Zwei Winzer, eine Familie: Konrad und Anette Closheim

Bei den Closheims in Langenlonsheim an der Nahe erzeugen zwei Generationen im gleichen Keller ihren eigenen Wein: Vater Konrad den seinen und Tochter Anette den ihren. Anettes Weine sind eher maskulin, während der Vater filigrane, klassische Rieslinge macht. Verkehrte Welt? Nicht im 21. Jahrhundert!

Kon­rad Clos­heim aus Lan­gen­lons­heim nennt sich einen „gelän­de­gän­gi­gen Opa“. Fast jeden Tag ist der 62jährige Win­zer von der Nahe im Wein­berg, rum­pelt mit dem Trak­tor über Feld­we­ge und macht kei­nen Hehl dar­aus, dass er auch in den kom­men­den Jah­ren nicht in Ren­te zu gehen gedenkt. Ries­ling, Weiß­bur­gun­der, Grau­bur­gun­der, Char­don­nay und ein paar Rot­wei­ne – das ist sei­ne Welt, die er sich in den letz­ten vier Jahr­zehn­ten auf­ge­baut hat.

Als er begann, war die Nahe noch der Wurm­fort­satz des Rhein­gaus. Erst seit 1971 ist sie ein eigen­stän­di­ges Wein­an­bau­ge­biet. Clos­heim hat sei­nen Anteil an die­ser Ent­wick­lung. Er hat den atem­be­rau­ben­den Qua­li­täts­an­stieg der Nahe-Weine erlebt. Hat den Auf­stieg von Win­zern wie Her­mann Dönn­hoff, Dr. Cru­si­us, Emrich-Schönleber, Krüger-Rumpf, Schäfer-Fröhlich beob­ach­tet. Hat gese­hen, wie die Prei­se für deren Spit­zen­ge­wäch­se von zehn Mark auf 35 Euro geklet­tert sind.

„Ich mach’ die Weine für den Normalotto“

Auch sei­ne Wei­ne haben sich ver­bes­sert. Aber irgend­wie ist Kon­rad Clos­heim der Mann für die Fünf-Euro-Weine geblie­ben: herz­haf­te, saf­ti­ge Ries­lin­ge, Weiß­bur­gun­der, Grau­bur­gun­der, Ker­ner – das ist sei­ne Domä­ne. Selbst die tro­cke­ne Ries­ling Spät­le­se vom Löh­rer Berg, dem Grand Cru Lan­gen­lons­heims, steht bei ihm für wohl­fei­le 6,50 Euro in der Lis­te. Bedrückt oder ver­bit­tert ist er des­halb nicht: „Ich mache die Wei­ne für den Normalotto.“

Konrad Closheim

Clos­heims Zufrie­den­heit hat auch mit einem ande­ren Umstand zu tun. Der Umstand heißt Anet­te. Sie ist 34, hat kur­ze, rot­blon­de Haa­re, ein gesun­des Selbst­be­wusst­sein und eine kla­re, fes­te Stim­me. Wenn die­se sagt: „Ich will mehr“, dann klingt das, weiß Kon­rad Clos­heim inzwi­schen, fast wie die Gewinn­an­kün­di­gung eines Dax-Unternehmens.

Ausflug in die große, weite Welt der Spirituosen

Anet­te ist die Toch­ter von Kon­rad Clos­heim. Sie hat Wein­be­triebs­wirt­schaft stu­diert und ist danach, eher unge­wollt, bei einem Geträn­ke­mul­ti gelan­det. Seit­dem kennt sie sich mit Sin­gle Malts bes­tens aus, mit Premium-Wodkas auch: „Eigent­lich hat­te ich die­sen Job nicht auf der Uhr“, gibt sie zu.

Aber gescha­det hat ihr der Aus­flug in die gro­ße, wei­te Welt der Spi­ri­tuo­sen nicht: heu­te Mee­ting in Paris, mor­gen Prä­sen­ta­ti­on in Ham­burg, über­mor­gen einen neu­en Mar­ke­ting­plan schrei­ben und am Ende des Quar­tals gute Zah­len vor­le­gen – vier Jah­re lang war das ihr Leben.

Dann kehr­te sie nach Lan­gen­lons­heims zurück. „Ich merk­te, dass mein Herz mehr für den Wein schlägt.“ Doch ihre Vor­stel­lun­gen und die ihres Vater waren nicht ganz zur Deckung zu brin­gen. „Ich woll­te nicht im Fünf-Euro-Bereich arbei­ten“, mach­te sie klar. „Mein Vater ist zwar ein guter Win­zer, aber…“ Und dann fol­gen die omi­nö­sen Wor­te: „…ich woll­te mehr.“

Neuer Name, neues Etikett, neue Website

Vater Kon­rad, grund­sätz­lich erfreut über die Rückehr sei­ner Toch­ter, traf in die­ser Situa­ti­on eine wei­se Ent­schei­dung. Er über­ließ sei­ner Toch­ter knapp die Hälf­te der Wein­ber­ge und sag­te: „Mach’ es besser!“

Und Anet­te mach­te es bes­ser. Sie redu­zier­te die Erträ­ge, las ihre Trau­ben spä­ter, selek­tier­te stär­ker, und erhielt am Ende Wei­ne, die sich deut­lich von denen ihres Vaters unter­schei­den: pri­mär­fruch­ti­ger auf der einen, struk­tu­rier­ter auf der ande­ren Sei­te. Sie bas­tel­te sich eine eige­ne Web­site, ent­wi­ckel­te ein neu­es Eti­kett und bot ihre Wei­ne unter dem Label „anet­teclos­heim“ an – Preis­auf­schlag inklusive.

Anette Closheim

2008 war der ers­te Jahr­gang. Schon ein Jahr spä­ter ver­lieh ihr die Wein­zeit­schrift „Wein­welt“ den Titel „Riesling-Entdeckung des Jah­res“. Danach ging es Schlag auf Schlag: ers­te Trau­be im Gault Mil­lau, Por­trait im Han­dels­blatt, Lis­tung  in Johann Laf­ers Sterne-Restaurant auf der Strom­burg, Ein­la­dung zur Big Bottle-Party in das Hotel Palace in Berlin.

Vater hat nicht mit diesem Erfolg gerechnet

Nicht nur mit Ries­ling, auch mit ihren ande­ren Wei­nen konn­te sie reüs­sie­ren. Im Eichelm­ann wird ihr Pinot Noir als einer der bes­ten Nahe-Weine gelobt. Mit ihrem Weiß­bur­gun­der bekommt sie regel­mä­ßig hohe Bewer­tun­gen. Ihr Sau­vi­gnon Blanc wur­de kürz­lich auf dem Dres­de­ner Opern­ball aus­ge­schenkt. Und das Bes­te: Am Ende des Jah­res war sie regel­mä­ßig aus­ver­kauft. „Mit die­sem Erfolg hat mein Vater nicht gerech­net.“Riesling von Annette ClosheimDamit hat sie in vier Jah­ren erreicht, wozu ihr Vater vier Jahr­zehn­te brauch­te: anzu­kom­men in der Weinsze­ne, wahr­ge­nom­men zu wer­den, im Fach­han­del und in der Gas­tro­no­mie gesucht zu sein.

Feines Gespür für die neue Generation der Weintrinker

Sicher, der Erfolg hat mit der guten Qua­li­tät der Wei­ne zu tun, aber auch mit der Per­son der Jung­win­ze­rin. Cool und lei­den­schaft­lich zugleich, scheint sie ein fei­nes Gespür dafür zu besit­zen, was die jun­ge Gene­ra­ti­on der Wein­trin­ker will und was nicht. Sie will zum Bei­spiel fruch­ti­ge, fri­sche Wei­ne, aber sie will auch Mund­ge­fühl: stof­fi­ge, wei­che Tex­tu­ren. Die­se Vor­lie­be spie­gelt sich in den „anetteclosheim“-Weinen wider.

Außer­dem wol­len jun­ge Wein­trin­ker die Wei­ne zum Essen trin­ken – zu ihrem Essen: zu Sushi, Fin­ger­food, Anti­pas­ti, Fusi­on, Pas­ta, Scam­pi, Gegrill­tem, weni­ger zu Omas Schmor­bra­ten mit Tun­ke. Anet­te Clos­heim lie­fert auf ihrer Web­site pas­sen­de Rezep­te gleich mit.

Schließ­lich has­sen jun­ge Leu­te nichts mehr als wort­rei­che, umständ­li­che Erklä­run­gen. Sie wol­len unkom­pli­zier­ten Genuss. Auch Anet­te Clos­heim fin­det, dass „manch­mal zuviel gere­det wird über Wein“. An Wein müs­se man locker her­an­ge­hen, lau­tet ihr Man­tra: „Er muss schme­cken und sich selbst erklären.“

Auch Kon­rad Clos­heim ist plötz­lich angekommenDas Weingut Closheim

Auch das kön­nen ihre Wei­ne. So kommt es, dass im Hau­se Clos­heim heu­te zwei Wel­ten neben­ein­an­der exis­tie­ren: die der eher voll­mun­di­gen, mas­ku­li­nen Wei­ne von Anet­te und die fei­nen, klas­si­schen Gewäch­se von Vater Kon­rad. Bei­de sind weit­ge­hend spon­tan ver­go­ren, je nach Reb­sor­te mit mal mehr, mal weni­ger Holz­ein­satz aus­ge­baut. Sie rei­fen im glei­chen Kel­ler und ent­ste­hen in Wein­ber­gen, die von bei­den bewirt­schaf­tet werden.

Auch stimmt mitt­ler­wei­le nicht mehr, dass der Vater nur die Wei­ne für die „Nor­ma­lot­tos“ und die Toch­ter die Wei­ne für die Sterne-Gastronomie erzeugt. Zwar hat Anet­te die bes­te Lagen des Clos­heim­schen Besit­zes bekom­men. Doch ein paar gute Lagen hat der Vater für sich behal­ten: „Irgend­et­was muss ich ja auch abkriegen…“

Der Bundespräsident trinkt mit

Dort erzeugt er sei­ne SUMMARUM-Weine, die Spit­zen­ge­wäch­se. In ihnen ist bei­lei­be nicht nur Tut­ti­f­rut­ti drin. Sie sind viel­schich­tig, zei­gen teil­wei­se fei­ne Würz- und Ter­ro­irn­o­ten. Obwohl die Böden der unte­ren Nahe eher brei­te­re Wei­ne erge­ben, ist Kon­rad Clos­heims Ries­ling von den alten Reben zum Bei­spiel fein und fili­gran. Und inzwi­schen auch erfolg­reich: Er wur­de vor einem Monat auf dem Som­mer­fest des Bun­des­prä­den­ten in Schloss Bel­le­vue ausgeschenkt.

Auch mit den 2011 beson­ders gut gelun­ge­nen SUMMARUM-Grauburgunder und SUMMARUM-Chardonnay (zur Hälf­te in Bar­ri­ques aus­ge­baut) zeigt Kon­rad Clos­heim, dass er sich von sei­ner Toch­ter nicht die But­ter vom Brot neh­men las­sen will. Nur manch­mal, da wei­gert er sich, die sowie­so schon wenig tra­gen­den Reben noch wei­ter aus­zu­dün­nen, wie Anet­te es for­dert: „Es tut mir weh, gesun­de Trau­ben vom Stock zu schneiden.“

1 Kommentar

  • […] hat heu­te ihren 40sten Geburts­tag, so daß uns Vater Kon­rad durch die Wei­ne der Toch­ter führ­te und anschlie­ßend durch die Gebäu­de und den Wein­kel­ler. Er hat […]

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