Der Besitzer von Château Angélus, Hubert de Boüard, hat die Autorin des eben in Frankreich erschienenen Buches Vino Business und dessen Verleger wegen übler Nachrede angezeigt.
Das Buch handelt von der heiklen Neuklassifizierung in St. Emilion im Jahre 2012, bei der Château Angélus in den Rang eines Premier Grand Cru Classé A erhoben war. Die Autorin Isabelle Saporta macht in ihrem Buch keinen Hehl daraus, dass sie das Procedere, das zur Neuklassifizierung geführt hat, für höchst anrüchig und unseriös hält. Sie zitiert in diesem Zusammenhang rund 60 mal den Namen Hubert de Boüard und nennt ihn „den Sarkozy der Weinberge“. Gegen diese Diffaminierung setzt sich der angegriffene Château-Besitzer zur Wehr.
Zum Hintergrund: Die Klassifizierung der Châteaux wird in St. Emilion alle zehn Jahre überprüft. Dabei werden von einer unabhängigen Kommission zehn Jahrgänge verkostet (bzw. 15 bei den Premier Grands Crus Classé). Zuständig für die Überprüfung ist das Institut National de l’Origine et de la Qualité (INAO) in Paris. Sie bestimmt, welche Personen in die Prüfungskommission delegiert werden.
Im Jahre 2006 war die turnusgemässe Neuklassifizierung von einem französischen Berufungsgericht wieder aufgehoben worden, weil in der Prüfungskommission nicht nur unabhängige Personen, sondern auch Personen des Bordelaiser Handels gesessen hatten. Die Richter sahen Interessenkonfikte, da der Aufstieg in den Rang eines Premier Grand Cru Classé beziehungsweise der Abstieg zu einem einfach Grand Cru für die Châteaux – und damit auch für den Négoçe, der die Châteaux vermarktet – eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.
Mehrere Jahre lang war danach an einer neuen Konzeption für die Überprüfung gearbeitet worden, die fachlich und juristisch den Ansprüchen der Produzenten, des Hadelns, der Konsumenten und der Richter standhält. 2012 wurde die Neuklassifizierung dann veröffentlicht – mit den oben beschriebenen Resultat.
Doch die Debatten hörten nicht auf, angefeuert vor allem von jenen Châteaux, die herabgestuft worden waren oder die sich eine Höherstufung erhofft hatten. Im Mittelpunkt stand immer wieder die Frage, ob die INAO bei der Überprüfung ihre Neutralität gewahrt habe. Zwar saßen in der Prüfungskommission diesmal keine Vertreter des Bordelaiser Weinhandels. Doch Hubert de Boüard war Mitglied der nationalen INAO-Kommission, die unter anderem die Kriterien für die Überprüfung der Klassifikation festlegt. In dieser Funktion, so mutmasst die Buchautorin Isabelle Saporta, habe er Einfluss auf die Überprüfung nehmen können. Tatsächlich ist die 2012er Neuklassifizierung samt der Zweifel, die sie hervorgerufen hat, in der internationalen Fachpresse breit erörtert worden. Dass sie juristisch dem Anspruch, eine Qualitätshierarchie der Châteaux von St. Emilion abzubilden, standhält, hat sie bereits mehrfach bewiesen. Beweise für eine unbotmässige Einflussnahme de Boüards auf die neue Klassifikation sind denn auch in „Vino Business“ nicht zu finden. Die Autorin bringt vielmehr ihr Unbehagen über die Allianz des grossen Geldes zum Ausdruck. Sie bezeichnet Bordeaux als eine “Region des Geldes und Neids”
Übrigens: Der Preis des Weins von Château Angélus ist seit November 2012 (als die Neuklassifizierung publiziert wurde) bis heute um 11,3 Prozent gestiegen – bei insgesamt fallenden Bordeauxmarkt.