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Xinomavro first: die stille Renaissance des griechischen Weins

Als Weinnation steht Griechenland abseits der grossen Player im Weinbusiness. Doch gäbe es ein Oszillogramm des Weinmarktes, würde schnell deutlich werden, dass es in der Abteilung Griechenland auffällig viele Ausschläge nach oben gibt. Übersetzt heisst das: Es kommen immer mehr gute bis sehr gute Weine aus dem Mittelmeer-Anrainerland. Weine, die sich auf Augenhöhe mit gehobenen Qualitäten aus Frankreich, Italien und Spanien befinden. Vorerst sind es nur wenige neugierige Sommeliers und eine Handvoll Journalisten, die die stille Renaissance des griechischen Weins registriert haben. Aber ihre Zahl nimmt zu. Wer die neuen griechischen Weine probiert, schmeckt schnell heraus, dass sie keine angestrengten Kopien der Weine anderer Länder sind, sondern eine grosse Eigenständigkeit besitzen – zumindest die besseren.

Hedgehog – weit mehr als nur ein Einstiegswein

Auf zwei dieser Weine, die ich in den letzten Tagen getrunken habe, trifft dies hundertprozentig zu. Sie haben dafür gesorgt, dass ich den Rebsortennamen Xinomavro so schnell nicht mehr vergesse. Das Weingut, aus dem sie kommen, heiß Alpha Estate. Es unterteilt seine Weine in „Premium“, „Super Premium“ und „Ultra Premium“. Die erste Flasche, die ich entkorke, ist „Premium“ – also einer der Einstiegsweine. Es ist ein Xinomavro und kostet in Deutschland unter zehn Euro. Auf dem Etikett lese ich, dass die Trauben für diesen Wein aus einer Einzellage kommen, die für die Xinomavro-Rebe optimal geeignet ist. Hedgehog heißt sie, was auf Griechisch „Igel“ bedeutet. Offenbar leben in dem Weinberge viele dieser Stacheltiere.

Ich habe den Jahrgang 2012 vor mir im Glas. Das Bukett dieses Weins ist kräftig, ohne überladen zu sein. Dezent rieche ich das Holz, außerdem Noten verschiedener dunkelroter Früchte, Amarena-Kirsche, Lakritz und Rosenblüten – letzteres ein typisches Duftelement von Xinomavro-Weinen, wie ich gelesen habe. Am Gaumen offenbart sich der Hedgehog warm und vollmundig. Das Tannin ist weich und süß. Mit 14 Vol.% ist der Alkohol recht hoch, aber gut eingebunden. Säure hat der Wein trotzdem, und zwar reichlich. Mit 6 Gramm/Liter liegt er im oberen Drittel dessen, was für Rotweine üblich ist. Für den Einstieg ist das definitiv schon ein toller Wein. Ganz zu schweigen vom Preis.

Durchschnittlich 90 Jahre alt sind die Reben

Zur zweiten Flasche. Die macht schon mit ihrem enormen Gewicht klar, wohin die Reise gehen soll – ins Segment „Ultra Premium“. Der Wein heißt Reserve Vieilles Vignes, ist auch reinsortig aus Xinomavro-Trauben gekeltert und wurde unfiltriert abgefüllt. Jahrgang: ebenfalls 2012. Schon in der Nase ist klar, dass hier ein höherer Anspruch herrscht als beim Hedgehog: tiefer, dunkler und voller sind die Aromen, haben auch Ausschläge ins vegetabile, dazu wieder der charakteristische Rosenduft. Fachleute erkennen deshalb bei Xinomavro-Weinen manchmal Ähnlichkeiten mit dem Barolo. Am Gaumen zeigt die Reserve Vieilles Vignes jedenfalls viel Struktur. Das Tannin ist süß und reichlich vorhanden, die Säure ähnlich markant wie bei dem piemontesischen Pendant. Das Schöne: Der Wein kostet einen Bruchteil eines Barolo: nämlich rund 15,90 Euro.

Alpha Estate in Amyndeon

Natürlich ist das mit den „alten Reben“ ist so eine Sache. Geschützt ist der Begriff nicht, im Prinzip kann jeder Winzer Vieilles Vignes auf die Flasche schreiben, wenn er Lust dazu hat. Meist gelten Reben ab 25 Jahren als alt. In dem Fall des Alpha-Weins aber sind die Rebstöcke tatsächlich schon vor 90 Jahren gepflanzt worden. Entsprechend wenige Trauben hängen im Herbst an ihnen. Der Ertrag liegt bei bescheidenen 26 Hektolitern pro Hektar. Ausgebaut wird der Wein 24 Monate in französischen Barriques, danach reift er noch ein Jahr auf der Flasche nach.

Amyndeon ist das kühlste Anbaugebiet Griechenlands

Alpha Estate – das Weingut, von dem diese beiden Weine stammen – ist ein relativ junger Betrieb. 1997 gründeten ihn der Winzer Makis Mavridis und der Önologe Angelos Iatridis. Die beiden hatten davor schon viele Jahre Erfahrung mit dem Weinbau in Griechenland gesammelt. Nun suchten sie den perfekten Platz für eine Neugründung. Sie fanden ihn ganz im Norden des Landes in der Region Amyndeon auf einer Höhe zwischen 630 und 700 Metern. „Wir haben die Gegend ausgesucht wegen der recht kargen und sandigen Böden“, sagt Mavridis. Und wegen des Klimas: „Amyndeon ist das kühlste Anbaugebiet Griechenlands.“

Rund 87 Hektar bewirtschaften die beiden inzwischen. Neben Xinomavro bauen sie auch internationale Sorten an. Aber die Xinomavro ist die älteste und angestammte Sorte der Gegend. Xinomavro heisst übersetzt „saurer Schwarzer“. Sauer war der Wein in früheren Zeiten. Deswegen wollte ihn ausserhalb Griechenlands auch niemand trinken. Entsprechend stark ging der Anbau dieser Rebe zurück. Mit dem Know how von heute wissen die Winzer, dass sie viel stärker auf die physiologische Reife der Trauben achten müssen, um gute Qualitäten zu bekommen. Folge: Die Sorte wird wieder vermehrt angebaut, nicht nur in Amyndeon. Xinomavro – das ist eines der Rotwein-Pfunde, mit denen Griechenland wuchern kann.

Übrigens: Wenn Sie mehr über das Weinland Griechenland wissen möchten, empfehle ich Ihnen eine äusserst kompetente Broschüre, die Konstantinos Lazarakis verfasst hat, der erste griechische MW (Master of Wine) des Landes. Sie können sie als Flip book im Internet lesen.

 

Die Weine

2012 Xinomavro Single Vineyard Hedgehog, Alpha Estate

Preis: 9,64 Euro

Bezug: www.atlas-feinkoste.de

 

2012 Xinomavro Reserve Vielles Vignes, Alpha Estate

Preis: 15,90 Euro

Bezug: www.atlas-feinkost.de

 

 

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1 Kommentar

  1. Man kann jedes Wort unterstreichen. Was Makis Mavridis und Angelos Iatridis mit Alpha Estate auf den Weg gebracht haben, ist eine gar nicht so kleine Sensation. Ich war vor ein paar Jahren dort und von der Hingabe und Präzision mit der die beiden arbeiten beeindruckt. Und die Art, mit der modernste Technik zu nichts anderem genutzt wird, als im Weinberg optimales Lesegut zu erreichen, und anschließend im Keller daran nichts zu “machen”, sondern mit Blick für all die kleinen “Schräubchen” behutsam dafür zu sorgen, dass von den gewachsenen Qualitäten möglichst nichts verlorengeht, macht einfach Spaß.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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