Wiener Wein im Winter – warum nicht?

Wiener Gemischter Satz
Wiener Gemischter Satz
Befindet sich weinkenner.de etwa schon im Winterschlaf? Mitnichten. Jens Priewe war nur ein paar Tage unterwegs. Nun ist er wieder da und möchte gleich mal einen Weißwein empfehlen, den er besonders gut findet.

Weiß­wein im Win­ter? Selbst­ver­ständ­lich! Oder essen Sie im Win­ter nie Fisch? Der Wein, den ich dazu emp­feh­le, ist ein Wie­ner Gemisch­ter Satz DAC aus dem Wein­gut May­er am Pfarr­platz: ein saf­ti­ger, herr­lich fruch­ti­ger, nie bana­ler Wein, über den Ger­hard Lob­ner, der Betriebs­lei­ter, sagt, er sei aus­ge­spro­chen „aro­men­prä­zi­se“. So könn­te man es wohl aus­drü­cken. Prä­zi­se aller­dings im Sin­ne von sau­ber und klar, nicht im Sin­ne von reb­sorten­ty­pisch. Denn der Wein ist, wie der Name schon andeu­tet, aus meh­re­ren Reb­sor­ten gekel­tert: Grü­ner Velt­li­ner, Ries­ling, Rot­gipf­ler, Zier­fand­ler. Das Beson­de­re des Gemisch­ten Sat­zes ist: Die Reb­sor­ten wer­den gemein­sam, nicht getrennt gele­sen und ver­go­ren. Das Resul­tat ist ein urwüch­si­ger, ter­ro­ir­be­ton­ter Wein, der nicht durch kunst­vol­les Assem­blie­ren auf Har­mo­nie getrimmt wur­de, son­dern Ecken und Kan­ten auf­wei­sen kann. Aber das gilt für alle Wie­ner Gemisch­ten Sät­ze, nicht nur für den von May­er am Pfarrplatz.

Mayer am Pfarrplatz – ein Klassiker

Des­sen Wie­ner Gemi­scher Satz ist – zumal für öster­rei­chi­sche Wein­trin­ker – ein Klas­si­ker. Folg­lich ist auch das Wein­gut, aus dem er kommt, kein Unbe­kann­tes. Es liegt im  vor­neh­men 19. Wie­ner Bezirk, in Heiligenstadt-Grinzing, und ist vor allem wegen sei­nes Heu­ri­gen bekannt: ein altes, weiß­ge­tünch­tes Haus mit roman­ti­schem Innen­hof und anschlie­ßen­dem Gastgarten.

May­er am Pfarrplatz

Nobel­heu­ri­ger wird es fälsch­lich genannt, weil der 19. Bezirk ein vor­neh­mer Wie­ner Stadt­teil ist. Tat­säch­lich wird in dem „Nobel­heu­ri­gen“ genau­so geschlemmt, geplau­dert, musi­ziert, manch­mal auch gesof­fen und gelärmt wie in ande­ren Heu­ri­gen. Der Unter­schied ist die Woh­nung im ers­ten Stock. In ihr schrieb Lud­wig van Beet­ho­ven einst an sei­ner 9. Sym­pho­nie. Sie ist heu­te ein Museum.

“Trinkig“ sagen die Österreicher

May­ers Basis­ver­si­on des Wie­ner Gemisch­ten Sat­zes ist ein ein­fa­cher, aber aus­druck­vol­ler Wein mit fei­ner Säu­rea­der, der immer ein biss­chen zwi­schen Bir­ne und Pfir­sich pen­delt, eine zar­te Zitrus­no­te mit­bringt, dabei leben­dig ist und äußerst „trin­kig“, wie die Öster­rei­cher sagen.

Innen­hof May­er am Pfarrplatz

Per­sön­lich zie­he ich den Wie­ner Gemisch­ten Satz Nuss­berg vor, der etwas vol­ler ist, mehr Län­ge und Kom­ple­xi­tät besitzt, auch rei­fer wirkt, was man an dem Hauch von Honig­me­lo­ne merkt, der den Wein durch­zieht. Die Sor­te Weiß­bur­gun­der, die in ihm noch ent­hal­ten ist, gibt ihm eine fei­ne bur­gun­di­sche Note. Außer­dem hat die­ser (eben­falls im Edel­stahl­tank aus­ge­bau­te) Wein län­ger auf der Hefe gele­gen, was ihm eine deli­ka­te, zusätz­li­che Geschmacks­no­te ver­leiht. Okay, er kos­tet ein paar Euro mehr. Aber die sind gut ange­legt. Und wer zum Bei­spiel einen Zan­der kross auf der Haut anbrät, der braucht gar kei­ne Sau­ce, wenn er die­sen Wein zur Hand hat. Im Heu­ri­gen trinkt man ihn jetzt zu Maro­ni­reis, zum Hähn­chen­pfandl und zum Wie­ner Schnit­zel natürlich.

Auch das Rote Haus gehört dazu

Das Wein­gut May­er am Pfarr­platz besitzt fast 70 Hekt­ar Wein­ber­ge, alle im Wie­ner Stadt­ge­biet gele­gen. Besit­zer ist Hans Schmid, ein bekann­ter öster­rei­chi­scher Unter­neh­mer, der ursprüng­lich eine Wer­be­agen­tur und ver­schie­de­ne Zeit­schrif­ten besaß, nach dem Ver­kauf Spaß am Wein fand und 2007 das Wein­gut May­er am Pfarr­platz erwarb, um es zu einem der bes­ten Wie­ner Wein­gü­ter zu machen. Spä­ter kauf­te er das Rote Haus dazu, ein ver­wun­sche­nes Klein-Weingut direkt im Nuss­berg. Des­sen Wei­ne repä­sen­tie­ren heu­te die Premium-Linie des Wie­ner Gemisch­ten Sat­zes. Alle Wein­ber­ge wer­den übri­gens natur­nah bewirtschaftet.

Moderne Önologie liebt keine gemischten Sätze

Der Wie­ner Gemisch­te Satz ist der tra­di­tio­nel­le Wie­ner Wein, wie er in zahl­rei­chen Trink­lie­dern besun­gen wur­de, der aber in den acht­zi­ger und neun­zi­ger Jah­ren etwas in Ver­ges­sen­heit gera­ten war. Die moder­ne Öno­lo­gie liebt kei­ne Wei­ne, die aus zeit­gleich gele­se­nen, mit­hin unter­schied­lich rei­fen Trau­ben­sor­ten her­ge­stellt wer­den. Über­haupt ver­bin­det man mit dem Gemisch­ten Satz eher einen Bau­ern­wein als ein edles Gewächs. 2008 nahm die inter­na­tio­na­le Slow Food-Organisation den Gemisch­ten Satz in die Arche des Geschmacks auf und för­der­te damit die Wie­der­be­le­bung die­ser uralten Wie­ner Spezialität.

Blick vom Nuss­berg auf Wien

Zugleich erleb­te manch alte Reb­sor­te, die frü­her in Wien ange­baut wur­de, eine Renais­sance (Erlaubt sind die Sor­ten Grü­ner Velt­li­ner, Ries­ling, Weiß­bur­gun­der, Grau­bur­gun­der, Char­don­nay, Neu­bur­ger, Gewürz­tra­mi­ner Rosen­mus­ka­tel­ler, Jubi­lä­ums­re­be und Öster­rei­chisch Weiß). 2011 wur­de der Name „Wie­ner Gemisch­ter Satz“ recht­lich geschützt. 2013 erhielt der Wein die geschütz­te Ursprungs­be­zeich­nung Bezeich­nung Dis­tric­tus Aus­triae Con­troll­a­tus (DAC).

Die Weine


2013 Wiener Gemischter Satz | Weingut Mayer am Pfarrplatz

Ein­fa­cher, aber saf­ti­ger Wein mit fei­ner Frucht und leben­di­ger Säu­rea­der, geschmack­lich zwi­schen Bir­ne und Pfir­sich pen­delnd, eine zar­te Zitrus­no­te auf­wei­send, sehr trin­kig. Edelstahlausbau.

Bewer­tung: 87 Punkte

Preis: ca. 9,90 Euro


2013 Wiener Gemischter Satz Nussberg | Weingut Mayer am Pfarrplatz

Vol­ler, stof­fi­ger Wein mit Län­ge und Kom­ple­xi­tät, Noten von Bir­nen, Apri­ko­sen und Honig­me­lo­ne, dazu fei­ne Hefen­o­ten und eine mil­de, wei­ni­ge Säu­re. Edelstahlausbau.

Bewer­tung: 89 Punkte

Preis: ca. 18 Euro


Bezug: Oxhoft Wein­han­del, Nord­mann, Wein­han­del Preis­sler, Ösi­wein, Wein & Co, Wein­welt


1 Kommentar

  • Sehr geehr­ter Herr Priewe!
    Es ist sehr erfreu­lich, daß Sie über den Wie­ner Gemisch­ten Satz DAC einen so aus­führ­li­chen (und posi­ti­ven) Bericht auf weinkenner.de pos­ten, da die­ses öster­rei­chi­sche Wein­bau­ge­biet inter­na­tio­nal – trotz sei­ner hohen Qua­li­tät (lei­der noch) – zu wenig beach­tet wird.
    Ich schät­ze Ihre Publi­ka­tio­nen sehr, die immer inter­es­sant, kurz­wei­lig und fun­diert sind. Zu obi­ger, erlau­be ich mir aber doch ein paar Anmerkungen:
    1.) “Trin­kig“ sagen die Öster­rei­cher – nicht! Und in Wien schon gar nicht! Ein ani­mie­ren­der Trink­fluss (und unkom­pli­zier­ter Wein­ge­nuss) wird hier­zu­lan­de vor­wie­gend als “süf­fig” bezeichnet.
    2.) Sie zäh­len die “erlaub­ten” Reb­sor­ten auf (und wider­spre­chen sich dabei selbst – sie­he Rebsorten-Angaben zu den bei­den Gemisch­ten Sät­zen DAC vom May­er am Pfarrplatz).
    Kor­rekt: Für den “Wie­ner Gemisch­ten Satz DAC” dür­fen sämt­li­che in Öster­reich für Qua­li­täts­wein aner­kann­ten Weißwein-Rebsorten ver­wen­det wer­den! Und in man­chem Gemisch­ten Satz befin­den sich bis zu 20 Sorten.
    3.) Es gibt neben May­er am Pfarr­platz (und Rotes Haus) noch 33 wei­te­re Wie­ner Win­zer, die “Wie­ner Gemisch­ter Satz DAC” – Wei­ne im Jahr 2013 erst­mals unter die­sem Namen pro­du­ziert haben und erwäh­nens­wert wären.
    (Für Details sie­he z.B.: https://gmsdac.wordpress.com/2014/03/20/erste-wiener-gemischter-satz-dac-prasentation/ und https://gmsdac.wordpress.com/2014/03/10/wiener-gemischter-satz-dac-2013-die-produzenten/ oder: http://wienerweinguide.wordpress.com/2014/03/17/der-erste-jahrgang-wiener-gemischter-satz-dac/)
    4.) Muß ich zum Leid­we­sen aller Wein­In­ter­es­sier­ten mit­tei­len, daß bei­de erwähn­ten 2013er-Weine ab Wein­gut bereits seit Wochen nicht mehr erhält­lich sind (Jahr­gang ausverkauft)
    Mit lie­ben Grü­ßen aus Wien
    “wie­ner­wein”

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