Anne Krebiehl MW hat sich ans Ende der Welt begeben: nach Tasmanien. Dort, wo die Pinguine brüten, wachsen einige der schönsten Pinot Noirs dieser Erde. Den Weg nach Deutschland werden sie wahrscheinlich nie finden.
Im fahlen Schein der Lichter, die die Strandböschung stellenweise erleuchten, erkennt man sie: kleine, zierliche Pinguine. Auf ihren kurzen Beinen watscheln sie erschöpft an Land. Alljährlich kommen sie, um hier an der Ostküste Tasmaniens ihre Eier zu legen und auszubrüten. Die relativ kleinen Schwimmvögel sind nicht für das ewige Eis der Antarktis geschaffen und fühlen sich deshalb in den kühlen, aber nicht eisigen Breiten wohl.
Erst Schaumweine, dann Pinot Noir
Genau dieses cool climate ist, was Tasmanien so faszinierend macht: Hier wachsen Weine, die unsere Vorstellung von Australien so richtig auf den Kopf stellen. Wie so viele Weinregionen an der Grenze der klimatischen Möglichkeiten, ist Tasmanien durch seine Schaumweine bekannt geworden. Mit ihrer natürlichen Frische beeindrucken sie auf nationalen und internationalen Wettbewerben. Und wo gute Schaumweine wachsen, da gibt es in der Regel auch interessante Pinot Noirs: Diese Rebsorte ist prädestiniert für warme Lagen in kühlen Regionen.
Pionier Freycinet Vineyards
Claudio Radentis Schwiegereltern gehörten zu den ersten, die an der Ostküste Tasmaniens in den späten 70er Jahren begannen, Pinot Noir zu pflanzen – gerade mal 18 Kilometer südwestlich der Pinguinlandestelle in Bicheno. So entstand das Weingut Freycinet Vineyards. „Es ist unheimlich wichtig, die richtigen Lagen zu identifizieren“, sagt Radenti und zeigt über seine Reben, die sich wie ein Amphitheater nach Osten neigen. „Tasmanien macht nicht viel Wein, aber was hier wächst, ist gut. Mehr und mehr Weinleute vom Festland kommen hierher.“
Zu ihnen gehören auch Brown Brothers, die das Weingut Tamar Ridge im nordöstlichen Tamar Valley gekauft haben. Jetzt besitzen sie auch Land an der Ostküste und sind zu Radentis Nachbarn geworden. Manager Will Adkins bezeugt, dass Devil’s Corner Vineyard mit seinen 170 Hektar der größte zusammenhängende Weinberg Tasmaniens ist. Der Unterschied ist augenfällig: Radenti besitzt lediglich 14,75 Hektar. Er arbeitet selbst in Weinberg und Keller, während Brown Brothers sein Personal hat.
Die Nachfrage ist riesengroß
Brown Brothers ist ein Global Player des australischen Weinbusiness. Ihre Headquarters haben sie in Milawa im Bundesstaat Vicoria. Der Weinberg in Tasmanien ist einer seiner jüngsten Neugründungen. Brown Brothers hat die Möglichkeit, tasmanischen Pinot Noir in die weitere Welt zu tragen: „Auch wenn es eine Weile dauern wird: Es ist Zeit, Tasmanien und seine Pinots in der Welt bekannt zu machen“, sagt Adkins. „Sie sind einfach besonders. Allerdings ist die Nachfrage auch bei uns riesengroß.“
Der Frost ist die größte Herausforderung
Recht hat er. Die Pinot Noirs vom Ende der Welt sind voller Frucht und Würze. Sie sind frisch, forsch, haben Säure, bieten viel Trinkfreude. Ob sie jemals nach Deutschland kommen außer im Reisegepäck von Touristen, ist allerdings fraglich. Zu rar sind sie, zu groß die Nachfrage auf der südlichen Erdhalbkugel.
Im Vergleich zu den oft schweren australischen Rotweinen vom Festland sind diese Weine fein und elegant. Auch wenn die tasmanischen Weinberge nur am 42. Breitengrad liegen – in Europa entspricht das ungefähr der spanischen Stadt Girona – so werden sie von den kalten Wellen des Südlichen Ozeans umspült. Es gibt keine Landmasse, die sie vor dem arktischen Einfluss schützt. Der Frost ist hier die größte Herausforderung, nicht die Hitze. Die Pinguine fühlen sich bei diesen Temperaturen wohl, und die Pinot Noir offenbar auch.