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Bodega Herederos de Argüeso: Trockener Sherry der Extraklasse

Der Ort Sanlúcar de Barrameda liegt an der privilegiertesten Stelle des so genannten „Sherry-Dreiecks“: direkt an der Mündung des Flusses Guadalquivir in den Atlantik. Auch in den beiden anderen Orten des Dreiecks, in Jerez de la Frontera und in El Puerto de Santa Maria, herrschen gute Bedingungen für das Wachstum des Flors in den nur drei Viertel vollen Sherryfässern. Flor – das ist die Hefeschicht, die sich wie ein Filz auf den Sherry legt, ihn vor zu schneller Oxidation schützt und gleichzeitig mit hefigen Aromen ausstattet.

In Sanlúcar de Barrameda sind die Wachstumsbedingungen für den Flor besonders gut. Die hohe Luftfeuchtigkeit am Delta de Guadalquivir, aber auch der Wechsel von auflandigen und ablandigen Winden sorgen dafür, dass das Kleinklima in den Bodegas, den (oberirdischen) Kellereigebäuden, förderlicher für die Sherryproduktion ist als überall sonst. Der Sherry ist ein eigenartiger Wein: Bei ihm kommt es nicht nur auf das für die Reben an. Der Standort des Kellereigebäudes spielt eine ebenso große Rolle für die Weinqualität.

Die Bodega Herederos de Argüeso, 13.000 Quadratmeter groß, liegt in der Unterstadt Sanlúcars, im Gewirr der Gässchen, an einer idealen Stelle, nämlich einen knappen Kilometer vom Wasser entfernt. Diese Bodega ist ein spanisches Nationalheiligtum – vergleichbar mit Romanée Conti in Frankreich oder dem Scharzhof hierzulande. Denn alles, was diese Bodega tut, folgt dem Drehbuch einer jahrhundertelangen Erfahrung. Moden? Werden achselzuckend ignoriert.

© herederosdeargueso.com

Der San León ist das Hauptprodukt der Bodega. Ein heller, knochentrockener Sherry, gekeltert aus Palomino-Trauben, die auf den einmaligen Kreideböden des Sherry-Dreiecks gewachsen sind. Dann wird der Wein mit Weingeist auf 15 Volumenprozent Alkohol aufgespritet und in den alten, typischen Sherry-Fässern nach der Solera-Methode gereift: Im Laufe seines Ausbaus wird die „Manzanilla“ – so heißen in Sanlúcar die hellen trockenen Sherrys – bis zu 14-mal von einem Fass in das nächste umgezogen. Immer, wenn der Flor in einem Fass an Vitalität verliert, wird ein Teil des Weins durch jüngeren ersetzt. Bei Argüeso werden diese Arbeiten alle von Hand erledigt. Ein enormer Aufwand! Und eine enorme Kapitalbindung. Denn wenn die Manzanilla schließlich abgefüllt wird, sind die Weine im Schnitt sechs, sieben Jahre alt.

Angesichts dieses Aufwands und dieser Kulturleistung ist der San León für einen Spottpreis zu bekommen. Für weniger als 9 Euro kann man andalusische Authentizität kosten: eine Manzanilla, die im Duft deutlich die Noten feuchten alten Holzes anklingen lässt, aber im Duftbild ebenso die Aromen von Seetang und Meer zeigt.

Die Oxidation bleibt sehr diskret und wirkt nur wie ein Schimmer Patina auf einem gepflegten Gebrauchsgegenstand. Im Mund ist die Manzanilla herb und salzig, ihr Alkoholgehalt ist kaum zu spüren. Im Abgang kehren jodige Aromen wieder, verknüpft mit einer durch Oxidation bewahrten Erinnerung an die beerige Frucht. Das ist ein faszinierendes Schauspiel – und ein kulinarisches Spektakel, wenn die Manzanilla zu gesalzenen Nüssen oder zu einem Gericht mit Krustentieren getrunken wird. So jedenfalls tun es die Menschen in Sanlúcar.

© herederosdeargueso.com

Außerhalb seiner andalusischen Heimat hat der Sherry in den letzten Jahrzehnten stark an Boden verloren. Aus einem Alltagswein, der er mal war, ist ein Nischenprodukt geworden. Doch in den letzten Jahren hat der trockene Sherry – egal ob Fino oder Manzanilla –  wieder neue Liebhaber gefunden: dank der Sushi-Mode. Zu Maki-Reisröllchen und rohem Fisch passt dieser Wein vorzüglich.

Der San León“ sollte nicht zu kalt, sondern bei etwa 10 – 12°C serviert werden. Eine angebrochene Flasche hält sich problemlos eine Woche lang im Kühlschrank frisch.

Bezug:

www.vinos.de

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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