Während die Public Viewing-Events in den Großstädten zunehmend zu Massenaufmärschen von fußballfremdem Partyvolk verkommen, sammeln sich fußballverständige Fans in Kneipen, versteckten Hinterhöfen oder anderen Locations, um die Spiele der deutschen Nationalmannschaft unter ihresgleichen zu erleben. Ohne Vuvuzelas, ohne Gegröle, ohne Komasaufen. Eine solche Location ist das winelive im Düsseldorf. Eine Weinbar im ehemaligen Arbeiterstadtteil Oberbilk, in der sich rheinische Gemütlichkeit mit hohem vinologischen und kulinarischem Anspruch paart. Herzstück dieser Location ist jetzt im Sommer die große Sonnenterrasse. Von ihr aus blicken die Gäste auf eine Großleinwand im Inneren des Lokals, wo alle Spiele in HD-Qualität übertragen werden. Dazu werden Rieslinge von Josef Leitz bis Schloß Lieser ausgeschenkt, Rotweine von Vieux Donjon bis Bodegas Solano.
Wer feste Nahrung braucht, bekommt Tapas, Riesengambas oder ein Lammcarré, zubereitet von einem Koch, der früher schon mal in der Traube Tonbach im Schwarzwald am Herd gestanden hat – Deutschlands Gourmettempel Nummer Eins. Gelegentlich kommt auch Düsseldorfs Kultmetzger Peter Inhoven vorbei und brutzelt Bratwürste auf seinem Holzkohlegrill. Nach dem Sieg kann man noch mit einem Riesling Brut anstoßen – oder sich mit einem Champagner trösten (www.winelive-duesseldorf.de).
Ins Leben gerufen haben das winelive Ende letzten Jahres zwei langjährige Mövenpick-Mitarbeiter: Otmane Khairat und Joachim Fricke. Ihre Idee: eine Weinbar mit Eventcharakter. Fußballübertragungen sind dabei eher die Ausnahme. Anfang Juni boten Khairat und Fricke ihren Gästen 60 deutsche Weine gratis zum Verkosten an. Spitzenwinzer von der Mosel wie Markus Molitor und Roman Niewodniczanski (Van Volxem) kamen persönlich vorbei. Nach der WM gibt es Events mit Winzern aus Frankreich und Spanien.
Zum Winelive gehört auch ein anspruchsvoller Weinhandel. Das Sortiment beschränkt sich auf deutsche, spanische und französische Gewächse, die aber von bester Qualität sind. „Wir führen nur Weine von kleinen Winzern, die handwerklich arbeiten“, sagt der in Casablanca geborene Khairat. Etwa die neuen Superweine von Daniel Jiménez-Landi aus dem spanischen Mentrida und die nur wenigen Liebhabern bekannten Weine der Domaine de Fondrèche (Côtes de Ventoux). Beachtlich ist die große Auswahl an guten Weinen unter zehn Euro.
Die Spürnase des Duos ist Joachim Fricke, der 25 Jahre lang Weineinkäufer bei Mövenpick war und über beste Kontakte in die Weinszene verfügt. Er entdeckt und fördert gerade junge Winzer, die noch nicht in der ersten Reihe stehen, aber bereits mit tollen Qualitäten und günstigen Preisen aufwarten: etwa Stefan Winter aus dem rheinhessischen Dittelsheim oder Heinz Welter vom Weingut Später-Veit aus Piesport an der Mosel. Man kann die Weine gleich mitnehmen oder online bestellen und sich dann schicken lassen (www.weinspuernase.de).
Apropos Preise: Wer eine Flasche in der Weinbar oder im Weinbistro bestellt, bezahlt nur zehn Euro Aufschlag auf den Weinhandelspreis. Eine äußerste faire Kalkulation, die für winelive dennoch aufgeht. „Die Gäste scheuen sich nicht, eine zweite Flasche zu bestellen, wenn ihnen der Wein schmeckt“ hat Khairat beobachtet. Und er schmeckt fast immer: „Viele essen bei uns nur, um gut trinken zu können.“
Trotz seines Namens ist das winelive für akute Notfälle gewappnet, gerade jetzt in der Fußballzeit. Wer darauf besteht, dem wird auch ein Füchslein Alt gezapft.