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Reden wir doch mal über … Prosecco

Über ein Jahr gibt es Weinkenner.de nun schon, und noch nie ist ein Wort über den Prosecco gefallen. Schluss damit! Jetzt ist Sommer, jetzt ist Prosecco-Zeit. Echte Weinsnobs legen zwar wenig Wert darauf, von diesem Prickler bespaßt zu werden. Aber vielleicht ändert sich das, wenn sie diese Zeilen gelesen haben. Jens Priewe legt ihnen nämlich keinen Prosecco für 1,99 Euro an Herz, sondern einen für 11,50 Euro.  

Nino Franco Rustico TeaserErste klärende Bemerkung: Der Rustico von Nino Franco ist kein Frizzante, sondern ein Schaumwein. Er perlt nicht lau vor sich hin. Er entwickelt eine  richtige Mousse. So etwas kann nur ein Wein, der von Natur aus eine gewisse Substanz mitbringt. Diese Voraussetzung erfüllt dieser Prosecco.

Zweite sehr wichtige Bemerkung: Diesem Prosecco liegt ein Weißwein zugrunde, der für sich genommen schon ein beachtliches Niveau aufweist. Obgleich es der einfachste Prosecco im Sortiment von Nino Franco ist und er nicht aus der historischen Kernzone dieses Weins kommt, sondern aus der erweiterten DOC-Zone von den benachbarten Hügeln um die Stadt Treviso, hat er geschmacklich alles, was ein Prosecco aus der DOCG-Zone von Valdobbiadene auch hat: Birne, Litschi, Grapefruitschale. Logisch: nahezu gleiche Böden, das frische Klima, dieselbe Rebsorte Glera (früher Prosecco genannt).

Prosecco-DrahtkorbDritte notwendige Bemerkung: Der Gesetzgeber hat die Erträge, die in der DOC Treviso geerntet werden dürfen, in weiser Voraussicht auf maximal 13.500 Kilogramm Trauben pro Hektar beschränkt. Die Einhaltung der Vorschriften wird neuerdings gnadenlos kontrolliert. Der Gesetzgeber kennt die Hemdsärmeligkeit der mächtigen italienischen Weinindustrie.

Vierte erfreuliche Bemerkung: Nino Franco besitzt eigene Weinberge. Er ist in erster Linie Winzer. Und er kontrolliert die Qualität von der Traube bis zum Glas.

Fünfte erstaunliche Bemerkung: Die italienischen Weinführer haben sich erst in den letzten Jahren herabgelassen, Prosecco zu testen. Ihre Mitarbeiter haben nie begriffen, was das Ausland an diesem Wein schätzt. Erst als der Amerikaner Robert Parker begann, Punkte für Prosecco zu vergeben, stieg der Wein auch in der Achtung der italienischen Kritiker. Übrigens: Dem Rustico hat Antonio Gallioni, Parkers Tester für Italien, 88 Prunkte gegeben.

Prosecco-KorkenSechste  ärgerliche Bemerkung: Als Schaumwein unterliegt dieser Prosecco wie jeder Sekt, Cava, Champagner etc. der deutschen Schaumweinsteuer. Die liegt derzeit bei 1,36 Euro pro Liter. Für eine 0,75-Literflasche wird er dadurch um 1,02 Euro teurer.

Siebte böse Bemerkung: Wem dieser Prosecco nicht schmeckt oder zu billig ist, kann es mit Nino Francos Lagen-Prosecco (Pardon: die offizielle Bezeichnung heißt Valdobbiadene DOCG) Rive di San Floriano versuchen, muss dann aber noch etwa 3 Euro drauflegen. Oder mit dem Grave di Stecca, für den Primo Franco (so der Name des heutigen Inhabers) erstmals die 3 Gläser vom Gambero Rosso bekommen hat. Aber diesen Wein nach Deutschland zu exportieren, hat er sich erspart. Beim Prosecco traut er den Deutschen nicht. Er zweifelt, ob sie das Bessere vom Guten unterscheiden können. Oder genauer: wollen.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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