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18 Wein-Fakten, die Sie noch nicht kannten: Smartes Wissen für Smalltalker

Im Gegensatz zu jenen Party-Crashern, die von den „besten Weinen von da und von dort, von den exzellentesten Lagen, aus den hervorragendsten Jahrgängen, mit dem brillantesten Charakter am Gaumen und im Abgang als DEM Lieblingswein“ schwadronieren. So mag man ja fühlen können, aber so vorgetragen, sind auch diese Storys out. Zumal es „den Lieblingswein“ gar nicht gibt.

1. Die Sache mit den Lieblingsweinen

Schon gar nicht den- oder dieselben Weine für alle, denn mit den Lieblingsweinen, das ist so eine Sache. Weil man sie nicht bestimmen kann, bis auf die ultimativen zwei oder drei, die geschmacklich so eindeutig ein Volltreffer sind, dass man in absehbarer Zeit nicht an ihnen zweifeln muss. Höchstens an sich selbst, wenn „the one and only“ mal nicht mundet. Man hat ja so seine Schwankungen … und genau das ist der Grund dafür, dass man heute einen Wein unbedingt als „Liebling“ bezeichnet und dieselbe Auswahl morgen nicht mehr nachvollziehen kann.

2. Lebensabschnittsweine

Von Menschen, die sich zuverlässig auskennen in den Geheimnissen der Liaison „Mensch – Wein“ wird dies mit den jeweiligen Stimmungen, dem Wetter, unserer Umgebung und dem Ärger, der uns nervt, begründet. Aber auch mit der Freude, die wir ausleben möchten. So, wie es uns mit dem Wein ergehen kann, den wir aus dem Urlaub mitgebracht haben und der zu Hause partout nicht so wie in den Ferien schmecken will. Weil hier die Sonne nicht so üppig scheint, wir auf dem Balkon statt in der Bar am Strand sitzen und zudem das Gegenüber im mediterranen Sonnenuntergang irgendwie anders aussah. Dafür ist der Alltag zuverlässiger, sagt man sich, und schon hat der Weingeschmack eine neue Note erhalten.

3. Die ersten Weine waren rot

Wie gut, dass man so viele Weine zur Auswahl hat, sogar unzählige, das steht fest. Das sieht bei den Rebsorten anders aus, wobei die Zahlen zwischen acht- und sechzehntausend schwanken. Von ihnen ist jedoch nur etwa ein Drittel zum Weinbau zugelassen. Sicher ist, dass mehr als die Hälfte aller weltweit produzierten Weine Weißweine sind. Ganz anders als zum Anfang der Weingeschichte, denn damals waren alle Weine rot.

4. Was haben Mönche mit Wein zu tun?

Wie es wirklich dazu kam, ist zwar kein Geheimnis, doch hält sich allgemein der Glaube, dass Mönche den Vino erfunden haben. Haben sie aber nicht, dafür das Bier, das von ihnen jedoch lediglich kultiviert wurde, nachdem es vor etwa 6.000 Jahren in Mesopotamien aus vergorenem Getreidebrei entstanden war. Doch auch zum Wein kam die Menschheit durch Zufall.

5. Am Anfang stand der wilde Wein

Fossilienfunde im heutigen Georgien datieren die wohl ältesten Reben auf 80 Millionen Jahre vor unserer Zeit. Das war natürlich wilder Wein. Die ersten aus Kernen gezüchteten Weinstöcke kamen 8.000 v. Chr. aus der heutigen Türkei und auch in der Jungsteinzeit (Beginn etwa 11.500 v. Chr.) soll es schon Wein gegeben haben. Mit diesem Hinweis aber sollte man vage bleiben, denn Genaues dazu weiß man nicht. Zumal um diese Zeit noch kein Mensch sesshaft war und man deshalb Wachstum, Lese und Verarbeitung der Trauben zeitlich gar nicht unter einen Hut bringen konnte.

6. Kostbare Weine als Grabbeigaben

Hätten Sie gewusst, dass Wein auch als kostbare Grabbeigabe diente? Gilgamesch, der Gott der Unterwelt, wurde etwa 3.000 v. Chr. laut historischer Quellen mit „ungezählt vielen Amphoren kostbaren Weines“ beerdigt. Zur Beisetzung Gilgameschs wurde der Euphrat, der längste Fluss Vorderasiens (er entspringt in der Türkei) in der Nähe der Stadt Uruk umgeleitet. All das wurde unternommen, damit man den halbgöttlichen, halbmenschlichen König so bestatten konnte, dass kein Mensch je sein Grab finden würde. Das gelang auch, weil der Euphrat nach dem Begräbnis wieder in sein ursprüngliches Flussbett zurück geleitet wurde und das Grab bis heute verbirgt.

7. Wie die Menschheit beinahe zum Wein kam

Es muss vor etwa 5.000 Jahren gewesen sein, dass in der persischen Landschaft Shiraz die Lese in den Traubenhainen so üppig ausgefallen war, dass die Saftvorräte im Nu aufgefüllt, aber dennoch Berge von Trauben herumlagen. Normalerweise hätte man sie den Feldern als Dünger untergegraben, doch der regierende König Dschamschid und seine Ehefrau Arnewas hatten ihre Untertanen just angewiesen, alles, was geerntet worden war auch aufzuessen.

Verschwendungssucht war ab sofort out. Weil Dschamschid und Arnewas beliebte Herrscher bleiben wollten, mussten sie mit gutem Beispiel voran gehen und lagerten den Überschuss aus den königlichen Traubenhainen im royalen Keller ein. Wo das Ganze natürlich nach einer Weile zu gären begann. Das faulte, brodelte und wehte Gerüche durch den Palast, die man noch nie zuvor gerochen hatte. Demnach war die Schlussfolgerung eindeutig: Die Angelegenheit muss von bösen Geistern besessen und vergiftet sein. Deshalb waren der Keller und die erste Maische der Menschheitsgeschichte mit sofortiger Wirkung tabu.

8. Der erste Wein: Appellation d´Origin Shiraz

Bis Königin Arnewas etliche Monate später heimlich dort hinunter stieg, um sich mit dem „Gift“ umzubringen. Geplagt von ständiger Migräne, hatte sie genug vom Leben und trank den Krug auf Ex. Ob das den königlichen Kopfschmerz vertrieb, ist nicht überliefert, umso mehr jedoch die ausschweifende Fröhlichkeit, die sich Ihrer Hoheit bemächtigte und alsbald auch den König samt Hofstaat. Denn so ausgelassen, hemmungslos und fröhlich wollte man ab jetzt immer sein. Und weil man sich bei diesem Trinken so gut verstand, nannte man das Getränk „Vinum“ = Freunde und fügte noch „Shiraz“ hinzu. Damit die Freunde jenseits von Persien die Herkunft des Zaubertranks bestimmen konnten: Appellation d´Origin Shiraz!

9. Weine und ihre Magie

Ungefähr 3.031 Jahre später verwandelte Jesus bei der Hochzeit von Kanaa Wasser in Wein und als es weitere 12 Monate später zum letzten Abendmahl mit seinen Aposteln kam, waren die Gläser wieder mit Rotwein gefüllt. Übrigens reklamiert die Bibel Noah als ersten Weinmacher der Welt, doch wissen wir´s ja besser und mehr noch: Trotz der muslimischen Machtübernahme im Jahr 641 im heutigen Iran und dem damit einhergegangenen Alkoholverbot, wurden dort weiterhin Weine produziert und getrunken. Unter ihrem generell hochprozentigen Einfluss wurde Recht gesprochen und Politik gemacht, allerdings mussten die hohen Räte ihre Beschlüsse am nächsten Tag nüchtern bestätigen. Diese und andere Anekdoten aus all den Zeiten zuvor bestätigen eines auf jeden Fall: Dass zu bedeutenden Anlässen immer auch Weine gehörten und gehören.

10. Wein ist gesellschaftsfähig

Denn das Thema Wein ist aktueller und gibt mehr her als je zuvor. So wird die Vielzahl der Weine immer größer und internationaler, die Wein-Community wächst rasant an und damit auch die Zahl der Weinkenner. Wo man zuvor und gerade bei deutschen Events eher dem Bier zugeneigt war, bestimmen heute Weine, Seccos und Schaumweine oder Champagner die Auswahl der Kaltgetränke. Sie werden knackig kalt oder gekühlt serviert, einer bestimmten Temperatur angepasst oder fast handwarm wie Portwein. Man kennt sich aus, hat eine Menge Erfahrungen bei Eigenversuchen gesammelt und Gespräche mit anderen Weinkennern auch dazu genutzt, das Thema Wein für alle Interessierten gesellschaftsfähig zu machen.

11. Verstaubte Sitten adé!

Althergebrachte Rituale gelten mittlerweile als überholt: beispielsweise dass man als „wahrer Weinkenner“ beim Verkosten eines Weines die Wangen einziehen und schmatzen, die Wangen aufblasen und gurgeln und nach dem Herunterschlucken „Ahhh“ machen musste. Vielleicht war das sogar nötig, weil gerade die Geschmacksnerven anderweitig strapaziert und nur mit zusätzlicher Animation bereit waren ihren Job zu tun.

Heute hingegen muss das nicht (mehr) sein. Weil wir uns gesünder ernähren, als das vor einiger Zeit noch normal war, weil wir sportlicher unterwegs sind und Kettenrauchen auch nicht mehr modern ist. Was in der Summe dazu führt, dass unser Geschmackssinn wieder arbeitet und wir mit sanft gewölbten Lippen und einem leichten „mh mh“ an Gaumen und Zunge die Bouquets, Aromen, Mineralien, Jahrgänge und Terroirs leichter erschließen können. Auch das Riechen am Wein muss nicht (mehr) mit der ganzen Nase im Weinglas zelebriert werden. Ein tiefes, aber geräuscharmes Einatmen vom Glasrand her tut´s auch.

12. Auf dem Boden der Tatsachen: das Terroir

Das wussten Sie nicht? Nun, ebenso smart ist der Hinweis, dass man bei der Bestimmung der beiden letzten Faktoren mit einem geübten Blick auf das Flaschenetikett schon weit kommt. Da erfährt man die Landschaft, aus der dieser Wein kommt und muss nur noch wissen, welche Mikroklimata über den dortigen Böden dem Wachstum bestimmter Reben gut tun. Diese Infos lassen sich leicht recherchieren und schon hat man den Begriff „Terroir“ in seinen Grundzügen erklärt. Mit der lässigen Übersetzung von „Boden“ aus dem Französischen und dem Hinweis, dass „Terroir“ auf Weine bezogen diversen Interpretationen unterliegen kann.

13. Wenn schon Exil, dann nur mit dem Lieblingswein

Bleiben wir kurz in Frankreich, um zu erfahren, dass Napoléon Bonaparte sein Exil auf St. Helena nur mit dem Muscadel aus dem Weingut Constantia im südafrikanischen Kapstadt ertragen konnte. Seit ein paar Jahren wird jener Muscadel wieder hergestellt und zwar aus den Nachzüchtungen der alten Reben, nach der alten Rezeptur und sogar in demselben alten Weingut.

14. Franzosen im Widerstand

Eine andere bemerkenswerte Geschichte spielte sich in Frankreich direkt ab: Als die Franzosen im Juni 1940 nämlich vor Nazideutschland kapitulieren mussten, war es Hitlers ausdrücklicher Befehl, die wertvollsten Weine, Champagner und Spirituosen sofort ins Reich zu überstellen. Als ob die Schmach der Niederlage nicht schon unfassbar und schrecklich genug war, sollte man diesen Barbaren jetzt auch noch die edelste Feinkost überlassen! „En aucun cas!“ Auf gar keinen Fall!

Und so weiß man heute noch von Lokführern zu erzählen, die ganze Züge mit Weinlieferungen ins Nichts fuhren oder von Francois Taittinger, der Spülwasser aufsprudeln und in Champagnerflaschen füllen ließ – für eine Lieferung seiner Champagner an Hermann Göring. Bei Mouton-Rothschild goss man minderwertige Weinreste zusammen, füllte sie in Flaschen und etikettierte sie als die teuersten Raritäten des Edelweingutes.

Dass im Pariser Luxusrestaurant „La Tour d`Argent“ von 100.000 Flaschen Wein und Champagner nur etwa ein Viertel eingemauert werden konnten, bevor die restlichen von den Besatzern beschlagnahmt und abtransportiert wurden, das war furchtbares Pech.

15. Der „Schutzengel von Bordeaux“

Wobei die Anekdote über den deutschen Piloten Heinz Stahlschmidt dann wieder für Genugtuung sorgte. Der hatte nämlich den Befehl ignoriert, den Hafen von Bordeaux zu bombardieren, wo Millionen von Weinflaschen lagerten, mit Inhalt natürlich. Stattdessen aber jagte er ein Sprengstoffdepot der deutschen Wehrmacht in die Luft. Aus Eigeninitiative – darauf ist man besonders in Frankreich stolz. Noch 1944 erhielt der gefeierte Held die französische Staatsbürgerschaft, hieß ab sofort Henri Salmide, heiratete seine französische Geliebte Henriette Buisson und lebte bis 2010 in Bordeaux. Dessen Hafen seit 2012 seinen Namen trägt.

16. „Santé“ = Gesundheit!

Bei Bordeaux denkt man in erster Linie an Rotwein, was ein willkommener Anlass ist, auf die vermutlich gesundheitlichen Vorzüge der „Rouges“ einzugehen. Wenn es denn wirklich so ist, dass ein moderater Genuss von Rotwein blutdrucksenkend wirken und Arterienverkalkungen vorbeugen soll. Medizinische Forschungen weisen sogar darauf hin, dass das im Rotwein enthaltene pflanzliche Antioxidant „Resveratrol“ vorbeugend zu Krebserkrankungen wirken kann (Resveratrol leitet einen Mechanismus ein, an dessen Ende im besten Fall Krebszellen zerstört werden). Kann, das muss betont werden, wie auch die Tatsache, dass zuviel davon nicht selten ein Ende im Krankheitsfall findet.

17. Tannine

Bleiben wir noch kurz beim Rotwein, um den viel beschriebenen Tanninen auf die Spur zu kommen, den Gerbstoffen, die zu den wichtigsten Bestandteilen insbesondere von Rotweinen zählen. Deren beste und feinste Qualität befindet sich in den Häuten der Weintrauben. Sind sie nicht ausgereift, kippt der Charakter des Weins ins Derbe, während zu wenige Tannine Weine ohne jeden Charakter hervorbringen. Auf diese Charakterstärken kann man sich immer verlassen.

18. Die Genetik der Weine

Doch, es gibt sie, die Genetik der Weine. Seit 2007 lässt sie sich bestimmen. Und zwar aufgrund der Gene VvMYBA1 und VvMYBA2, die aus sämtlichen bekannten roten Rebsorten analysiert wurden. Was nicht zuletzt auf eine gemeinsame Herkunft aller Weine hinweist. Das ist verblüffend! Verliert die Rebsorte aber eines oder beide Gene, vor allem das VvMYBA1, weist der Wein kaum mehr rote Farbe auf. Ein gutes Beispiel dafür sind die nahezu identischen Rebsorten Spätburgunder, Grauburgunder und Weißburgunder – die sich allein durch die Farbgebung ihrer Beeren unterscheiden.

Also, liebe Smalltalker: Mit einem cool eingeworfenen „VvMYBA1 und VvMYBA2“ werden Sie jede noch so von Weinwissen strotzende Diskussion augenblicklich beherrschen und diese Dominanz auch nicht mehr abgeben müssen: „VvMYBA1 et VvMYBA2“!

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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