Das Weingut Louis Guntrum produziert viel Wein, besitzt aber nur 11 Hektar Reben, die auf elf Lagen verteilt sind. Entsprechend klein sind die Parzellen. Auch Guntrums Anteil am Niersteiner Ölberg ist nicht groß.
Aber die trockene 2010er Spätlese aus dieser Lage besitzt, obwohl noch jung, alles, was die Besonderheit eines Ölberg-Weins ausmacht: den mineralisch-salzigen Geschmack, einen langsamen, cremigen Trinkfluss, die stahlige Säure und ein würziges Bouquet, in dem sich neben Apfel und Grapefruit immer auch ein Hauch Aprikose oder Mandarinenschale offenbart – typisch für sehr warme Lagen.
Der Ölberg ist fast gänzlich nach Süden ausgerichtet und zu 60 Prozent steil. Die Sonne trifft fast im rechten Winkel auf. Der Boden besteht aus leuchtend rotbraunem Tonschiefer – so entstand die Bezeichnung Roter Hang für die zur Rheinfront gelegenen Weinberge Niersteins. Schon aufgrund der Farbe wirkt der Hang als Wärmespeicher. Früher befand sich ein Kloster, wo heute die Reben stehen. Möglicherweise war es von Olivenbäumen umstanden. Daher könnte der Name Ölberg stammen.
Von Weinführern gern übersehen
Da auch der Wein nach Meinung der Einheimischen etwas dickflüssiger ist als andere Weine, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch seine besondere Viskosität zu der Namensgebung beigetragen hat. Auf jeden Fall gehört der Ölberg zu jenen Lagen, die die Bezeichnung Terroir verdienen.
Von den Weinführern wird Louis Guntrum gern übersehen. Zu bescheiden waren die Weine bis in die jüngste Vergangenheit. Weder im Eichelmann noch im FEINSCHMECKER-Guide der „900 besten Weingüter in Deutschland“ taucht der Name auf. Guntrums Fokus auf Weine aus zugekauften Trauben, die im großen Stil ins Ausland exportiert werden (noch heute zu 70 Prozent), hat dazu geführt, dass diese traditionsreiche Kellerei qualitativ nicht mehr mithalten konnte – und wohl auch nicht wollte.
Hier schmeckt man das Terroir
Unter dem jungen Louis Konstantin Guntrum scheint sich das Blatt nun zu wenden. Die Gutsabfüllungen stehen plötzlich wieder im Mittelpunkt. Sie sind klarer, sauberer, ausdrucksvoller geworden. Man schmeckt Terroir, wo vorhanden. Die trockene Spätlese vom Ölberg ist ein gutes Beispiel dafür: ein leichter, zartfruchtiger Riesling (11,5 Vol.%) mit klarer Handschrift, der in dieser Qualitätsklasse bei den örtlichen VDP-Gütern mindestens fünfzig Prozent teurer wäre.
Dabei ist der 2010er jahrgangsbedingt kein einfacher Wein. Die Säure ist hoch und immer noch etwas kratzig. Trotz leichter Restsüße (7,6 Gramm/l) wirkt er knochentrocken. Mit den ersten vorsichtigen Reifenoten, die jetzt spürbar sind, wird er jedoch zugänglicher. Wenn er sich in den nächsten Monaten öffnet, erhält man einen kernigen, straffen Wein von großer Distinktion.