Winzerverein Hagnau: Weinlust in der Provinz

Badisches Ufer des Bodensees
Badisches Ufer des Bodensees
Uli Kurzmeier reiste nach Hagnau am Bodensee, wo es keinen Riesling, aber viel Müller-Thurgau gibt, und wo Medaillen, Weinprinzessinnen, Staatsehrenpreise noch etwas zählen.

Die Wei­ne vom badi­schen Boden­see­ufer sind von der Son­ne ver­wöhnt, aber nicht von den Bewer­tun­gen der ein­schlä­gi­gen Wein­füh­rer. Die Kri­ti­ker beschäf­ti­gen sich lie­ber mit den welt­be­rühm­ten Ries­lin­gen von der Mosel, der Nahe oder aus der Pfalz, weni­ger mit Müller-Thurgau von den Ufern des größ­ten Bin­nen­sees Deutsch­lands. Auch ver­schlägt es Wein­kri­ti­ker sel­ten so tief in die süd­li­chen Wein­pro­vin­zen, dass sie an den Gesta­den des Boden­sees auf­schla­gen. Lie­ber rei­sen sie zum zwölf­ten Mal nach Dei­des­heim oder Bern­kas­tel als ein­mal nach Hag­nau. Hag­nau, das ist einer die­ser Wein­or­te am Boden­see, aus denen herz­haf­te, cha­rak­ter­vol­le, ja gute Wei­ne kom­men – aber eben kei­ne Grands Crus.

Die Menschen aus der Region sind stolz auf ihre Weine

Die Men­schen zwi­schen Kon­stanz und Kiß­legg lie­ben sie, die Men­schen in Rest-Deutschland auch, sofern sie mal Urlaub in Hag­nau gemacht haben. Die Ein­hei­mi­schen sind sowie­so stolz auf ihre Wei­ne. Sie trin­ken sie zu Spätz­le, Maul­ta­schen, Fel­chen aus dem See oder ein­fach nur so mal zwi­schen­durch. Also eigent­lich immer. Sie sind bekömm­lich, über­wie­gend tro­cken und rei­ßen kein gro­ßes Loch in die Haus­halts­kas­se. Als „fein­glied­rig und leben­dig“ bezeich­net sie Jochen Sah­ler, Kel­ler­meis­ter des Win­zer­ver­eins Hag­nau. Die Genos­sen­schaft ist der Platz­hirsch unter den Wein­erzeu­gern am Bodensee.

Ein­gangs­tor der Hag­nau­er Winzer

War­um also in die Fer­ne schwei­fen, wenn es in Hag­nau doch so schön ist? Der Blick auf den See und die schnee­be­deck­ten Alpen­gip­fel auf der Schwei­zer Sei­te besitzt Post­kar­ten­qua­li­tät. Der Urlaubs­wert ist hoch, die Küche lecker. Wenn die Lagen in und um Hag­nau wein­bau­lich viel­leicht nicht ganz der­sel­ben Güte­klas­se ent­spre­chen, so tut das dem Selbst­be­wusst­sein der Hag­nau­er kei­nen Abbruch. Sie kön­nen es ver­schmer­zen, dass sie kei­ne Gro­ßen Gewäch­se für die beson­de­ren Momen­te des Lebens haben. Sie haben dafür gute Wei­ne für jeden Tag. Und sie haben den Anspruch, „die bes­ten Wei­ne der Regi­on zu erzeugen“.

Es regnet Goldmedaillen in Hagnau

Haupt­reb­sor­te ist die Müller-Thurgau. Neben Äpfeln ist sie ist die wich­tigs­te Feld­frucht des 1400-Einwohner-Ortes. Sie gedeiht präch­tig auf den licht­durch­flu­te­ten, war­men Hän­gen, die sanft zum Boden­see abfal­len. Von dem Wein, der aus die­ser Sor­te erzeugt wird, behaup­tet der Hag­nau­er Win­zer­ver­ein, dass er sich nir­gend­wo so inter­es­sant pro­bie­re wie bei ihnen. Ein gro­ßes Wort! Doch wenn die Medail­len, die der Badi­sche Wein­bau­ver­band jedes Jah­res ver­gibt, ein Indiz für gute Qua­li­tät sind, dann muss der Satz wahr sein.

 

Kellermeister Jochen Sahler
Kel­ler­meis­ter Jochen Sahler

52 Gold­me­dail­len hat es allein in die­sem Jahr gereg­net, wobei aller­dings auch Grau­bur­gun­der, Weiß­bur­gun­der, Spät­bur­gun­der und ande­re Spe­zia­li­tä­ten etwas abbe­ka­men. So was zählt in Hag­nau und auch, dass sich die Bodensee-Weinprinzessin zum Hag­nau­er Som­mer­fest die Ehre gab. Dage­gen ver­blasst, dass der renom­mier­te Gault-Millau-Weinführer die Hag­nau­er seit drei Jah­ren lis­tet, nach­dem er sie vor­her jah­re­lang igno­riert hat­te. Aller­dings tau­chen sie auch jetzt nur in der Rubrik „wei­te­re Emp­feh­lung“ auf. Schnösel.

Erstmals Staatsehrenpreis gewonnen

Der Höhe­punkt die­ses Jah­res 2015 war, dass der Win­zer­ver­ein den Staats­eh­ren­preis des Lan­des Baden-Württemberg für wein­bau­li­che Leis­tun­gen in der Kate­go­rie „Betrie­be mit mehr als 150 Hekt­ar“ erhielt. Da schmis­sen sich Vor­stand, Geschäfts­füh­rer und Kel­ler­meis­ter gleich in Anzug und Kra­wat­te und reis­ten nach Ber­lin, um sich in der Lan­des­ver­tre­tung die Urkun­de über­rei­chen zu las­sen. Eine gro­ße Ehre. Wir bei weinkenner.de nah­men die Ehre zum Anlass, dem Win­zer­ver­ein ein­mal einen Besuch abzu­stat­ten. Unser Mit­ar­bei­ter Uli Kurz­mei­er mach­te sich von Mün­chen auf an den Boden­see, um Hag­nau und sei­ne Wei­ne kennenzulernen.

Herbstlaub
Herbst­laub

Genussregion Bodensee

„Der Boden­see ist ein Ort für Genie­ßer. Viel­fäl­tig sind die Mög­lich­kei­ten sich zu erho­len, sei es beim Wan­dern, Baden oder Erle­ben der wun­der­ba­ren Natur, die durch das Zusam­men­spiel aus Was­ser und Ber­ge ent­steht. Aber kom­plett macht dies natür­lich erst die Kom­bi­na­ti­on mit gutem Essen und Trin­ken. Das Ange­bot ist reich­hal­tig, ange­fan­gen bei Fisch und Fleisch über Obst, Schnaps und natür­lich Wein.

Wein­ber­ge in Hagnau

Inmit­ten die­ses Idylls liegt Hag­nau, eine Seeufer-Gemeinde mit gera­de ein­mal 1.400 Ein­woh­nern. Hag­nau ist ein beson­de­rer Fleck. Die Bewoh­ner bezeich­nen sich selbst als „klein, aber wehr­haft“, ähn­lich wie bei Aste­rix und Obe­lix. 1881 wur­de in Hag­nau der ältes­te badi­sche Win­zer­ver­ein gegrün­det, der heu­te mit 60 Win­zer­fa­mi­li­en und 160 Hekt­ar Reb­flä­che der größ­te genos­sen­schaft­li­che Wein­bau­be­trieb am Boden­see ist. Initi­iert war die Grün­dung damals als Boll­werk gegen die Will­kür der Wein­händ­ler, die die Prei­se für Wein nach Belie­ben diktierten.

Nachhaltige Bewirtschaftung

Die Hag­nau­er Win­zer bil­den heu­te eine star­ke Gemein­schaft und set­zen hohe Ansprü­che an Qua­li­tät, nach­hal­ti­ge Bewirt­schaf­tung und Pfle­ge ihrer Reben durch die opti­ma­le Wahl der Reb­stand­or­te, gute Wein­bergs­ar­beit und einer Lese aus­schließ­lich von Hand. Tech­nisch sind sie per­fekt ausgestattet.

 

Win­zer­fest in Hagnau

Wein und Essen – das gehört zusammen

Ange­baut wer­den größ­ten­teils Müller-Thurgau, Spät­bur­gun­der und Grau­bur­gun­der. Aber auch Weiß­bur­gun­der gibt es seit eini­ger Zeit an den Hag­nau­er Hügel­rü­cken. Am bes­ten schme­cken die­se Wei­ne zu einem regio­na­len, herbst­li­chen Essen mit Zuta­ten aus und um den Boden­see. Zu einem Boden­see­fel­chen auf Salat passt her­vor­ra­gend ein

• 2014 Hagnauer Müller-Thurgau trocken aus ökologischem Anbau:

ein fri­scher, fruch­ti­ger Wein, der in der Nase nach Zitrus­früch­ten duf­tet, süf­fig und ein­fach zu trin­ken ist und das zar­te Fel­chen nicht ertränkt. Danach ein

• 2014 Hagnauer Burgstall Grauburgunder trocken:

typi­sche Grauburgunder-Nase, viel Frucht und eine ange­neh­me mil­de Säu­re. Die­ser kräf­ti­ge Wein hält zum Bei­spiel einer wür­zi­gen Kür­bis­sup­pe locker stand. Zum Haupt­gang gibt es dann Reh­r­agout vom Hen­dor­fer Wald mit Spätz­le und Gemü­se an Prei­sel­beer­ap­fel. Dazu ein

• 2012 Hagnauer Burgstall Premium Weißburgunder trocken:

ein dich­ter, kom­ple­xer Wein mit Noten von Apri­ko­se, Apfel, Gewür­zen und etwas Holz, dabei dicht und voll­mun­dig im Geschmack. Wahl­wei­se ein

• 2011 Hagnauer Burgstall Premium Spätburgunder Rotwein trocken:

Er ist wür­zig und weist Noten von Pflau­me und Scho­ko­la­de auf. 18 Mona­te lag er im Bar­ri­que. Zum Des­sert vom Hag­nau­er Apfel schließ­lich eine

• 2011 Hagnauer Burgstall Müller-Thurgau Beerenauslese:

fei­ne Honig-Muskatnoten, viel Frucht, Zitro­ne und Oran­ge, gut ein­ge­fan­gen, mit einem har­mo­ni­schen Zusam­men­spiel aus Süße und Säure.

Größte Plage: die Stare

Der Boden­see ist eine son­nen­ver­wöhn­te Regi­on. Die Win­ter wür­den aber sehr kalt sein, wenn der See nicht als Wär­me­spei­cher wirk­te. Im Som­mer müs­sen die Win­zer mit Feuch­tig­keit durch den See kämp­fen, im Herbst mit Hoch­ne­beln und Zug­vö­geln. Vor allem Sta­re machen auf ihrem Weg nach Süden ger­ne am Boden­see Sta­ti­on und fal­len in die Wein­ber­ge ein, um sich über die süßen, rei­fen Trau­ben her­zu­ma­chen. Alarm für die Win­zer. Sie stei­gen dann auf Hoch­stän­de, die über­all in den Wein­ber­gen ver­teilt sind, und beschal­len die Reben mit Greif­vö­gel­ge­schrei oder klas­si­scher Musik, um die fress­wü­ti­gen Vögel zu ver­trei­ben – ein ohren­be­täu­ben­des Spektakel.

Hochstand im Weinberg
Hoch­stand im Weinberg

Aber ein ein­zi­ger Schwarm Sta­re kann inner­halb von 30 Minu­ten einen gesam­ten Wein­berg leer fres­sen. Fast alle Hag­nau­er Wein­bau­ern­fa­mi­li­en ste­hen auf meh­re­ren Stand­bei­nen. Neben Wein­bau betrei­ben sie Obst­bau, haben Frem­den­zim­mer und bren­nen Schnaps. Übri­gens: Der Jahr­gang 2015 ver­spricht viel. Der Som­mer war heiß und tro­cken, die Bee­ren klein, der Ertrag gering. Die Most­ge­wich­te jeden­falls las­sen für die Wei­ne das Bes­te erwarten.“

Kommentar hinzufügen

Antwort schreiben