Zwei schäumende Entdeckungen auf der Autochtona in Bozen

©Marco_Parisi
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Die Autochtona ist eine kleine Messe in Bozen für Weine aus einheimisch-italienischen Rebsorten. Jens Priewe hat dort zwei schäumende Weine entdeckt, die er auf großen Messen vermutlich nie gefunden hätte.

Jedes Jahr fin­det in Bozen eine klei­ne Wein­mes­se statt. Sie heißt Auto­ch­to­na. Der Name ist Pro­gramm. Es geht um Wei­ne aus autochthon-italienischen Reb­sor­ten. Also alles außer Char­don­nay, Sau­vi­gnon, Vio­gnier, Mer­lot, Syrah, Caber­net Sau­vi­gon, Caber­net franc und so wei­ter. Die­ses Jahr waren unge­fähr 60 Wein­gü­ter in die Mes­se­hal­len nach Süd­ti­rol gekom­men, um ihre Wei­ne zu prä­sen­tie­ren. Das Spek­trum reich­te von Aglia­ni­co aus der Basi­li­ka­ta bis zu Zibbi­bo von der Insel Pan­tel­le­ria. Viel Inter­es­san­tes war dabei, aber auch viel Durch­schnitt­li­ches, manch Frag­wür­di­ges, eini­ges Dilet­tan­ti­sche. Aber etwas Außer­ge­wöhn­li­ches habe ich auch ent­deckt: zwei schäu­men­de Wei­ne, die nicht nur gut, son­dern auch span­nend sind, weil sie neue, unge­wöhn­li­che Geschmacks­ho­ri­zon­te eröff­nen und zei­gen, dass die Ita­lie­ner sich nicht auf ver­gan­ge­nem Lor­beer aus­ru­hen. Wei­ne, denen ich ohne den Besuch der Auto­ch­to­na wahr­schein­lich nie begeg­net wäre, weil sie von klei­nen Wein­gü­tern kom­men, die in kei­nem der gro­ßen Wein­füh­rer gelis­tet sind, einen ent­spre­chend gerin­gen Bekannt­heits­grad haben und über loka­le Bedeu­tung nicht hin­aus­kom­men. Bei­de ste­hen für eine neue Gene­ra­ti­on von bol­li­ci­ne (wie die Ita­lie­ner per­len­de und schäu­men­de Wei­ne nen­nen). Sie wer­den in der Fla­sche ver­go­ren, aber nicht nach der métho­de clas­si­que (also der Cham­pa­gner­me­tho­de), son­dern nach der métho­de ances­tra­le, einer etwas aus der Mode gekom­me­nen, ursprüng­lich bäu­er­li­chen Metho­de der Ver­sek­tung, bei der der Wein nach der Fla­schen­gä­rung nicht deg­or­gi­ert wird, die Hefe also in der Fla­sche bleibt und der Wein daher trüb bleibt.

2015 Cuprense 22, Vino Spumante

Cuprense 22

Der Cup­ren­se 22 ist so ein Schaum­wein. Unge­wöhn­lich an ihm ist erst ein­mal der Name. Er steht für die Stra­da Pro­vin­cia­le Cup­ren­se, an der sich das Wein­gut Fon­tor­fio befin­det. Genau: bei Kilo­me­ter 22 nahe des mit­tel­ter­li­chen Dörf­chen Cos­signa­no. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Wir sind in der Regi­on Mar­ken, im Hin­ter­land der Adria­strän­de bei San Bene­det­to Tor­re. Cup­ren­se ist also schlicht das Land­sträß­lein, an dem das Wein­gut liegt. Unge­wöhn­lich ist auch der Geschmack: kno­chen­tro­cken, cre­mig, nach frisch geba­cke­nem Brot und Aus­tern schme­ckend. Klingt komisch, schmeckt aber unge­mein gut.

Unge­wöhn­lich ist schließ­lich das Aus­se­hen: Der schäu­men­de Wein ist näm­lich nicht klar, son­dern deut­lich trüb. Er hat lan­ge auf der Hefe in der Fla­sche gele­gen. „Sur lie“ wür­den die Fran­zo­sen sagen. Die Hefe wur­de nicht, wie beim Cham­pa­gner, in den Fla­schen­hals bug­siert, schock­ge­fros­tet und durch Dég­or­ge­ment ent­fernt. Sie wur­de im Wein belas­sen. Métho­de ances­tra­le heißt die­se Art der Ver­sek­tung, die frü­her bei den meis­ten bäu­er­li­chen Cham­pa­gnern ange­wen­det wur­de und heu­te bei vie­len deut­schen Win­zer­sek­ten wie­der zum Leben erweckt wird. Die Metho­de hat einen Vor­teil: der Wein ist fri­scher, „bro­ti­ger“ als her­kömm­lich fla­schen­ver­go­re­ne Schaum­wei­ne. Und er ist gänz­lich unge­schwe­felt. Die Fla­sche wird nach den 18 Mona­ten, die der Wein dar­in auf der Hefe liegt, nicht mehr geöff­net. Es kann ihm folg­lich weder SO2 noch Dosa­ge hin­zu­ge­fügt wer­den. Daher der kno­chen­tro­cke­ne Geschmack.

Zuge­ge­ben: kein Schäu­mer für pip­pi­ge Fin­ger­na­gel­stu­dio­mä­dels. Der gänz­lich unge­süß­te Wein wür­de sie ver­mut­lich ver­stö­ren. Aber man muss umge­kehrt auch kein Exzen­tri­ker sein, um den Cup­ren­se 22 zu mögen. Trinkt man ihn zu einer Maki Roll oder zu Sas­hi­mi, merkt man sofort, wie gut er ist. Noch bes­ser schmeckt er zu Spa­ghet­ti alle Von­go­le. Die Trau­ben­sor­ten, aus denen er gewon­nen ist, hei­ßen Pas­se­ri­na, Peco­ri­no und Mon­te­pul­cia­no. Es sind die typi­schen Reb­sor­ten der süd­li­chen Mar­ken. Letz­te­re ist rot, wird aber zu Weiß­wein gekel­tert. Mit 12 Vol.% ist der Cup­ren­se 22 rela­tiv leicht. Er ist nur schwer zu bekom­men. Kein Mensch impor­tiert ihn bis jetzt nach Deutsch­land. Man muss also schon zu Igi­no Brut­ti, dem Win­zer, in die Mar­ken, genau: in die Via Cup­ren­se fah­ren, um sich ein paar Fla­schen zu besor­gen, wobei Eile gebo­ten ist. Denn die guten Fisch­re­stau­rants an der Adria, nur 18 Kilo­me­ter ent­fernt, haben Igi­no Brut­tis Wei­ne längst auf der Lis­te, und der Cup­ren­se 22 ist immer als ers­ter aus­ver­kauft. Brut­ti ist eigent­lich IT-Experte. Aber Wein ist für ihn tau­send­mal span­nen­der als die Com­pu­te­rei. Das alte Wein­gut sei­ner Fami­lie hat er wie­der her­ge­rich­tet und zwei Hekt­ar bereits mit Reben bepflanzt. Nicht viel, aber ein Anfang. Ein viel versprechender.

Bezugs­quel­le: Preis: 13,90 Euro (im Wein­ge­schäft in Ita­li­en), bei Igi­no Brut­ti im Wein­gut unter zehn Euro

Fondante Ganzo, Cima del Pomer

Ganzo

Der Fond­an­te Gan­zo ist ein Schaum­wein aus der Prosecco-Traube Glera. Doch er kommt nicht als Pro­sec­co auf den Markt, son­dern als ein­fa­cher Vino Spu­man­te, als schäu­men­der Wein. Tat­säch­lich ist der Gan­zo, wie er ver­kür­zend genannt wird, ein Spu­man­te, wie es ihn in die­ser Qua­li­tät als Pro­sec­co prak­tisch nir­gend­wo gibt (auch nicht als Pro­sec­co Supe­rio­re, der D.O.C.G.-Version des Pro­sec­co). Denn er ist fla­schen­ver­go­ren und nicht, wie ein Pro­sec­co, nach der Charmat-Methode im gro­ßen Edel­stahl­tank ver­sek­tet. Mehr noch: Die Fla­sche, in der die zwei­te Gärung statt­fin­det, wird nicht wie­der geöff­net. Der Wein wird also nicht ent­heft (deg­or­gi­ert). Er ist folg­lich leicht trüb. Das hat Fol­gen: Der Gan­zo zeigt das gesam­te Aro­men­spek­trum eines Weins, der 24 Mona­te Hefe­kon­takt hat­te. Die Aro­men, mit denen er spielt, rei­chen von Brio­che bis zu Schieß­pul­ver. Natür­lich ist der Gan­zo des­we­gen kein Cham­pa­gner. Die Blüten- und Bir­nen­aro­men, die für einen Pro­sec­co typisch sind, schmeckt man bei ihm durch. Aber die fei­ne Per­la­ge, die sta­bi­le Mousse und die Cre­mig­keit sind ähn­lich aus­ge­prägt. Ales­san­dra Vegro Amista­ni, die das Wein­gut Cima del Pomer in dem Städt­chen Mont­e­bel­lu­no zusam­men mit ihrem Mann lei­tet, ser­viert ihn nicht nur zu Sopres­sa (der vene­zia­ni­schen Sala­mi) und zu San Danie­le Schin­ken, den bei­den klas­si­schen Anti­pas­ti des Vene­to. Sie lässt ihn auch zu frit­tier­ten Mee­res­früch­ten, Scampi-Pasta oder zu einem Kür­bis­ri­sot­to aus­schen­ken. Dass der Wein trüb wie ein Wei­zen­bier ist, stört sie und ihre Gäs­te nicht. Cima del Pomer, das Wein­gut, pro­du­ziert 35 000 Fla­schen ins­ge­samt, dar­un­ter auch „nor­ma­le“ Pro­sec­co. In Deutsch­land ist kei­ner der Wei­ne erhält­lich. Eigent­lich scha­de. Aber viel­leicht hat der eine oder ande­re mal Lust, das Wein­gut zu besu­chen. In Mont­e­bellu­na hat Cima del Pomer einen Wein­shop, in dem man den Wein ver­kos­ten und kau­fen kann. Ein paar Kilo­me­ter wei­ter ver­mie­tet die Win­ze­rin an Gäs­te eine luxu­ri­ös ein­ge­rich­te­te Vil­la mit drei Schlaf­zim­mern und einem Pool. Die Vil­la steht inmit­ten der Wein­ber­ge, und man lebt dort wie die Dogen einst im nahen Vene­dig. Von der Vil­la aus erblickt man übri­gens auch einen Hügel mit einem wun­der­schö­nen Apfel­baum auf der Spit­ze: Cima del Pomer im vene­zia­ni­schen Dialekt.

Bezugs­quel­le: Preis: 15 Euro (im Wein­shop in Montebelluna).

1 Kommentar

  • Inter­es­sant, dan­ke für den Bericht!

    Im letz­ten Absatz schei­nen sich ein paar klei­ne Schreib­feh­ler ein­ge­schli­chen zu haben:

    – es müss­te “D.O.C.G.” statt “D.O.G.G.” heissen,
    – sowie “Sopres­sa” (mit einem P) statt “Sor­pres­sa”,
    – der Orts­na­me ist “Mont­e­bellu­na”, nicht “Mont­e­bel­lu­no”, bei­de Schreib­wei­sen kom­men vor.

    Freund­li­che Grüße

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