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Weinshop Sommelier Privé insolvent

Der 2012 gegründete Internet-Shop Sommelier Privé ist zahlungsunfähig. „Mit großem Bedauern müssen wir bekanntgeben, dass Sommelier Privé seinen Geschäftsbetrieb einstellt“, teilte Geschäftsführer-Gründer Marc Philip Clemens in einer Pressemeldung von 24. August mit. „Trotz intensiver Bemühungen in den letzten Monaten ist es dem Berliner Startup nicht gelungen, eine Anschlussfinanzierung zur Fortführung des Unternehmens zu sichern.“

Mittels Crowdinvesting (über den Berliner Startup-Finanzierer Companisto) waren 300.000 Euro zusammengekommen, um die Plattform ins Leben zu rufen. Das Geschäftsprinzip von Sommelier Privé bestand darin, von den Kunden selbst ein individuelles Geschmacksprofil erstellen zu lassen und ihnen nach diesen Vorgaben Weinpakete anzubieten. Für die Zusammenstellung der Weine wurden bekannte Sommeliers an Bord geholt, die den Weinangeboten ihre Handschrift verliehen und Qualität garantieren sollten. Neben Mitgründer Arno Steguweit (früher Sommelier im Adlon, im Fischers Fritz und im Söl’ringhof) waren Christian Wilhelm (Falco), Hendrik Thoma  (früher Restaurant Jakob) sowie die Gründer der Berliner Cordobar Willi Schlögl und Gerhard Retter in das Projekt eingebunden. Das Weinportal CaptainCork sorgte für die Wein PR. Auf diese Weise, so die Strategie, sollte „die Bequemlichkeit des Online-Einkaufs mit der Beratung von Spitzensommeliers verbunden“ werden.

Gescheitert ist Sommelier Privé an einer falschen Markteinschätzung und grob überzogenen Erwartungen hinsichtlich des künftigen Wachstums des Online-Weinmarktes. Seit Anfang des Jahres 2014 schon war allen Beteiligten klar, dass das ursprüngliche Geschäftsmodell keine Überlebenschance hatte. Die Kosten für die Kundenakquisition explodierten, der Margendruck nahm zu.

Daraufhin wurde das Geschäftsmodell dahingehend geändert, dass eine mobile App mit Sommeliers-Empfehlungen entwickelt wurde. Die App konnte allerdings nicht mehr rechtzeitig fertiggestellt werden. Zwei wichtige Investoren für die Anschlussfinanzierung sprangen ab. Ob das Kundenpotenzial für einen Weineinkauf mittels App allerdings so groß ist, dass das Projekt hätte gerettet werden können, erscheint fraglich. Jedenfalls konnten die letzten gutwilligen Investoren nicht überzeugt werden, noch einmal eine halbe Millionen Euro nachzulegen.

Die Insolvenz von Sommeliers Privé wirft zugleich ein Schlaglicht auf den Online-Hype in der Weinszene. Eine realistische Sicht auf die Situation der Wein-Onlineshops hätte gezeigt, dass der Markt inzwischen überbesetzt ist. Trotzdem wurde den Sommelier Privé-Investoren ein Umsatz von 22 Millionen Euro bis zum Jahre 2016 in Aussicht gestellt – ein völlig utopisches Ziel.

Wie viel die Gläubiger von ihrem investierten Kapital wiedersehen, wird jetzt ein Insolvenzverwalter entscheiden müssen.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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