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Der Einkauf von Wein

Der Weinhändler in der Stadt hat Konkurrenz bekommen. Neue Vino- und Önotheken schießen überall aus dem Boden. Restaurants offerieren ihre Weine zum Mitnahmepreis. Im Internet brummt der E-Commerce mit Wein. Versandhäuser bieten Wein per Katalog an. Winzer liefern frei Haus. Der Weineinkauf ist bequemer geworden, aber nicht einfacher.

Mehr Schein als Sein

Es gibt Weine, an denen das Beste die Verpackung ist. Etikettendesigner und Verpackungskünstler haben ihr Äußerstes gegeben, um dem Wein ein edles Outfit zu verleihen. Der Inhalt der Flasche ist trauriges Mittelmaß – oder noch weniger. Seit Weintrinken wieder populär geworden ist, bricht über die Konsumenten eine Flut von einfachen und einfachsten Weinen herein, die sich vor allem durch bunte Etiketten, abenteuerliche Namen, atemberaubende Flaschenformen und nicht zu geringe Preise auszeichnen. »Rasierwasser mit Kohlensäure« hat ein entsetzter Weinkritiker einmal den Geschmack der meisten Proseccos beschrieben, die heute für unter 5 Euro angeboten werden. Weinprospekte schwärmen dagegen von »Lebensstil« und »Savoir vivre«. Weininteressierte, deren eigenes Urteil noch nicht voll ausgebildet ist, werden so verführt. Sie brauchen Vergleiche und gute Beratung. Stattdessen werden ihnen »Weinerlebniswelten« und »bequemer Einkauf« geboten.

Lebensmittelhandel

Häufig führen Lebensmittelgeschäfte ein kleines Weinsortiment. Die Auswahl ist in aller Regel gering, die Qualitäten sind nicht sehr gewählt. Sachkundige Beratung kann oft leider nicht erwartet werden. Ausnahme: Hochrangige Delikatessengeschäfte und Kaufhäuser mit einer großen Lebensmittelabteilung. Sie verfügen nicht selten über eine gut sortierte Verkaufsfläche für Weine, die mit einfachen Alltagsweinen ebenso gut bestückt ist wie mit teuren Hochgewächsen. Solche Häuser sind sehr um Beratung bemüht. Einige stehen dem Fachhandel in nichts nach.

Supermärkte

Auf Billigweine spezialisierte Unternehmen, die vor allem am »Abverkauf« interessiert sind, also daran, wie schnell sich ein Wein »dreht«. Ein Großteil der aus aller Welt zusammengepanschten Industrieweine wartet in den Regalen dieser Supermärkte auf geduldige Käufer. Bevorzugt angeboten werden Restposten, Weine ohne Jahrgang und Weine ohne klare Herkunftsbezeichnung.

Versandhandel

Große Versandhäuser haben in den letzten Jahren zunehmend auch Weine in ihr Sortiment aufgenommen. Da ihre Weinkompetenz gering ist, setzen sie auf kommerzielle Markenweine oder Weine bekannter Erzeuger. Auffällig häufig: Flaschen mit Designer-Labels und Weine in Geschenkverpackungen für Menschen, denen Optik vor Qualität geht.

Discounter

Verbrauchergroßmärkte, die auch von Wiederverkäufern besucht werden, verzeichnen einen steigenden Anteil am Weinmarkt. Der Wein wird oft kartonweise verkauft. Für den unerfahrenen Weinkäufer ist die Orientierung schwierig: Billigweine aus aller Herren Länder stehen neben Spitzenweinen, Händlerweine neben Erzeugerabfüllungen. Auffällig: die große Anzahl von Weinen der untersten Qualitätsstufe aus bekannten Anbaugebieten, bei denen der Gebietsname Qualität signalisiert (z. B. Bordeaux), die große Anzahl von plagiierten Etiketten bzw. ähnlich klingenden Namen, die der ungeübte Käufer leicht mit dem prominenten Original verwechseln kann, und die Vielzahl anonymer Abfüller, deren hochtrabende Namen dem Laien Qualität und Exklusivität suggerieren. Bei den Spitzenweinen sind vor allem die mittelmäßigen und kleinen Jahrgänge vertreten, die der Nichtfachmann aber nicht selbstverständlich parat hat.

Weinfachhandel

Die Fachhändler bilden das Rückgrat des Weinhandels. In der Regel besitzen sie Ladengeschäfte, in denen der Kunde – egal ob Weinlaie oder geübter Weinfreund – kompetent und engagiert beraten wird. Viele bieten offene Weine zum Degustieren an, veranstalten informative Weinproben oder -seminare und warten mit individuellem Service auf. Sie haben das Vertrauen ihrer Käufer und kennen deren Vorlieben, so dass sie bekannten Kunden gezielte Empfehlungen aussprechen können. Auch Filialgeschäfte, Partneragenturen und Franchisenehmer gehören zum Fachhandel. Einige haben sich auf Weine eines bestimmten Landes spezialisiert, andere führen ein länderübergreifendes Vollsortiment. Für viele Inhaber ist Wein nicht nur Gelderwerb, sondern auch Passion, was sich in ihrer Detailkenntnis bemerkbar macht: Sie kennen die Weinbaugebiete, halten Kontakt zu den Winzern, verfügen über Degustationserfahrung, lesen Fachpublikationen, besuchen Fachseminare und -messen. Der Käufer wird fachkundig beraten und, sofern er will, mit aktuellen Insiderinformationen versorgt.

Versandfachhandel

Einige Weinfachhändler besitzen inzwischen kein Ladengeschäft mehr, sondern einen Versandhandel, d. h., sie verkaufen über Katalog. Besonders Spitzenweine werden heute großteils auf diesem Wege geordert und versendet. Die Kataloge lassen schnell erkennen, ob es sich um echte oder vorgetäuschte Weinkompetenz handelt. Kompetente Weinhandlungen importieren ihre Weine wenigstens teilweise selbst, vertreten nicht nur große bekannte, sondern auch kleine unbekannte Weingüter. Weil der Kunde die Weine vor dem Kauf nicht probieren kann, bieten sie vorsortierte Probepakete zu Sonderkonditionen an.

Weinauktionen

Gemessen am Gesamtvolumen des Weinmarktes sind die Mengen, die auf Auktionen umgesetzt werden, minimal. Aber für den Spitzenweinmarkt spielen sie eine große Rolle. Besonders für Liebhaber älterer Weinjahrgänge und für Weine in Großflaschen sind Auktionen ein wichtiger Marktplatz. In den letzten Jahren werden auch zunehmend junge Jahrgänge gehandelt. Auffällig ist dabei, dass die Zuschlagpreise vieler Weine über den Preisen des Weinfachhandels liegen, rechnet man Aufgeld, Bearbeitungsgebühr und Transportspesen hinzu. Schnäppchen sind hier nur selten zu machen. Besonders auf Internet-Auktionen werden oft viel zu hohe Preise bezahlt. Es gibt nur wenige Auktionshäuser, die ihre eingelieferte Ware zuverlässig kontrollieren. Bei Weinen, die mehr als 20 Jahre alt sind, ist die Angabe des Füllstandes zum Beispiel von großer Bedeutung. Bei nicht korrekten Angaben ist der Käufer der Geschädigte.

Internet-Weinhandlungen

Der Weinkauf via Internet liegt im Trend. Die Zahl der Internet-Weinhandlungen wächst ständig. Den Löwenanteil des Marktes aber teilen einige wenige E-Commerce-Unternehmen unter sich auf. Sie sind meist Ableger großer Weinimporteure oder Versandfachhandlungen, die bereits über die entsprechende Logistik und Infrastruktur verfügen. Allerdings werden auf diesem Weg hauptsächlich Basisqualitäten angeboten. Seltene Weine, wie Kenner sie suchen, sind im E-Shop kaum zu finden und werden – wenn überhaupt – von kleinen Spezialanbietern angeboten. Die Websites sind durchweg kundenfreundlich aufgebaut und gehen oft über das reine Weinangebot hinaus. Neben farbenfrohen Abbildungen von Weinflaschen und -etiketten werden Weinaccessoires wie Karaffen, Gläser und Korkenzieher angeboten. Garniert wird die Auswahl vielfach durch ausführliche Beschreibungen von Herkunft und Herstellung, Qualität und Lagerfähigkeit und Tipps zur Harmonie von Essen und Wein. Skeptiker können Probierpakete ordern, an virtuellen Weinproben teilnehmen oder die individuelle Beratung des Anbieters nützen. Allerdings endet die Begeisterung des Kunden für das E-Commerce oft beim Empfang der Waren. Abgesehen von zerbrochenen Flaschen, zeitlichen Verzögerungen und höheren Transport- oder Zollkosten, z. B. bei Waren aus dem Ausland, können die Angebote im Internet veraltet und der georderte Wein nicht mehr verfügbar sein. Erfahrene Internet-Käufer fragen nach den Geschäftsbedingungen: Kostenlose Zustellung ab einem bestimmten Auftrags- wert, Rückgaberecht bei Nichtgefallen, Bezahlung erst nach Warenerhalt sollten beispielsweise vertraglich garantiert sein.

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