Lemberger – wenn Sie diesen Namen hören, an was denken Sie? An spektakulär gute Große Gewächse von VDP-Betrieben wie Karl Haidle oder Drautz-Able? Oder an maischeerhitzte Rotweine, nicht selten restsüß und mit Trollinger verschnitten?
Allein dass es diese Frage gibt, zeigt das Problem des Württemberger Lembergers. Dabei gilt er manchen Fachleuten als die hochwertigste deutsche Rotweinsorte neben dem Spätburgunder. Der Weinkritiker Stuart Pigott schrieb einmal: „Wenn der wahre Lemberger kommt, dann wird er nicht nur mich überraschen und auch nicht nur die deutschen Kollegen, dann überrascht er die Weinwelt.“
Nur sind die Fachleute in der Minderheit. Die Mehrheit, die ihren Wein im Supermarkt und Discounter kauft, weiß nichts vom Potential, das im Lemberger schlummert und greift bedenkenlos zum halbtrockenen Billigschoppen. Da dieser in Württemberg nach wie vor überall im Regal steht und die Winzergenossenschaften große Werbeanzeigen schalten, wird sich am Image der Rebsorte nichts ändern.
Haidle will das Provinzimage der Rebsorte ändern
Winzer Moritz Haidle aus dem Remstal ärgert das. „Wenn es immer noch niemand begriffen hat, dass das eine tolle Rebsorte ist, dann läuft was falsch. Immerhin haben wir vor 30 Jahren damit begonnen, hochwertige Rotweine daraus zu machen.“ Haidle ist 29 Jahre alt und hat vor ein paar Jahren das Weingut Karl Haidle von seinem Vater übernommen. Seine Hobbys prägen sein Image als junger Wilder: Graffiti und Rap.
Vor ein paar Jahren glaubte er, eine Lösung für das Imageproblem des Lemberger gefunden zu haben. Die Rebsorte hat nämlich noch einen anderen Namen, und der hat in der Weinwelt derzeit einen guten Klang: Blaufränkisch. Das ist der exzellenten Arbeit der Österreicher Winzer zu verdanken, die seit einigen Jahren mit herausragenden Rotweinen für Aufsehen sorgen.
Warum also weiterhin mit Württemberger Regionalstolz auf dem Namen Lemberger beharren? Warum auf die hochwertigen Weine nicht einfach Blaufränkisch schreiben und das Provinzimage von heute auf morgen hinter sich lassen? „Viele Winzer außerhalb Württembergs produzieren diesen Wein mittlerweile auch, und fast alle nennen ihn Blaufränkisch“, sagt Haidle. Thomas Seeger und Burg Ravenstein aus Baden zum Beispiel, St. Antony aus Rheinhessen, Markus Schneider und Philipp Kuhn aus der Pfalz. Offizielle Zahlen, wer Lemberger und wer Blaufränkisch auf seine Etiketten druckt, gibt es nicht. Viele sind es bis jetzt noch nicht: Von den 1.846 Hektar mit Lemberger bestockten Weinbergen stehen 1.705 in Württemberg (Angaben aus 2015), wo sich die Zahl der Blaufränkisch-Etiketten aus Traditionsgründen in Grenzen halten dürfte.
Württemberg hat keine schlechteren Reben als Österreich
Es gebe genug Menschen, die gerne Blaufränkisch tränken, denen aber nie ein Lemberger ins Glas komme, sagt Haidle. „Selbst manche Fachleute wissen nicht, dass die Sorten identisch sind. Und wer es weiß, ist oft der Meinung, in Österreich stünden andere, bessere Klone und hier in Württemberg die billigen Massenträger“, sagt er. Das ist natürlich Unsinn. Die Rebstöcke, die sein Vater vor 30 Jahren im Remstal pflanzte – damals dort die ersten Lemberger – sind genauso gut wie der der Kollegen in Österreich.
Immer wieder diskutierte Haidle mit seinem Winzerkollegen Rainer Schnaitmann die Idee, ihre Lemberger als Blaufränkisch zu etikettieren. Eine offizielle Regelung gab es damals im Süden Deutschlands noch nicht. Zur Prowein 2015 stellte er seinen Lemberger Gutswein erstmals als Blaufränkisch vor. „Ich hab Schiss gehabt, dass mir die traditionellen Kunden aufs Dach steigen. Es ist aber sehr gut gelaufen, die Rückmeldungen waren fast nur positiv“, sagt Haidle. Danach wurde das Thema im VDP-Württemberg diskutiert – und die Wogen schlugen hoch. Einige waren empört, andere fanden den Blaufränkisch-Vorschlag interessant, wieder andere meinten, jeder solle machen, was er für richtig halte. Das tat Haidle dann auch. Von seinem Erfolg auf der Prowein bestätigt, bestand er bei der Präsentation der Großen Gewächse des VDP in Wiesbaden letzten Sommer darauf, seine Lemberger ebenfalls als Blaufränkisch anzustellen. Wieder wurde im VDP heftig gestritten, ob das zulässig sei. Doch Haidle zog die Sache durch.
VDP Vorsitzender Markus Drautz: „Liberale Haltung“
Danach berief der VDP Württemberg eine Sondersitzung ein und beschloss mit knapper Mehrheit, dass bei den Guts- und Ortsweinen beide Namen verwendet werden dürfen, bei den Ersten Lagen und den Großen Gewächsen hingegen nur der Name Lemberger erlaubt ist.
Ob der Kunde das versteht? Markus Drautz, Vorsitzender des VDP Württemberg, ist skeptisch. „Dieser Kompromiss ist ein Zeichen unserer liberalen Haltung“, sagt der 36-jährige Winzer, der mit seiner Mutter zusammen das Weingut Drautz-Able bei Heilbronn leitet. Dabei war er erstmal sauer auf seinen Kollegen Haidle wegen dessen eigenmächtigen Vorstoßes in Wiesbaden. „Aber ich bin ihm nicht böse. Ich kann ihn ja auch verstehen nach seinem Erfolg mit dem Gutswein.“ Trotzdem könne in einem Verein wie dem VDP nicht jeder machen, was er wolle.
Persönlich findet Drautz es nicht schlimm, wenn ein Winzer seinen Lemberger lieber Blaufränkisch nennen will. Für ihn ist das aber nicht mehr als ein Marketing-Gag. Statt solche Gags zu veranstalten, sollten die Winzer lieber darüber aufklären, dass es sich um die gleiche Rebsorte handelt. Außerdem können die Württemberger Winzer seiner Ansicht nach stolz sein auf das, was sie als Lemberger in die Flasche füllen. „Wir haben es nicht nötig, am Erfolg der Österreicher mitzuverdienen“, sagt er.
Thomas Seeger im benachbarten Baden erzeugt schon lange Baufränkisch
Thomas Seeger vom Weingut Seeger in Baden macht das seit einigen Jahren und ist sehr zufrieden damit. Er bewirtschaftet 10,5 Hektar, davon sind 15% mit Blaufränkisch bepflanzt. Bis vor ein paar Jahren füllte er die reinsortigen Weine als Lemberger ab. Aber ihm ging auf die Nerven, dass viele Kunden aus Württemberg seine Weine nicht haben wollten – und zwar wegen des schlechten Images der Rebsorte. Vor ein paar Jahren hatte er die Nase voll und schrieb Blaufränkisch auf die Etiketten. „Jetzt kommen die gleichen Kunden und freuen sich“, sagt der Mittfünfziger. „Den Unterschied machen sie schon am Namen fest.“ Allerdings, so fügt er an, sei er nicht in Württemberg und habe nicht dieselbe Tradition im Rücken, da falle eine Umbenennung leichter. Zur neuen Regelung im benachbarten Anbaugebiet hat er eine klare Meinung: „Dappicher geht’s nicht.“
Wer hat Recht? Wer Unrecht? Ich kann sowohl die Ansichten von Markus Drautz als auch von Moritz Haidle verstehen. Nur sorgt die aktuelle Regel nicht für Klarheit für den Endverbraucher, und das sollte meiner Meinung nach über allem anderen stehen. Aber wie schwierig selbst diese Meinung sein kann, zeigen die beiden Importeure, die Drautz und Haidle in den USA haben. Drautz bekam die Empfehlung, seinen Wein auf jeden Fall Lemberger zu nennen – das könne man in den USA viel besser aussprechen. Haidles Importeur hingegen drang darauf, auf jeden Fall Blaufränkisch auf die Etiketten zu drucken. Der Name sei durch die Österreicher bereits bekannt ließe sich deshalb deutlich besser verkaufen.
Das liegt wohl leider daran, dass viele Menschen nicht offen sind für Neues. ich finde den Mut von Haidle super.
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