Wie ein kleiner Burgunder: 2009 Lamùri von Tasca d’Almerita

Etikett 2009 Lamuri
Wenn dieser Wein für das Amt des italienischen Ministerpräsidenten kandidierte, wären die Tage von Berlusconi gezählt. Er findet bei Rechten wie Linken vermutlich die gleiche Zustimmung und gerät nie in Versuchung, ins Kitschige abzudriften oder gewichtiger zu erscheinen, als er ist. Es gibt zwar preiswertere Nero d’Avola-Weine – doch nicht in seiner Klasse.

Lamùri ist das sizi­lia­ni­sche Dia­lekt­wort für l’amore: die Lie­be. Robert Par­ker muss den Lamùri sehr geliebt haben. Er ord­ne­te ihn mit 91 Punk­ten auf sei­ner Bewer­tungs­ska­la ein – eine Art Rit­ter­schlag für einen Wein unter der 10-Euro-Marke. Viel­leicht hat der ame­ri­ka­ni­sche Wein­kri­ti­ker damit des Guten ein wenig zu viel getan. In der Betriebs­hier­ar­chie des Wein­guts Tas­ca d’Almerita steht der Lamùri näm­lich nur an drit­ter Stel­le. Zwei Wei­ne sind über ihm. Wie hoch sie in Anbe­tracht die­ser Vor­ga­be bepunk­tet wer­den müss­ten, kann man nur raten.

Fast wie ein kleiner Burgunder

Sicher ist, dass der Lamùri ein bemer­kens­wert guter Wein ist. Er schmeckt nach fri­schen Pflau­men und tape­ziert den Gau­men mit Wohl­ge­schmack. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren Sizi­lia­nern aus der Sor­te Nero d’Avola schmeckt er nicht marmeladig-süß. Sei­ne Frucht ist frisch und akzen­tu­iert. Sicher, es gibt preis­wer­te­re Nero d’Avola-Weine. Aber kei­ner von ihnen besitzt die Ele­ganz wie der Lamùri. Wenn da im Hin­ter­grund nicht Lakritz­no­ten und eine fei­ne, typisch medi­ter­ra­ne Kräu­ter­wür­ze wären, könn­te man ver­sucht sein zu sagen: schmeckt wie ein klei­ner Burgunder.

Die Nero d’Avola-Traube ist die häu­figs­te rote Sor­te in Sizi­li­en. Außer am Ätna wächst sie über­all auf der Insel. In den fla­chen, meer­na­hen Berei­chen im Wes­ten wer­den süf­fi­ge, im End­ef­fekt ein­fa­che, manch­mal auch etwas bana­le Wei­ne gewon­nen. Dage­gen ent­ste­hen in den hei­ßen Tei­len im Osten der Insel eher schwe­re, tan­nin­be­la­de­ne Wei­ne, die ein gro­ßes Rei­fe­po­ten­zi­al haben.

Im kühlen Teil Siziliens gewachsen

Panorama Tenuta Regaleali, SizilienDer Lamùri kommt aus dem Inne­ren Sizi­li­ens, wo es tags­über heiß ist, nachts aber stark abkühlt, so dass die Säu­re und die Frucht in den Trau­ben nicht ver­lo­ren geht. Dort, im ein­sa­men Hin­ter­land zwi­schen Paler­mo und Cal­ta­nis­set­ta, liegt die Tenu­ta Rega­lea­li, das Wein­gut, das den Lamùri pro­du­ziert. Es gehört den aus Paler­mo stam­men­den Gra­fen Tas­ca d’Almerita. Sie gehö­ren zu den Gro­ßen unter den pri­va­ten Wein­erzeu­gern Sizi­li­ens. Von vie­len wer­den sie als die Num­mer 1 ange­se­hen. Als Fla­schen­wein­erzeu­ger sind die Tas­ca zwar erst seit 1968 akten­kun­dig. Inzwi­schen reicht ihr Ruf um die gan­ze Welt.

Die Reb­kul­tu­ren Rega­lea­lis sind so plan­voll ange­legt wie ein deut­scher Wein­berg nach der Flur­be­rei­ni­gung, und sie wer­den so akku­rat gepflegt wie der Rasen in Wem­bley. Sie lie­gen zwi­schen 450 und 700 Metern Höhe – Grund für die star­ke nächt­li­che Abküh­lung. Die Trau­ben­er­trä­ge für den Lamùri über­stei­gen im Durch­schnitt nicht die 42 Hek­to­li­ter pro Hekt­ar. Die som­mer­li­che Tro­cken­heit ermög­licht kei­ne höhe­ren Erträge.

Das Geheimnis des niedrigen Preises

Wie es mög­lich ist, einen Wein mit so gerin­gen Erträ­gen so preis­wert auf den Markt zu brin­gen? Die Ant­wort lau­tet: Nero d’Avola. Die­se Sor­te ist der­ma­ßen gut ange­passt an die sizi­lia­ni­schen Ver­hält­nis­se, dass sie von Kala­mi­tä­ten weit­ge­hend ver­schont bleibt. Die Trau­ben müs­sen nicht ver­le­sen wer­den. Es gibt kei­ne Min­der­erträ­ge. Sie rei­fen nahe­zu jedes Jahr ohne kost­spie­li­ge Pfle­ge­maß­nah­men sicher aus. Aus­ge­baut wird der Wein übri­gens in gebrauch­ten Bar­ri­ques – auch da blei­ben die Kos­ten unter Kon­trol­le (aller­dings ist beim 2009er erst­mals ein klei­ner Anteil neu­en Hol­zes dabei).

Weinberg Tenuta Regaleali, SizilienDer Lamùri ist, bei aller Moder­ni­tät, ein ech­ter Sizi­lia­ner. 14 Vol.% ste­hen auf dem Eti­kett. Aber der Alko­hol wird getra­gen von der Fül­le und Reich­hal­tig­keit der Nero d’Avola-Traube. Ganz wich­tig ist es, ihn kühl zu trin­ken: 15 bis 16 Grad, mög­lichst nicht mehr. Nur dann kommt die Frucht rich­tig zum Aus­druck. Dekan­tie­ren? Bei die­sem Rot­wein über­flüs­sig. Und bit­te kei­ne lan­ge Lage­rung im Kel­ler! Der Lamùri ist jetzt trink­fer­tig. Wir haben ihn auf dem Wein­gut zu Riga­to­ni mit einem Sugo aus sizi­lia­ni­schen Toma­ten und tages­fri­schem Ricot­ta ser­viert bekom­men. Per­fekt. Am Ende des Lunchs gab es ihn noch­mal zu einem Stück mit­tel­rei­fen Peco­ri­no. So was ver­gisst man nicht.

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