Lamùri ist das sizilianische Dialektwort für l’amore: die Liebe. Robert Parker muss den Lamùri sehr geliebt haben. Er ordnete ihn mit 91 Punkten auf seiner Bewertungsskala ein – eine Art Ritterschlag für einen Wein unter der 10-Euro-Marke. Vielleicht hat der amerikanische Weinkritiker damit des Guten ein wenig zu viel getan. In der Betriebshierarchie des Weinguts Tasca d’Almerita steht der Lamùri nämlich nur an dritter Stelle. Zwei Weine sind über ihm. Wie hoch sie in Anbetracht dieser Vorgabe bepunktet werden müssten, kann man nur raten.
Fast wie ein kleiner Burgunder
Sicher ist, dass der Lamùri ein bemerkenswert guter Wein ist. Er schmeckt nach frischen Pflaumen und tapeziert den Gaumen mit Wohlgeschmack. Im Gegensatz zu vielen anderen Sizilianern aus der Sorte Nero d’Avola schmeckt er nicht marmeladig-süß. Seine Frucht ist frisch und akzentuiert. Sicher, es gibt preiswertere Nero d’Avola-Weine. Aber keiner von ihnen besitzt die Eleganz wie der Lamùri. Wenn da im Hintergrund nicht Lakritznoten und eine feine, typisch mediterrane Kräuterwürze wären, könnte man versucht sein zu sagen: schmeckt wie ein kleiner Burgunder.
Die Nero d’Avola-Traube ist die häufigste rote Sorte in Sizilien. Außer am Ätna wächst sie überall auf der Insel. In den flachen, meernahen Bereichen im Westen werden süffige, im Endeffekt einfache, manchmal auch etwas banale Weine gewonnen. Dagegen entstehen in den heißen Teilen im Osten der Insel eher schwere, tanninbeladene Weine, die ein großes Reifepotenzial haben.
Im kühlen Teil Siziliens gewachsen
Der Lamùri kommt aus dem Inneren Siziliens, wo es tagsüber heiß ist, nachts aber stark abkühlt, so dass die Säure und die Frucht in den Trauben nicht verloren geht. Dort, im einsamen Hinterland zwischen Palermo und Caltanissetta, liegt die Tenuta Regaleali, das Weingut, das den Lamùri produziert. Es gehört den aus Palermo stammenden Grafen Tasca d’Almerita. Sie gehören zu den Großen unter den privaten Weinerzeugern Siziliens. Von vielen werden sie als die Nummer 1 angesehen. Als Flaschenweinerzeuger sind die Tasca zwar erst seit 1968 aktenkundig. Inzwischen reicht ihr Ruf um die ganze Welt.
Die Rebkulturen Regalealis sind so planvoll angelegt wie ein deutscher Weinberg nach der Flurbereinigung, und sie werden so akkurat gepflegt wie der Rasen in Wembley. Sie liegen zwischen 450 und 700 Metern Höhe – Grund für die starke nächtliche Abkühlung. Die Traubenerträge für den Lamùri übersteigen im Durchschnitt nicht die 42 Hektoliter pro Hektar. Die sommerliche Trockenheit ermöglicht keine höheren Erträge.
Das Geheimnis des niedrigen Preises
Wie es möglich ist, einen Wein mit so geringen Erträgen so preiswert auf den Markt zu bringen? Die Antwort lautet: Nero d’Avola. Diese Sorte ist dermaßen gut angepasst an die sizilianischen Verhältnisse, dass sie von Kalamitäten weitgehend verschont bleibt. Die Trauben müssen nicht verlesen werden. Es gibt keine Mindererträge. Sie reifen nahezu jedes Jahr ohne kostspielige Pflegemaßnahmen sicher aus. Ausgebaut wird der Wein übrigens in gebrauchten Barriques – auch da bleiben die Kosten unter Kontrolle (allerdings ist beim 2009er erstmals ein kleiner Anteil neuen Holzes dabei).
Der Lamùri ist, bei aller Modernität, ein echter Sizilianer. 14 Vol.% stehen auf dem Etikett. Aber der Alkohol wird getragen von der Fülle und Reichhaltigkeit der Nero d’Avola-Traube. Ganz wichtig ist es, ihn kühl zu trinken: 15 bis 16 Grad, möglichst nicht mehr. Nur dann kommt die Frucht richtig zum Ausdruck. Dekantieren? Bei diesem Rotwein überflüssig. Und bitte keine lange Lagerung im Keller! Der Lamùri ist jetzt trinkfertig. Wir haben ihn auf dem Weingut zu Rigatoni mit einem Sugo aus sizilianischen Tomaten und tagesfrischem Ricotta serviert bekommen. Perfekt. Am Ende des Lunchs gab es ihn nochmal zu einem Stück mittelreifen Pecorino. So was vergisst man nicht.