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Riedels „Eve“ – der verrückteste Decanter der Welt

 

Riedel Decanter Dass „Eve“ Staunen und Kopfschütteln hervorrufen würde, ficht Georg Riedel überhaupt nicht an. Im Gegenteil: “Ein bisschen Spektakel gehört zu einem gelungenen Abend mit Wein dazu.“

Der Chef der Riedel Glass Works in Kufstein ist stolz auf das gläserne Kunstwerk, dass er nach seiner Frau Eva benannt hat und das zugleich ein Meisterwerk handwerklicher Glasbläserkunst darstellt. Zwar hat dieser neue Decanter nichts mehr mit einer herkömmlichen Karaffe zu tun, passt in keinen Gläserschrank, ist sperrig und unhandlich und bedarf für einen erfolgreichen Einsatz eines gewissen Trainings. „Doch ein besonderer Wein sollte nicht einfach nur getrunken, sondern darf auch zelebriert werden“, findet Riedel.

Riedel gehört zu jenen Menschen, die überzeugt sind, dass die meisten Rotweine vor dem Genuss dekantiert werden sollten – und nicht etwa nur die alten Rotweine, die vom Depot getrennt werden müssen. Vor allem für tanninreiche Rotweine, die eigentlich für ein längeres Leben vorgesehen sind, dann aber doch jung getrunken werden, ist das Dekantieren von Vorteil. Der Wein kann ein Aroma entfalten, das er normalerweise erst in einem späteren Reifestadium entwickelt.

Unter dieser Voraussetzung ist „Eve“ entstanden. Sein Geheimnis heißt double decanting. Schon beim Einfüllen des Weins kommt dieser mehr als bei anderen Decantern mit Sauerstoff in Berührung. Der lange, sich nach unten hin verjüngende Hals intensiviert die Verwirbelung des Weins.

Im Bauch der „Kobra“ angekommen, wird der Decanter vorsichtig geschwenkt. Wegen des unterschiedlichen Durchmessers der Windungen entstehen Blasen, die sich hörbar und schlagartig auflösen, wenn der Wein durch das Schwenken in die breiteren Teile der Windungen gedrückt wird. Man hört ein deutliches „blubb“.

Riedel Decanter

Dieses schockartige Belüften des Weins führt zu einer noch stärkeren Sättigung mit Sauerstoff – eben zum double decanting. Der Effekt: Der Wein schmeckt, nachdem er eingeschenkt wurde, so wie nach zwei Stunden Luftkontakt in einer herkömmlichen Karaffe.

Sicher, man könnte denselben Effekt auch erzielen, indem man den Wein in einer normalen Karaffe durchschüttelt wie ein Barmixer seinen Drink. Doch ein wenig stilvoller ist der Einsatz von „Eve“ schon.

Die spätere Reinigung von „Eve“ ist übrigens ganz einfach. Man braucht nur fünf Dinge: Zeit, Fingerspitzengefühl, destilliertes Wasser, einen Mikrofaserhandschuh und einen Fön, um das Kondenswasser aus dem letzten Ende des Glasgewindes zu vertreiben.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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