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Van Volxem – Vom Braukeller in den Weinberg: Roman Niewodniczanski

Der Mann hat Größe – im buchstäblichen Sinne: Roman Niewodniczanski (48), gut zwei Meter groß und schlank, die halblangen Haare im Nacken zusammengebunden, braun gebrannt und von einer Lässigkeit, die kantig ist und unübersehbar. Ein Naturbursche aus gutem Hause, down to earth. Egal, wo der Besitzer des Weingutes Van Volxem auftaucht, er fällt auf.

„Als Winzer, der überaus ehrgeizig ist, möchte ich einen der besten Weine der Welt machen“

Unermüdlich ist er in den Weinbergen und Kellern des Weingutes in Wiltingen oder im Herrenzimmer unterwegs, wo er seine Besucher empfängt und zur Beantwortung ihrer Fragen Aufzeichnungen über die Historie der Saarweine und alte Preislisten und Weinkarten heranholt. Sein Arbeitsalltag spielt sich in den Weinbergen oder in der jüngst erbauten Van Volxem Manufaktur ab, auf Weinmessen oder auch bei Weinproben.

Roman Niewodniczanski in den Weinbergen
Der Rebenflüsterer Roman Niewodniczanski. © Weingut Van Volxem/Wiltingen

Wein statt Bier: Wegbereiter des neuen Rieslings

2012 war Roman Niewodniczanski Winzer des Jahres und gilt seither als das Aushängeschild des modernen deutschen Weinbaus, namentlich für echte, große Rieslinge. Der Anspruch ist hoch, denn die Qualität der Van Volxem-Weine soll anknüpfen an jene fantastischen Rieslinge von der Saar, die Anfang des 20. Jahrhunderts zu den kostbarsten Weinen der Welt zählten.


Rieslinge vom Weingut Van Volxem:


Doch wer ist dieser „Rebenflüsterer“, wie die begeisterte Weingemeinde ihn unter anderem nennt und der seine Weine überall auf der Welt stets selbst vorstellt? Roman Niewodniczanski entstammt einer Familie von Bierbrauern und ist der Urenkel von Johann Peter Wallenborn, dem Gründer der Bitburger Brauerei in der Eifel, wo seit 1817 Bier gebraut wird: Bitburger, König Pilsener, Köstritzer. Heute sitzen die Brüder von Roman Niewodniczanski im Vorstand der Brauerei, die traditionell in Familienbesitz geblieben ist. Nur der jüngste der Familie hatte andere Ambitionen als Bier zu brauen: Von klein auf schon war er von Weinen fasziniert. Schon sein Großvater hatte ihren Genuss stets zelebriert und der Enkel konnte die Erzählungen des alten Herrn dazu nicht vergessen – ohne zu ahnen, dass diese Affinität zu seinem Lebensinhalt würde.

Auf der Suche nach dem richtigen Weingut

Also studierte er Wirtschaftsgeografie und Betriebswirtschaft und wurde Unternehmensberater, unter anderem bei Ernst & Young. Doch das war nichts für „Niewo“, wie er in Wiltingen und auf dem Weingut genannt wird, also ließ er sich zum Winzer ausbilden. Für ihn war dieser Schritt zu dem Zeitpunkt logisch, seine Umwelt hingegen hat er zunächst damit verblüfft. Viele konnten sich nicht gleich mit der Idee anfreunden, doch Roman Niewodniczanski setzte sich durch (was sonst?) und ging auf Reisen mit dem Ziel, genau das Weingut zu finden, auf dem er seine Visionen zum Wiederaufleben der legendären Saar-Rieslinge umsetzen konnte.

Über Umwege nach Van Volxem

Eingangsschild vom Weingut Van Volxem
Für Besucher nimmt man sich hier gerne Zeit. © Weingut Van Volxem/Wiltingen

Über Kalifornien, Neuseeland, Australien und Südafrika kam er schließlich an die deutsche Saar, nach Wiltingen und fand dort das Weingut Van Volxem vor. Zu dem Anwesen, zu Römerzeiten eine Villenanlage, zählen die ältesten Steillagen der Weinbaugeschichte. Hier findet man die besten Schieferlagen der Saar vor, die von den Römern im 3. Jahrhundert angelegt wurden. 800 Jahre später wurden diese von Mönchen wiederentdeckt und ab dem 16. Jahrhundert vom „Orden der Gesellschaft Jesu“ bewirtschaftet.

Die Weinberge vom Weingut Van Volxem
In den Weinbergen von Van Volxem gibt es einige der steilsten Lagen im ganzen Land. © Weingut Van Volxem/Wiltingen

So weit die Vorgeschichte, bevor es jetzt skurril wird, denn Mitte des 18. Jahrhunderts kam der Brüsseler Bierbrauer Gustav van Volxem zunächst nach Trier, wo er eine Bierbrauerei in Betrieb nahm. Von dort war es nicht weit nach Wiltingen. Als der Bierbrauer das historische Weingut erblickte, ging es ihm vielleicht ähnlich wie Roman Niewodniczanski aus der Bitburger Brauereifamilie gut 200 Jahre später. Jedenfalls kaufte Gustav van Volxem das Anwesen, erwarb weitere Rebflächen, erweiterte die Kellereien und setzte seine Vorstellungen vom Weinmachen mit großem Erfolg um. Bald gehörten die Van Volxem Weine zur Spitzenklasse der ohnehin mit Meriten versehenen Saarweine. Dabei erfreuten sich vor allem die Van Volxem Rieslinge eines besonderen Ruhms.

Ein Glas mit Riesling von Van Volxem
Die Rieslinge sind das Aushängeschild von Van Volxem. © Van Volxem/Wiltingen

Das Verblassen des Mythos

Mit der Übernahme des Weingutes Van Volxem durch die Enkel begann vorläufig der Abschied aus der anspruchsvollen Weinproduktion und auch der Münchner Unternehmer Peter Jordan als der nächste Besitzer des Weingutes hatte nur wenig Bezug zur Weinproduktion. Roman Niewodniczanski kaufte 1999 das Weingut, investierte ab dem folgenden Jahr eine ordentliche Summe in die denkmalgerechte Renovierung des Gutes und kaufte zahlreiche Spitzenlagen in der Umgebung dazu. Seither fügt er der faszinierenden Geschichte des Traditionsweingutes ständig neue Facetten hinzu. Gutsdirektor Dominik Völk ist seit 2004 an seiner Seite tätig und ein festes, etwa 35-köpfiges Team, sowie 100 Erntehelfer unterstützen Niewodniczanski ebenfalls in seiner ungebrochenen Leidenschaft zum Weinmachen.

Man würde meinen, bei so viel Tatendrang bliebe nicht viel Zeit für Hobbys. Falsch! Die gibt es doch, wenn das Hobby zum Beruf passt: Niewodniczanski hat im Laufe seiner „Weinjahre“ schon mehr als 12.000 Flaschen edelster, oft sehr alter Weine gesammelt. Nicht, weil er sie trinken will, doch so bedacht und eher sparsam er im alltäglichen Konsum ist, so schwach wird er regelmäßig beim Anblick einer etwa 100 Jahre alten Weinflasche. Wozu, wenn man sie nicht trinkt? Laut Niewodniczanski beruhigt ihn die Sammlung … was angesichts seines enormen Sportpensums auch notwendig ist. Tägliches Pilatestraining und regelmäßige Geländefahrten mit dem Mountainbike gehören bei Niewodniczanski zum festen Sportprogramm.

Roman Niewodniczanski mit Trauben im Weinberg
Winzer aus Leidenschaft: Roman Niewodniczanski. © Van Volxem/Wiltingen

Weinfässer aus den eigenen Wäldern

Im April 2018 wurden in der Weinmanufaktur die neuen Weinfässer eingesetzt, was nicht weiter erwähnenswert wäre, wenn jene Weinfässer nicht aus den eigenen, ca. 250 Jahre alten Wäldern stammen würden. 2010 wählten Roman Niewodniczanski und der renommierte österreichische Fassküfer Franz Stockinger akribisch und nach speziellen Gesichtspunkten die besten „Fass-Eichen“ aus, ließen sie nach Waidhofen zu Stockinger bringen, wo sie gespalten wurden, um acht Jahre in Wind und Wetter auszutrocknen und zu „reifen”. In wochenlanger Handarbeit und mit dem für das Weingut Van Volxem typischen Enthusiasmus, wurden sie anschließend zu Weinfässern verarbeitet und in Betrieb genommen. Nun sind sie sozusagen das Herzstück der Manufaktur, denn in ihnen werden die nächsten Van Volxem-Weine ausgebaut.

Die Weinmanufaktur von Van Volxem
Die Weinmanufaktur von Van Volxem. © Van Volxem/Wiltingen

Die Erträge haben sich auf 250.000 bis 350.000 Flaschen pro Jahr eingependelt. Auf die Anzahl der Reben bezogen ist dies etwas weniger als eine Flasche je Rebe, was dem Niveau französischer Gran Crus entspricht. Im Fokus der aufwendigen Arbeit in den Lagen und beim Ausbau der Van Volxem-Weine steht laut den Worten Roman Niewodniczanskis die konsequente Rückbesinnung auf handwerkliche Traditionen, einhergehend mit dem Respekt vor der Einzigartigkeit der Steilhänge und ihrer schwer zu bewirtschaftenden Böden aus Rot-, Blau- und Devonschiefer, Grauwacke und Quarzit.

Die Lagen vom Weingut Van Volxem
Die Lagen des Weinguts Van Volxem © Van Volxem/Wiltingen

Der Naturweingedanke

Diese Erträge, ausgebaut nach dem „Naturweingedanken“ von 1904 ergeben die unvergleichlich markanten Van Volxem-Weine. Ausschließlich von Hand gelesen, ohne Zusatz von Industriehefen und nicht geschönt, variieren sie in trockenen bis feinherben Geschmacksbereichen und entsprechen genau dem neuen Ernährungstrend von wenig Alkohol und wenig Kalorien. Naturweine eben, wie sie laut der Definition des kaiserlichen Hofweinlieferanten Wilhelm Ruthe aus Wiesbaden beschrieben werden: „Naturwein ist das reine Produkt der Rebe ohne jeden Zusatz, und nur solcher Naturwein ist bekömmlich und hat keine für die Gesundheit schädliche Nebenwirkung. Jeder Naturwein zeichnet sich durch geringeren Alkoholgehalt, größere Blume, angenehmen Fruchtgeschmack und erfrischende Säure aus und wirkt erquickend und anregend. „Besser,“ sagt man auf dem Weingut Van Volxem „können wir das Erzeugnis unserer Leidenschaft nicht beschreiben.”

Übrigens sind auch die Nachbarn des Winzers keine Unbekannten: Direkt nebenan wohnen Günther Jauch und seine Ehefrau Thea, vor deren Engagement im Weinberg sowie beim Ausbau der Von Othegraven-Weine Niewodniczanski den Hut zieht und erzählt, dass er mit ihnen gerne zusammensitzt und sich austauscht – bei einem guten Glas Wein natürlich.


Das Weingut:


Weingut Van Volxem – Saarweine großer Lagen

Dehenstr. 2 54459 Wiltingen/ Saar


Anbaugebiet: Mosel-Saar-Ruwer


Flaschenproduktion: 300.000


Rebsorten: 95% Riesling, 5% Weissburgunder


Gründungsmitglied des VDP; Weinproben nach Vereinbarung


Copyright Einstiegsbild: Roman Niewodniczanski, Weingut Van Volxem

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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