Xinomavro first: die stille Renaissance des griechischen Weins

Unser Autor Patrick Hemminger hat zwei besondere Rotweine aus Griechenland getrunken. Sie kommen von alten Reben und gehören zur neuen Generation griechischer Weine, die hohen Ansprüchen genügen, aber vollkommen eigenständig sind – und echte Schnäppchen.

Als Wein­na­ti­on steht Grie­chen­land abseits der gros­sen Play­er im Wein­busi­ness. Doch gäbe es ein Oszil­lo­gramm des Wein­mark­tes, wür­de schnell deut­lich wer­den, dass es in der Abtei­lung Grie­chen­land auf­fäl­lig vie­le Aus­schlä­ge nach oben gibt. Über­setzt heisst das: Es kom­men immer mehr gute bis sehr gute Wei­ne aus dem Mittelmeer-Anrainerland. Wei­ne, die sich auf Augen­hö­he mit geho­be­nen Qua­li­tä­ten aus Frank­reich, Ita­li­en und Spa­ni­en befin­den. Vor­erst sind es nur weni­ge neu­gie­ri­ge Som­me­liers und eine Hand­voll Jour­na­lis­ten, die die stil­le Renais­sance des grie­chi­schen Weins regis­triert haben. Aber ihre Zahl nimmt zu. Wer die neu­en grie­chi­schen Wei­ne pro­biert, schmeckt schnell her­aus, dass sie kei­ne ange­streng­ten Kopien der Wei­ne ande­rer Län­der sind, son­dern eine gros­se Eigen­stän­dig­keit besit­zen – zumin­dest die besseren.

Hedgehog – weit mehr als nur ein Einstiegswein

Auf zwei die­ser Wei­ne, die ich in den letz­ten Tagen getrun­ken habe, trifft dies hun­dert­pro­zen­tig zu. Sie haben dafür gesorgt, dass ich den Reb­sor­ten­na­men Xino­mav­ro so schnell nicht mehr ver­ges­se. Das Wein­gut, aus dem sie kom­men, heiß Alpha Estate. Es unter­teilt sei­ne Wei­ne in „Pre­mi­um“, „Super Pre­mi­um“ und „Ultra Pre­mi­um“. Die ers­te Fla­sche, die ich ent­kor­ke, ist „Pre­mi­um“ – also einer der Ein­stiegs­wei­ne. Es ist ein Xino­mav­ro und kos­tet in Deutsch­land unter zehn Euro. Auf dem Eti­kett lese ich, dass die Trau­ben für die­sen Wein aus einer Ein­zel­la­ge kom­men, die für die Xinomavro-Rebe opti­mal geeig­net ist. Hedge­hog heißt sie, was auf Grie­chisch „Igel“ bedeu­tet. Offen­bar leben in dem Wein­ber­ge vie­le die­ser Stacheltiere.

Ich habe den Jahr­gang 2012 vor mir im Glas. Das Bukett die­ses Weins ist kräf­tig, ohne überladen zu sein. Dezent rie­che ich das Holz, außer­dem Noten ver­schie­de­ner dun­kel­ro­ter Früchte, Amarena-Kirsche, Lakritz und Rosen­blü­ten – letz­te­res ein typi­sches Duf­t­ele­ment von Xinomavro-Weinen, wie ich gele­sen habe. Am Gau­men offen­bart sich der Hedge­hog warm und voll­mun­dig. Das Tan­nin ist weich und süß. Mit 14 Vol.% ist der Alko­hol recht hoch, aber gut ein­ge­bun­den. Säu­re hat der Wein trotz­dem, und zwar reich­lich. Mit 6 Gramm/Liter liegt er im obe­ren Drit­tel des­sen, was für Rot­wei­ne üblich ist. Für den Ein­stieg ist das defi­ni­tiv schon ein tol­ler Wein. Ganz zu schwei­gen vom Preis.

Durchschnittlich 90 Jahre alt sind die Reben

Zur zwei­ten Fla­sche. Die macht schon mit ihrem enor­men Gewicht klar, wohin die Rei­se gehen soll – ins Seg­ment „Ultra Pre­mi­um“. Der Wein heißt Reser­ve Vieil­les Vignes, ist auch rein­sor­tig aus Xinomavro-Trauben gekel­tert und wur­de unfil­triert abgefüllt. Jahr­gang: eben­falls 2012. Schon in der Nase ist klar, dass hier ein höhe­rer Anspruch herrscht als beim Hedge­hog: tie­fer, dunk­ler und vol­ler sind die Aro­men, haben auch Aus­schlä­ge ins vege­ta­bi­le, dazu wie­der der cha­rak­te­ris­ti­sche Rosen­duft. Fach­leu­te erken­nen des­halb bei Xinomavro-Weinen manch­mal Ähn­lich­kei­ten mit dem Baro­lo. Am Gau­men zeigt die Reser­ve Vieil­les Vignes jeden­falls viel Struk­tur. Das Tan­nin ist süß und reich­lich vor­han­den, die Säu­re ähn­lich mar­kant wie bei dem pie­mon­te­si­schen Pen­dant. Das Schö­ne: Der Wein kos­tet einen Bruch­teil eines Baro­lo: näm­lich rund 15,90 Euro.

Alpha Estate in Amyndeon

Natür­lich ist das mit den „alten Reben“ ist so eine Sache. Geschützt ist der Begriff nicht, im Prin­zip kann jeder Win­zer Vieil­les Vignes auf die Fla­sche schrei­ben, wenn er Lust dazu hat. Meist gel­ten Reben ab 25 Jah­ren als alt. In dem Fall des Alpha-Weins aber sind die Reb­stö­cke tat­säch­lich schon vor 90 Jah­ren gepflanzt wor­den. Ent­spre­chend weni­ge Trau­ben hän­gen im Herbst an ihnen. Der Ertrag liegt bei beschei­de­nen 26 Hek­to­li­tern pro Hekt­ar. Aus­ge­baut wird der Wein 24 Mona­te in fran­zö­si­schen Bar­ri­ques, danach reift er noch ein Jahr auf der Fla­sche nach.

Amyndeon ist das kühlste Anbaugebiet Griechenlands

Alpha Estate – das Wein­gut, von dem die­se bei­den Wei­ne stam­men – ist ein rela­tiv jun­ger Betrieb. 1997 gründeten ihn der Win­zer Makis Mavri­dis und der Öno­lo­ge Ange­los Iatri­dis. Die bei­den hat­ten davor schon vie­le Jah­re Erfah­rung mit dem Wein­bau in Grie­chen­land gesam­melt. Nun such­ten sie den per­fek­ten Platz für eine Neugründung. Sie fan­den ihn ganz im Nor­den des Lan­des in der Regi­on Amyn­de­on auf einer Höhe zwi­schen 630 und 700 Metern. „Wir haben die Gegend aus­ge­sucht wegen der recht kar­gen und san­di­gen Böden“, sagt Mavri­dis. Und wegen des Kli­mas: „Amyn­de­on ist das kühls­te Anbau­ge­biet Griechenlands.“

Rund 87 Hekt­ar bewirt­schaf­ten die bei­den inzwi­schen. Neben Xino­mav­ro bau­en sie auch inter­na­tio­na­le Sor­ten an. Aber die Xino­mav­ro ist die ältes­te und ange­stamm­te Sor­te der Gegend. Xino­mav­ro heisst übersetzt „sau­rer Schwar­zer“. Sau­er war der Wein in frü­he­ren Zei­ten. Des­we­gen woll­te ihn aus­ser­halb Grie­chen­lands auch nie­mand trin­ken. Ent­spre­chend stark ging der Anbau die­ser Rebe zurück. Mit dem Know how von heu­te wis­sen die Win­zer, dass sie viel stär­ker auf die phy­sio­lo­gi­sche Rei­fe der Trau­ben ach­ten müs­sen, um gute Qua­li­tä­ten zu bekom­men. Fol­ge: Die Sor­te wird wie­der ver­mehrt ange­baut, nicht nur in Amyn­de­on. Xino­mav­ro – das ist eines der Rotwein-Pfunde, mit denen Grie­chen­land wuchern kann.

Übri­gens: Wenn Sie mehr über das Wein­land Grie­chen­land wis­sen möch­ten, emp­feh­le ich Ihnen eine äus­serst kom­pe­ten­te Bro­schü­re, die Kon­stan­ti­nos Laza­ra­kis ver­fasst hat, der ers­te grie­chi­sche MW (Mas­ter of Wine) des Lan­des. Sie kön­nen sie als Flip book im Inter­net lesen.

 

Die Weine

2012 Xino­mav­ro Sin­gle Viney­ard Hedge­hog, Alpha Estate

Preis: 9,64 Euro

Bezug: www.atlas-feinkoste.de

 

2012 Xino­mav­ro Reser­ve Viel­les Vignes, Alpha Estate

Preis: 15,90 Euro

Bezug: www.atlas-feinkost.de

 

 

1 Kommentar

  • Man kann jedes Wort unter­strei­chen. Was Makis Mavri­dis und Ange­los Iatri­dis mit Alpha Estate auf den Weg gebracht haben, ist eine gar nicht so klei­ne Sen­sa­ti­on. Ich war vor ein paar Jah­ren dort und von der Hin­ga­be und Prä­zi­si­on mit der die bei­den arbei­ten beein­druckt. Und die Art, mit der moderns­te Tech­nik zu nichts ande­rem genutzt wird, als im Wein­berg opti­ma­les Lese­gut zu errei­chen, und anschlie­ßend im Kel­ler dar­an nichts zu “machen”, son­dern mit Blick für all die klei­nen “Schräub­chen” behut­sam dafür zu sor­gen, dass von den gewach­se­nen Qua­li­tä­ten mög­lichst nichts ver­lo­ren­geht, macht ein­fach Spaß.

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