Heikle Verschlusssache
Kork ist ein nahezu idealer Weinverschluss. Er schließt die Flasche gut ab, lässt nur geringste Mengen Sauerstoff durch, ist geschmacksneutral. Dafür ist er teuer. Je nach Qualität und Länge kostet er zwischen 20 Pfennig und 1,50 Mark. Und hundertprozentige Sicherheit bietet er leider nicht.
Schon die Römer verwendeten zum Verschließen ihrer Weingefäße neben Harz und Pech auch Naturkork. Durchgesetzt hat sich der Korken allerdings erst im 17. Jahrhundert, nachdem die Flasche erfunden worden war. Doch nicht jeder Kork hält, was er verspricht. Immer wieder kommt es vor, dass Flaschen lecken oder – schlimmer noch – der Wein einen unangenehmen Korkgeschmack annimmt. Über 50 flüchtige Substanzen sind gezählt worden, die mit dem Wein interagieren. Viele Weinerzeuger vermuten, dass die Korkqualität in dem Maße sinkt, in dem die Zahl der Flaschenabfüller steigt. Sie denken über Alternativen nach – und haben sie auch schon gefunden: Stopfen aus Silikon.
Wo Naturkork wächst
Kork wird aus der Rinde der Korkeiche (Quercus suber) gewonnen. Diese wächst vor allem im warmen Mittelmeerraum. Der größte Korklieferant der Welt ist Portugal. Aber auch in Südwestspanien befinden sich ausgedehnte Kulturen von Quercus suber. Sardinien und Korsika verfügen ebenfalls über große Korkeichenbestände und eine eigene Korkindustrie. Ein großer Teil der dortigen Korkeichenwälder sind angepflanzte Kulturen. In Südfrankreich und Nordafrika werden die Korkeichen dagegen relativ wenig genutzt. In der Regel werden die Bäume nach 25 bis 30 Jahren zum ersten Mal geschält. Rund zehn Jahre dauert es, bis die Rinde wieder nachgewachsen ist. Bei einem durchschnittlichen Alter von 150 Jahren wird die Korkeiche also mindestens elfmal geschält.
Woraus Kork besteht
Kork besteht aus abgestorbenen Zellen des Holzgewebes. Sie sind mit Stickstoff gefüllt und absolut luft- und wasserundurchlässig. 30 000 bis 40 000 solcher Zellen befinden sich in einem Kubikzentimeter Kork. Der Sauerstoffaustausch mit dem Wein kann nicht durch den Korken hindurch, sondern nur zwischen Korken und Flaschenhals stattfinden. Er ist umso geringer, je besser die Qualität des Korkens ist. Erstens ist das Suberin, jener Stoff, aus dem die Zellwände bestehen, sehr elastisch und schmiegt sich eng an das Glas an. Zweitens werden die Korken gegen die Laufrichtung der Lentizellen (dunkle, verholzte Rinnen im Kork) aus der Rinde geschnitten, so dass keine Kanäle entstehen, durch die größere Mengen Sauerstoff in die Flasche eindringen könnte. An den Lentizellen ist der Korken übrigens am brüchigsten. Dort bricht der Korken am leichtesten ab. Die hochwertigsten Korken sind solche, die möglichst wenig Lentizellen aufweisen.
Wie Kork behandelt wird
Nach dem Schälen wird die Rinde mindestens ein halbes Jahr lang unter freiem Himmel getrocknet, danach gekocht und desinfiziert. Dann beginnt das schwierigste Geschäft: die Selektion der Rindenplatten, die zur Herstellung von Weinkorken geeignet sind. Nur rund die Hälfte findet Gnade vor den Augen der Prüfer, die andere Hälfte wird zu Korktapeten und ähnlichem Dekor verarbeitet. Die geeigneten Platten werden quer zur Wuchsrichtung des Baumes in Streifen geschnitten, die genau so breit sind, wie der Korken hoch sein soll. Die Streifen werden gebleicht (heute meist mit Wasserstoffperoxyd) und der Korken aus ihnen gestanzt. Damit er später besser in den Flaschenhals rutscht, wird er noch mit einem Paraffin- oder Silikonwachs überzogen.
Woher der Korkgeschmack kommt
Ein Wein, der nach Kork riecht oder schmeckt, ist fehlerhaft. Verantwortlich ist meist eine Substanz namens Trichloranisol (TCA). Sie bildet sich, wenn die chlorhaltigen Lösungen, in denen die Korken gebleicht werden, mit dem Phenol, das in jedem Naturkork enthalten ist, reagiert, und das Produkt dieser Reaktion von Schimmelpilzen umgesetzt wird, die unsichtbar auf dem Korken wachsen (mit dem Schimmel, der manchmal auf der Oberseite des Korkens alter Flaschen zu finden ist, hat dieser Schimmelpilz nichts zu tun). Äußerlich sieht ein TCA-infizierter Korken also makellos aus. Seit Mitte der 1980er Jahre werden Korken deshalb ohne Chlor gebleicht –, ohne dass allerdings der Korkgeschmack verschwunden wäre. Der Grund: Chlor befindet sich überall in der Umwelt (Leitungswasser, Holzschutzmittel usw.) und kontaminiert den Kork selbst in kleinsten Mengen. Aber auch ungebleichte Korken können von solchen Schimmelpilzen (Aspergillus, Penicillium) infiziert werden. Sie befinden sich ebenso in den Lagerhallen der Korkhersteller wie den Kellern vieler Winzer. Dann ist nicht TCA, sondern eine andere Substanz für den Korkgeschmack verantwortlich.
Silikon als Korkersatz
Kork ist mit der ständig steigenden Zahl von Flaschenabfüllern knapp geworden – vor allem guter Kork. Für einfache Tafel- und Landweine, aber auch für Qualitätsweine aus der Literflasche, die nicht zum langen Lagern geeignet sind, werden zunehmend metallene Drehverschlüsse verwendet. Aber auch der Silikon-Stopfen ist auf dem Vormarsch. Er ist ähnlich wie ein Korken aufgebaut: Er besteht aus aufgeschäumtem Polymeren mit vielen luftdicht abgeschlossenen, elastischen Zellen. Er dehnt sich, wenn er zusammengedrückt wird, nicht nach oben oder unten im Flaschenhals aus. Zumindest gilt das für hochwertige Silikonstopfen. Auch die Rückstellkraft – so lautet der Fachausdruck für den Druck, den ein zusammengepresster Korken im Flaschenhals auf das Glas ausübt – ist ähnlich groß wie beim Naturprodukt. Wein kann normalerweise nicht auslaufen, wohl aber kann ein Luftaustausch stattfinden.