein GG vom Ries­ling füllt am Kai­ser­stuhl ledig­lich das Wein­gut Stig­ler ab. Sein 2018er GG vom Wink­len „Herr­gotts­win­kel“ habe ich im letz­ten Som­mer als wild, aus­ein­an­der­stre­bend, ver­stö­rend emp­fun­den. Jetzt zeigt sich der Wein geläu­tert. Die ver­schie­de­nen Kom­po­nen­ten sind zusam­men­ge­wach­sen, die anfäng­lich fast abwei­sen­de, rohe Säu­re ist bes­ser ein­ge­bun­den. Nicht dass der Wein plötz­lich brav gewor­den wäre: Er ist immer noch etwas rup­pig und unge­schlif­fen. Aber er besitzt Sub­stanz und Poten­zi­al (89). Der jun­ge Maxi­mi­li­an Stig­ler, Geisenheim-geschult und durch inter­na­tio­na­le Prak­ti­ka bes­tens auf den Job vor­be­rei­tet, ist in den Fami­li­en­be­trieb ein­ge­stie­gen und wird, ver­mu­te ich, kei­ne ver­rück­ten Sachen auf die Fla­sche brin­gen. Dann ist da noch Lämmlin-Schindler, im süd­lichs­ten Zip­fel Badens in Mau­chen gele­gen, also im Mark­gräf­ler Land, wo Gut­edel der Haus­wein und Ries­ling eigent­lich ein Irr­läu­fer ist. Gerd Schind­ler sieht das etwas anders. Nur darf man sein Ries­ling GG vom Frau­en­berg (2017) nicht mit den­sel­ben Maß­stä­ben mes­sen wie die Ries­lin­ge in nörd­li­che­ren Anbau­ge­bie­ten: ein stof­fi­ger Wein mit rei­fen Apfel- und Pfir­sich­aro­men und der Fül­le eines Grau­en Bur­gun­ders, der, solan­ge noch jung, erfri­schend ist, dem ich aber auf Grund sei­ner flau­en Säu­re, dem rela­tiv hohen Alko­hol­ge­halt und unnö­ti­gen Rest­sü­ße als etwas unba­lan­ciert emp­fin­de. Ein gro­ßes Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al kann ich bei die­sem GG nicht erken­nen (87). Weiss­bur­gun­der und Char­don­nay brin­gen in die­ser Ecke Deutsch­lands inter­es­san­te­re Ergebnisse.

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