Start WineHappens Portrait Würzburger Stein – Grand Cru für Silvaner, Riesling und …?

Würzburger Stein – Grand Cru für Silvaner, Riesling und …?

1
Artikelbild Würzburger Stein

Selten hat man die Qualität der fränkischen Weine so gut erlebt wie beim Jahrgang 2014. Die Silvaner und Rieslinge vom Main sind von einer Aromentiefe und Spannbreite, wie es sie lange nicht gegeben hat.

Besonders gut gelungen sind die Weine vom Würzburger Stein, diesem langgezogenen, bananenförmigen Hang, der gleich hinter dem Würzburger Hauptbahnhof beginnt und sich über drei Kilometer gen Westen parallel zum Main hinzieht. Eine Muschelkalk-Lage, 200 Millionen Jahre alt, unter der dünnen Humusschicht sehr steinig, entsprechend warm, zusätzlich nach Süden ausgerichtet. Die hohe Wertschätzung, die die Lage schon vor mehreren Jahrhunderten genoss, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die Trauben dort sicherer ausreifen konnten als in vielen anderen Gegenden Frankens. Oder anders ausgedrückt: Die Stein-Weine waren weniger sauer.

Die Filetstücke sind als Große Lagen klassifiziert

Mit der Klimaerwärmung und den neuen Anbaumethoden ist dieser Standortvorteil irrelevant geworden. Was die Lage Stein heute von anderen, gewöhnlichen Lagen unterscheidet, ist die besondere Prägung, die sie den Weinen mitgibt: eine feine Mineralität.

BürgerspitalDer Würzburger Stein ist von der Ausdehnung her eine der größten Lagen in Deutschland. Sie umfasst 71 Hektar. 95 Prozent davon befinden sich im Besitz der drei großen Würzburger Güter: Bürgerspital, Juliusspital, Staatlicher Hofkeller. Die Filetstücke des Stein sind vom VDP als Große Lage klassifiziert worden. Dort dürfen aus den Rebsorten Riesling, Silvaner und Weißburgunder Große Gewächse erzeugt werden – das beste, was Deutschland an Wein zu bieten hat, und das langlebigste.

Anfang Februar hatten die drei Güter zur großen Stein-Weinprobe nach Würzburg geladen. Zwei Dutzend Journalisten, lokal und überregional, sollten überprüfen, wie es mit der Qualität der Stein-Weine aussieht und ob es eine Typizität gibt. Beginnen wir mit dem Silvaner. Die 2014er sind, wie wir auf weinkenner.de schon im September letzten Jahres geschrieben hatten, „Paukenschlagweine“. Das gilt nicht nur für die Großen Gewächse, sondern auch für die Erste Lage, eine VDP-Kategorie, die den kleinen Spätlesen von früher entspricht. Preislich ausgedrückt: die 10- bis 13-Euro-Weine.

2014er Silvaner – zu jung zum Trinken

JuliusspitalFangen wir mit den Silvanern an. Die Ersten Gewächse aller drei Güter sind derzeit wenig attraktiv. Sie sind weitgehend noch von ihren Primäraromen geprägt. Mineralisch-würzig der Silvaner vom Hofkeller (im Holzfass ausgebaut), salzig-schmelzig der Wein vom Juliusspital, extrem dicht und filigran der Bürgerspital-Silvaner (im großen Holzfass vergoren und lange auf der Feinhefe gelegen) – kleine Große Gewächse alle drei. Wer sie jetzt trinkt, schmeißt sein Geld zum Fenster raus. Kaum etwas spürt man von den Stein-Feinheiten, die in den Weinen stecken. Eine gewissen Salzigkeit: ja, Säure ebenfalls, aber keine „erdigen“ Noten, wie man sie dem Silvaner früher nachsagte. Auch Frucht vermisst man in diesen Weinen. Wie lange man warten muss, bis es sich lohnt, eine Flasche zu öffnen, weiß ich nicht. Hängt auch davon ab, wie viel Frische man braucht und wie viel Reifearoma man haben möchte.

 

Hofkeller hat wieder „Wasser unter dem Kiel“

Robert Haller, Bürgerspital

Gleiches gilt für die Großen Gewächse (GG). Der Silvaner vom Hofkeller ist wieder sehr würzig, dabei schmelzig und mit sehr breiten Schultern – ein Wein wie aus einem Guss. Das im Besitz des Freistaats Bayern befindliche Weingut hat nach einer langen Schwächephase jetzt wieder „Wasser unter dem Kiel“. Michael Jansen, der Weingutsdirektor gibt zu: „Wir treiben einen Aufwand wie nie vorher. Wir lesen in mehreren Durchgängen, wir selektieren, wir sind skrupulöser bei der Auswahl der Partien für unsere Top-Weine.“

Noch heller strahlend das GG des Bürgerspitals. Das Weingut feiert in diesem Jahr seinen 700-jährigen Geburtstag und hat einen „Jubiläumswein“ vom Würzburger Stein ausgebracht. Früher wäre dieser Silvaner behäbig und breit ausgefallen, jetzt ist er schlank und ungeheuer dicht. Robert Haller, der Gutsdirektor, beschreibt die neue Silvaner-Stilistik mit drei Worten: „Frische, Kraft, Eleganz“ (siehe auch das weinkenner.de-Interview mit Haller). An diesem Wein lässt sich auch die Frage beantworten, wann man ein GG vom Silvaner sinnvoll trinken kann: noch lange nicht. Völlig verschlossen ist der „Jubiläumswein“ derzeit.

Das Juliusspital – größter Silvaner-Erzeuger im Stein

Horst Kolesch, JuliusspitalDas Juliusspital wird sein Silvaner GG vom Stein erst Mitte dieses Jahres auf den Markt bringen. Statt des 2014ers verkosteten wir deshalb den 2011er: ein vergleichsweise leichter Wein, saftig, dicht gewoben, ohne Schwere. „Wir pflegen den saftigen Stil“, erklärt Horst Kolesch, Betriebsleiter des Juliusspitals. An diesem Silvaner aus einem mittelmäßigen Jahrgang zeigt sich, wie groß die 2014er sind: der Unterschied ist kolossal. Dabei ist das Juliusspital der große Silvaner-Spezialist in Franken. 43 Prozent seiner Rebfläche ist mit dieser Sorte bestockt. Auch im Stein ist er der größte Silvaner-Anbauer.

Eine persönliche Anmerkung: Würde ich mir privat ein paar Bocksbeutel in den Keller legen wollen, entschiede ich mich vermutlich für die Weine von den Ersten Lagen. In 2014 sind sie nur einen Wimpernschlag von den GG entfernt, kosten aber weniger als die Hälfte.

Frankens Riesling so gut wie der Pfälzer?

Am Würzburger Stein steht natürlich auch Riesling. Er ist nach dem Silvaner die zweithäufigste Rebsorte in dieser Lage. Gegen die geballte Macht der Mosel-, Nahe-, Pfalz-Rieslinge haben es die fränkischen Rieslinge schwer, zumindest in der öffentlichen Weinmeinung. Kolesch gibt das unumwunden zu. Aber er glaubt, dass der Riesling in den Spitzenlagen Frankens durchaus auf Augenhöhe mit denen anderer Anbaugebiete sein kann.

Bürgerspital Würzburger Stein„Immer finessenreich, nie opulent, präzise“ beschreibt Robert Haller vom Bürgerspital den Stil seiner Rieslinge. Wir probierten den 2007er Hagemann vom Würzburger Stein, das Spitzen-GG vom Bürgerspital: ein tougher, kerniger Wein, der seinen Babyspeck mittlerweile verloren hat, und neben Grapefruit- und Aprikosenaromen mit feinen Kräuter- und Currynoten aufwartet. Großes Kino: Der Wein könnte sich problemlos mit vielen Ersten und Großen Gewächsen aus der Pfalz vergleichen.

Sicher, das Bürgerspital ist der Riesling-Spezialist unter den Würzburger Gütern, und der Hagemann das älteste Riesling-Gewann am Stein (die Reben wurden 1967 gepflanzt). Außerdem ist er mit 40 Euro der teuerste trockenste Wein Frankens.

Aber auch das 2004er Riesling GG vom Hofkeller, die Hälfte kostend, machte eine gute Figur: leicht karamellig-buttrig im Bouquet mit immer noch viel frischer Hefe, allerdings auch mit ersten altersbedingten Melasse-Noten. Jüngere Jahrgänge dieses GG sind deutlich straffer und komplexer. Die Arbeit von Michael Jansen, dem Hofkeller-Chef, trägt Früchte.

Die Krönung des Tages war der 2007er Riesling GG aus dem Juliusspital. Sehr präzise mit viel Hefe, frischer Säure, Kräuterwürze und einer Salzigkeit, die fast an Austernschalen erinnerte. Auf jeden Fall der jugendlichste Riesling von allen, was vielleicht auch der Tatsache geschuldet ist, dass die Flaschen, aus denen der Wein eingeschenkt wurde, mit einem Drehverschluss ausgestattet waren.

Gibt es eine „Terroir-Typizität“ des Stein?

Staatlicher Hofkeller Würzburg
Staatlicher Hofkeller Würzburg

Gibt es nun eine Terrroir-Typizität der Großen Lage Stein? Wenn die Weine, die zur Verkostung gereicht wurden, der Maßstab sind, muss die Frage mit Nein beantwortet werden. Die Stile der drei Güter prägen die Weine zweifellos mehr als das Terroir. Vielleicht wird sich das in den nächsten Jahren ändern, wenn die geschmeidigeren, säurebetonteren, weniger fetten Weine ihre Trinkreife erreicht haben werden. Vielleicht auch nicht.

Stellt der Würzburger Stein überhaupt ein Terroir dar? Muschelkalk gibt es schließlich in den meisten fränkischen Weinbergslagen. Ob die Weine dadurch in besonderer Weise geschmacklich geprägt werden, ist nicht zu erkennen – von ihrer deutlichen Mineralität mal abgesehen. Wahrscheinlich sind es nur Nuancen, die die Stein-Weine von den Weinen aus dem Pfülben, der Abtsleite, vom Lumpen und aus anderen fränkischen Spitzenlagen unterscheidet.

Angesichts seiner Ausdehnung ist auch nicht jedes Gewann im Stein von gleicher Güte. An einigen Stellen ist der Muschelkalk mit mehr Ton durchmischt, in anderen mit mehr Lehm. Entsprechend unterschiedlich fallen die Weine aus. Der östliche Teil, historisch Lindlein genannt, ist der trockenste, der westliche Teil der steilste. All das beeinflusst den Wein. Am Ende ist es vermutlich die hohe Reife und die innere Balance der Weine, die eine Spitzenlage auszeichnet.

Die Grenzen des Stein standen übrigens schon im 17. Jahrhundert mehr oder weniger fest, wie Janek Schumann, frisch gebackener Master of Wine aus Sachsen, in einem spannenden Vortrag darlegte. Der Vortrag basierte auf seiner Abschlussarbeit. Hätte er das, was er in einem halben Jahr in akribischer Arbeit zusammengetragen und zu einem digitalen Kartenwerk zusammengefügt hat, an einer deutschen Universität eingereicht, wäre er mit summa cum laude promoviert worden.

So gut wie ein Corton-Charlemagne?

Juliusspital Würzburger SteinAußer Riesling und Silvaner wachsen im Würzburger Stein noch ein paar andere Sorten. Der Hofkeller präsentierte sein GG vom Weißen Burgunder,  Jahrgang 2009: ein mineralisch-schlanker Wein, voller Wohlgeschmack und Leben, leicht gereift. Das Juliusspital hatte eine der letzten 2008er Flaschen ihrer raren BT-Spätlese geopfert, einer Cuvée aus drei geheim gehaltenen Sorten aus dem Stein: grandios.

BT sind die Anfangsbuchstaben des langjährigen Kellermeisters Benedikt Then. Heute, da er im Ruhestand ist, stehen die Buchstaben für „beste Trauben“. Das Bürgerspital spendierte dann noch seinen erstmals vinifizierten Chardonnay aus dem Stein: alte Reben, BSA, Barrique-Ausbau. Der Wein warf unter den anwesenden Experten die Frage auf, ob so ein Erstes Gewächs nicht auf dem Niveau eines – sagen wir mal – Corton-Charlemagne läge.

Interessante Frage. Corton-Charlemagne aus Franken – nur keiner weiß es.

1 Kommentar

Die mobile Version verlassen