Korkkranke Weine

Schät­zungs­wei­se fünf bis acht Pro­zent aller Kor­ken sind feh­ler­haft. Ten­denz stei­gend. Der Kork­teu­fel trifft glei­cher­ma­ßen jun­ge und alte, wei­ße wie rote Wei­ne. Selbst Cham­pa­gner kön­nen einen Kork­ton auf­wei­sen. Der Kon­su­ment ist macht­los. Im Restau­rant kann er den Wein zurück­ge­hen las­sen. Wein­händ­ler und Wein­gü­ter leis­ten kei­nen Ersatz.

Ungenießbar

Bestalon-Korken, Korken

Ob ein Wein kork­krank ist, kann nie­mand sagen, bevor die Fla­sche nicht geöff­net ist. Weder ein schim­me­li­ger, noch ein durch­tränk­ter Kor­ken deu­ten sicher dar­auf hin, dass der Kor­ken infi­ziert ist. Der Kork­ton ist zuerst in der Nase wahr­nehm­bar. Der Wein riecht muf­fig und bitter-gerbig. Der Fehl­ton über­deckt den Wein­ge­schmack deut­lich. Manch­mal macht sich der Kork­ton auch erst beim Schme­cken bemerk­bar. Kork­kran­ke Wei­ne sind fast immer ungenießbar.

Trichloranisol

Äußer­lich kann ein infi­zier­ter Kor­ken makel­los sein. Der haupt­säch­li­che Ver­ur­sa­cher des schlech­ten Geschmacks ist näm­lich eine Chlor­ver­bin­dung, die den Kor­ken optisch nicht ver­än­dert. Sie heißt »2, 4, 6- Tri­chlor­an­i­sol«, abge­kürzt TCA, und ist bereits in win­zi­gen Men­gen wahr­nehm­bar: Bereits 10 ppt (»per­cent per thousand«) rei­chen aus, um einen Wein geschmack­lich völ­lig zu ver­der­ben. TCA ist das Stoff­wech­sel­pro­dukt einer Grup­pe von Schim­mel­pil­zen, die sich von Chlor­ver­bin­dun­gen ernäh­ren. Die­se Schim­mel­pil­ze sit­zen aber nicht außen auf dem Kor­ken und sind äußer­lich auch nicht sicht­bar. Das Zusam­men­tref­fen von Chlor und die­sen Schim­mel­pil­zen ist also in höchs­tem Maße hei­kel. Wenn es ein­tritt, spielt es sich im Innern des Kor­kens, genau­er: in den Len­ti­zel­len ab. Dort set­zen sich die Pil­ze ger­ne fest. Je mehr offe­ne Poren, also Ein­gän­ge zu den Len­ti­zel­len, ein Kor­ken auf­weist, des­to grö­ßer ist die Mög­lich­keit, dass Pilz­spo­ren und Chlor in den Kor­ken ein­drin­gen. Schim­mel­pil­ze gehö­ren zur nor­ma­len Flo­ra der Kork­ei­chen­wäl­der und es ist daher nichts Unge­wöhn­li­ches, wenn sie die Kork­rin­de nach dem Abschä­len vom Stamm wei­ter­hin besie­deln. Auch wäh­rend der Lage­rung kann der Schim­mel­pilz den Kork befal­len. Aller­dings wer­den die Kork­rin­den vor der Wei­ter­ver­ar­bei­tung des­in­fi­ziert und dabei soll­ten die Schim­mel­pilz­kul­tu­ren zer­stört werden.

Allgegenwärtiges Chlor

Chlor kommt wäh­rend der Ver­ar­bei­tung von Kork ins Spiel. Frü­her wur­de Chlor zum Bei­spiel zur Blei­chung der Kor­ken ver­wen­det: ein gefun­de­nes Fres­sen für Schim­mel­pil­ze. Heu­te wird über­wie­gend Was­ser­stoff­per­oxyd zur Blei­chung ver­wen­det. Doch Chlor ist immer noch all­ge­gen­wär­tig. In vie­len süd­eu­ro­päi­schen Län­dern ist das Lei­tungs­was­ser gechlort – und Kork­rin­den müs­sen vor der Wei­ter­ver­ar­bei­tung gewa­schen wer­den. Chlor ist auch in vie­len Rei­ni­gungs­mit­teln ent­hal­ten, mit denen die Fuß­bö­den im Wein­kel­ler, die Lade­flä­chen von Last­au­tos (die Kork trans­por­tie­ren) oder die Palet­ten, auf denen der Kork ange­lie­fert wird, gerei­nigt wer­den. Chlor­hal­ti­ge Rei­ni­gungs­mit­tel fin­den oft auch in Haus­hal­ten von Wein­trin­kern Ver­wen­dung, ohne dass die­se das im Ein­zel­nen wis­sen. Nicht völ­lig des­in­fi­zier­te Kor­ken kön­nen also auch beim Spe­di­teur, beim Wein­händ­ler oder im Haus­halt des Wein­trin­kers TCA bilden.

Ursachenforschung

Delfin-Korken, Korken

TCA ist die häu­figs­te, aber nicht die ein­zi­ge Sub­stanz, die Fehl­tö­ne im Wein her­vor­ruft. Kei­me und Pilz­spo­ren aller mög­li­chen Gat­tun­gen kön­nen sich in den Len­ti­zel­len ein­nis­ten. Beson­ders in war­men und gleich­zei­tig feuch­ten Räu­men kön­nen sich Mikro­or­ga­nis­men aus­brei­ten und unan­ge­neh­me Fehl- oder Neben­tö­ne wie    z. B. Aniso­le ent­wi­ckeln. Die Wein­erzeu­ger geben dar­an den Kork­fa­bri­ken die Schuld, die es bei der Lage­rung der Kork­rin­de, beim Aus­sor­tie­ren des Korks und beim Des­in­fi­zie­ren an der nöti­gen Sorg­falt feh­len lie­ßen. Die Kork­fa­bri­ken beschul­di­gen den Kork­han­del und die Wein­gü­ter, dass es bei ihnen an der nöti­gen Hygie­ne in den Lager­räu­men und im Kel­ler feh­len wür­de. Tat­säch­lich kann kein Betei­lig­ter aus­schlie­ßen, Ver­ur­sa­cher irgend­ei­ner Kork­in­fek­ti­on zu sein. Fazit: Die her­kömm­li­chen Metho­den der Des­in­fek­ti­on rei­chen nicht aus, um Fehl­tö­ne im Wein auszuschließen.

Neues Imprägnierverfahren

Um den­noch den Kor­ken als Wein­fla­schen­ver­schluss zu ret­ten, wur­den in den letz­ten Jah­ren neue Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, mit denen Fehl­tö­nen im Wein zu Lei­be gerückt wer­den soll. Eines die­ser Ver­fah­ren ist die Bestalon-Imprägnierung. Dabei wer­den die Kor­ken etwa eine Stun­de lang in einem spe­zi­el­len Was­ser­bad gewa­schen. Es ent­hält neben Ätha­nol eine klei­ne Men­ge Phe­nol­oxi­da­se, ein in Däne­mark ent­wi­ckel­tes Enzym­prä­pa­rat auf Suberase-Basis. Es macht die ger­big schme­cken­den Phe­no­le im Kor­ken unschäd­lich. Kon­kret: Sie wer­den poly­me­ri­siert und damit geschmack­lich neu­tra­li­siert. Gleich­zei­tig wer­den die übel­rie­chen­den Aniso­le aus dem Kor­kin­ne­ren extra­hiert. Da das Suberase-Enzym zugleich die Ober­flä­che des Kor­kens was­ser­ab­wei­send macht und somit imprä­gniert, ist auch die Wahr­schein­lich­keit des Ein­drin­gens von Flüs­sig­keit in den Kor­ken wesent­lich geringer.

Delfin-Verfahren

Noch höhe­re Erwar­tun­gen ver­bin­den sich mit dem in Deutsch­land ent­wi­ckel­ten Delfin-Verfahren (»Direct Envi­ron­men­tal Load Focus­sed Inac­ti­va­ti­on«). Dabei lau­fen alle Kor­ken vor der Frei­ga­be durch eine spe­zi­el­le Mikrowellen-Anlage, in der sie mit­tels elek­tro­ma­gne­ti­scher Wel­len erwärmt wer­den. Im Gegen­satz zur her­kömm­li­chen Heiß­was­ser­ste­ri­li­sa­ti­on drin­gen die elek­tro­ma­gne­ti­schen Wel­len durch den Kork hin­durch. So wer­den sowohl alle che­mi­schen als auch alle mikro­bak­te­ri­el­len Ver­un­rei­ni­gun­gen besei­tigt. Delfin-Korken sind seit dem Jahr 2000 auf dem Markt. Der Wein­trin­ker kann aller­dings nur über den Win­zer erfah­ren, ob der auf die Fla­sche gezo­ge­ne Wein mit Delfin- oder Bestalon-Korken ver­schlos­sen wurde.

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