Ende August, als der Verband Deutscher Prädikatweingüter (VDP) die 2018er GG seiner Mitglieder im Kurhaus von Wiesbaden erstmals dem Handel und der Presse vorstellte, hatte jeder der Anwesenden noch die Nachrichten von neuen Hitzerekorden im Kopf, dazu die Klagen vieler Winzer über fehlende Niederschläge und sonnenverbranntenTrauben. In der Pfalz hatte man zusätzlich mit Esca zu kämpfen, einer Rebholzkrankheit, bei der innerhalb kürzester Zeit die Stöcke absterben. Ein Gegenmittel gibt es nicht. Noch vor 20 Jahren kannte man Esca nur aus dem Süden Europas.
Keine cool climate area mehr
Dass all das mit der globalen Klimaerwärmung zu tun hat, sieht man an den Wetterdaten. 2007 war für die Pfalz, wie man dem im Hallwag Verlag erschienenen „Weinatlas Deutschland“ entnehmen kann, eine Jahresdurchschnittstemperatur von 10,4°C vermerkt – ein Durchschnittswert, der sich auf die Periode 1961 – 1990 bezieht. Geht man davon aus, dass Weinreben mindestens 10°C im Durchschnitt brauchen, um reif zu werden, konnte man damals von der Pfalz mit Recht als einer cool climate area sprechen. In den letzten 20 Jahren ist dieser Wert nun um fast ein Grad gestiegen. Die Winzer müssen sich daher in ihrer Arbeit auf die veränderten Bedingungen einstellen. In dem extremen Hitze- und Trockenjahr 2018 ist das nicht jedem in der Pfalz gelungen. Das erklärt die heterogenen Qualitäten selbst bei VDP Spitzenwinzern.
Pfalz im Zentrum der Biobewegung
Die Pfalz ist mittlerweile das Epizentrum für biologische Wirtschaftsweise in Deutschland. Pioniere wie das Weingut Dr. Bürklin-Wolf und weitere Spitzenbetriebe wie Christmann, Rebholz und Wehrheim haben eine enorme Bewegung in Richtung naturnaher Bewirtschaftung ausgelöst. Der Antrieb für die Umstellung: für den Klimawandel besser gerüstet zu sein. Dazu gehört der Verzicht auf Glyphosat sowie eine nachhaltige Kompostwirtschaft sowie vielfältige Einsaaten mit dem Ziel, Humus im Boden aufzubauen. Diese Praktiken übernehmen mittlerweile auch konventionell arbeitende Betriebe. Denn Humus dient bei Trockenstress als Wasserreserve. Bei extremen Niederschlägen sorgt ein vitaler Boden, dass das Wasser besser gespeichert wird. Dazu kommt, dass durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Spritzmittel die voneinander unabhängige physiologische Reife der Trauben und die Zuckereinlagerung harmonischer vonstatten gehen. Man kann früher physiologisch reife Trauben lesen, die dann über weniger Zucker und mehr Säure verfügen. So kann man die Alkoholwerte im Zaum halten und die Frische bewahren. In einem Jahr wie 2018 war das einer von mehreren Schlüsseln zur Qualität.
Eine Klasse für sich: die Rieslinge von Christmann und Rebholz
Bei den Rieslingen sind die Weingüter A. Christmann und Ökonomierat Rebholz eine Klasse für sich. Christmanns Idig ist ein Monument. Elegant, tiefgründig und geradlinig auf den Punkt gebracht, mit unfassbar viel Zug und Vielschichtigkeit ausgestattet, verrät dieses GG einmal mehr die Erstklassigkeit der Lage und des Winzers. Sein GG vom Reiterpfad wirkt harmonisch und saftig. Der Riesling aus dem Mandelgarten ist das fordernste GG im Christmann-Sortiment. Mit einer gekonnten Reduktionsnote und viel Grip in der Textur entspricht er dem Idealbild von so manch „progressivem“ Sommelier. Rebholz überzeugt mit allen drei Riesling-GG. Seine Weine sind nie aufdringlich oder laut, sondern präzise und genial. Nonchalant spielen sie mit so mancher Ecke und Kante. Bemerkenswert sind die moderaten Alkoholgehalte in allen Weinen.
Ruppertsberger Reiterpfad-Hofstück | Riesling | Christmann | 95 |
Königsbacher Idig | Riesling | Christmann | 97 |
Gimmeldinger Mandelgarten-Meerspinne | Riesling | Christmann | 95 |
Birkweiler Im Sonnenschein | Riesling | Rebholz | 96 |
Birkweiler Im Sonnenschein „Ganzhorn“ | Riesling | Rebholz | 97 |
Birkweiler Kastanienbusch | Riesling | Rebholz | 97 |
Kurz dahinter bewegen sich die Weine vom Weingut Dr. Wehrheim und Acham-Magin. Wehrheim repräsentiert den etwas zupackenderen, lebenslustigeren und saftigeren Stil. Trotz der hedonistischen Zugänglichkeit erkennt man bei den Wehrheim-Weinen die sehr gute Arbeit im Weinberg und die Topqualität der Lagen. Es sind die Weine, die man einfach gerne trinkt. Acham-Magins Weine wirken mit ihrer Zurückhaltung im ersten Moment immer etwas old school. Man muss die Weine und deren Entwicklung kennen, um das Potential nicht zu unterschätzen. Von allen Forster GG war das Kirchenstück das absolute Highlight aus der Acham-Magin Serie.
Birkweiler Kastanienbusch „Köppel“ | Riesling | Dr. Wehrheim | 94 |
Kastanienbusch | Riesling | Dr. Wehrheim | 95 |
Forster Pechstein | Riesling | Acham-Magin | 93 |
Forster Jesuitengarten | Riesling | Acham-Magin | 93 |
Forster Ungeheuer | Riesling | Acham-Magin | 93 |
Forster Kirchenstück | Riesling | Acham-Magin | 95 |
Ebenfalls beeindruckend waren die Rieslinge vom Weingut Kranz aus Ilbesheim. Die Weine kommen – typisch für die Lagen – mit viel Druck und Salzigkeit daher. Keine Spur von alkoholischer Schwere, wie bei vielen anderen Betrieben. Besonders gelungen sind die GG von Bassermann-Jordan. Es sind fein ziselierte Weine, und die Lagenunterschiede sind genial herausgearbeitet worden. Besonders sticht auch hier das Kirchenstück heraus.
Forster Pechstein | Riesling | Bassermann-Jordan | 92 |
Forster Jesuitengarten | Riesling | Bassermann-Jordan | 93 |
Forster Ungeheuer | Riesling | Bassermann-Jordan | 91 |
Forster Kirchenstück | Riesling | Bassermann-Jordan | 94 |
Forster Freundstück | Riesling | Bassermann-Jordan | 93 |
Deidesheimer Grainhübel | Riesling | Bassermann-Jordan | 91 |
Deidesheimer Hohenmorgen | Riesling | Bassermann-Jordan | 93 |
Deidesheimer Langenmorgern | Riesling | Bassermann-Jordan | 94 |
Ilbesheimer Kalmit | Riesling | Kranz | 92 |
Ilbesheimer Kirchberg | Riesling | Kranz | 93 |
Kein Jahr für Weißburgunder
Bei vielen anderen Riesling GG hat man die Schwierigkeiten mit dem Jahrgang deutlicher geschmeckt. Oftmals störte eine aufgesetzt wirkende Säure, vor allem kam zu hoher, brandig wirkender Alkohol zum Vorschein. Ebenso fehlte es vielen Weinen an innerer Dichte. Weniger gelungen sind meiner Meinung nach die Weißburgunder. 2018 ist kein optimales Jahr für diese Sorte. Die Qualitäten der meisten GG waren durchweg enttäuschend, bis auf die Weißburgunder von Rebholz und Wehrheim, die solide ausfallen (aber nicht an die Eleganz und Vielschichtigkeit vergangener Jahrgänge heranreichen).
Laumersheimer Kirschgarten | Weißburgunder | Knipser | 88 |
Ungsteiner Herrenberg | Weißburgunder | Pfeffingen | 87 |
Deidesheimer Langenmorgen | Weißburgunder | Bassermann-Jordan | 87 |
Burrweiler Im Goldenen Jost | Weißburgunder | Messmer | 88 |
Siebeldinger Im Sonnenschein | Weißburgunder | Rebholz | 90 |
Birkweiler Mandelberg | Weißburgunder | Rebholz | 92 |
Birkweiler Mandelberg | Weißburgunder | Wehrheim | 92 |
Godramsteiner Münzberg „Schlangenpfiff“ | Weißburgunder | Münzberg | 90 |
Ilbesheimer Kalmit | Weißburgunder | Kranz | 89 |
Schweigener Sonnenberg „Rädling“ | Weißburgunder | Bernhard | 90 |
Riesling aus dem Jahr 2017
Bürklin-Wolf und Reichsrat von Buhl präsentieren ihre GG immer ein Jahr später. Bei ihnen befindet sich also jetzt der Jahrgang 2017 im Verkauf. Vor allem die Weine von Bürklin-Wolf sind hier eine Klasse für sich. Das Ungeheuer kommt als Kraftpaket daher, das noch ein paar Jahre Flaschenreife mehr braucht, um sein ganzes Potential zu zeigen. Bei Reichsrat von Buhl habe ich manchmal mit dem Stil zu kämpfen. Zu harsch fällt oftmals die Säure aus. Vor allem bei den zwei Reiterpfad-Weinen überdeckt für meine Begriffe die Weinbereitung den Terroircharakter. Über jeden Zweifel erhaben ist allerdings das Kirchenstück.
Forster Pechstein | Riesling 2017 | Bürklin-Wolf | 96 |
Forster Ungeheuer | Riesling 2017 | Bürkling-Wolf | 96 |
Ruppertsberger Reiterpfad-Hofstück | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 90 |
Ruppertsberger Reiterpfad-In der Hohl | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 90 |
Forster Pechstein | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 93 |
Forster Jesuitengarten | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 94 |
Forster Kirchenstück | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 96 |
Forster Freundstück | Riesling 2017 | Reichsrat von Buhl | 94 |
Sichere Bank beim Spätburgunder
Beim Spätburgunder konnte man die Vielfalt der Stile sehr gut nachvollziehen. Während Rings gekonnt mit Reduktion spielt, überzeugt Becker mit einer einmaligen Kombination aus Kraft und Saftigkeit. Außerdem sind, wenn es um Spätburgunder geht, Kuhn und Knipser immer eine sichere Bank. Während die aktuellen Riesling GG dieser beiden Winzer nicht voll überzeugten, spielen deren Pinot Noirs ganz vorne mit. Die Beiden beherrschen einfach das große Einmaleins der Pinot Noir, angefangen vom richtigen Maß an Reife und Säure bis zur Verwendung von erstklassigen Barriquefässern. Hier stimmt einfach alles.
Kallstadter Saumagen | Spätburgunder 2017 | Rings | 93 |
Schweigener Heydenreich | Spätburgunder 2016 | Friedrich Becker | 93 |
Schweigener Kammerberg | Spätburgunder 2016 | Friedrich Becker | 95 |
Schweigener St. Paul | Spätburgunder 2016 | Friedrich Becker | 95 |
Dirmsteiner Mandelpfad | Spätburgunder 2015 | Knipser | 92 |
Laumersheimer Kirschgarten | Spätburgunder2015 | Knipser | 93 |
Grosskarlbacher Im Großen Garten | Spätburgunder 2015 | Knipser | 92 |
Laumersheimer Steinbuckel | Spätburgunder 2016 | Philipp Kuhn | 92 |
Laumersheimer Kirschgarten | Spätburgunder 2016 | Philipp Kuhn | 93 |
Nicht alle Spätburgunder fielen so erfreulich aus. Einige GG enttäuschten mit zu viel Reife und zu viel Alkohol sowie zu sperrigem und schlecht integriertem Holz. Ob wirklich alle Weinberge, die als „Grosse Lagen“ klassifiziert sind, diesen Status verdienen, steht auf einem anderen Blatt.