Wie atmet der Wein in der Flasche?

Wie schnell ein Rot­wein altert, hängt von Reb­sor­te und Her­kunft des Weins, vom Jahr­gang, aber nicht unmaß­geb­lich auch von der Qua­li­tät des Kor­kens ab. Lang­le­bi­ge Wei­ne sind mit einem min­des­tens 40 Mil­li­me­ter lan­gen, fest­schlie­ßen­den Kor­ken ver­se­hen, der nur wenig Sau­er­stoff durch­lässt. Der Wein atmet so lang­sa­mer und reift besser.

Atmung und Verdunstung

Hohes Füllniveau

Die klei­ne Luft­schicht zwi­schen Wein­ober­flä­che und Kor­ken reicht aus, um den Wein ein paar Jah­re mit Sau­er­stoff zu ver­sor­gen und ihn »atmen« zu las­sen. Das heißt: Selbst wenn kei­ne Luft durch den Kor­ken ein­tritt, kann sich der Wein zwei, drei oder mehr Jah­re in der Fla­sche ver­fei­nern. Voll­kom­men luft­dicht abge­schlos­se­ne Wei­ne gibt es jedoch nicht. Auch hoch­wer­tigs­te Kor­ken kön­nen den Luft­aus­tausch mit der Umwelt nicht ganz unter­bin­den. Die Fol­ge davon ist, dass Sau­er­stoff ein­tritt und Alko­hol und Was­ser ver­duns­ten. Auch für Lai­en ist erkenn­bar, dass alte Wei­ne einen tie­fe­ren Pegel­stand auf­wei­sen als jun­ge Wei­ne. Es muss also Flüs­sig­keit ver­duns­tet sein. In einem sol­chen Fall heißt es für Wein­trin­ker: »Ach­tung! Die Fla­sche soll­te bald getrun­ken wer­den.« Denn je tie­fer der Pegel sinkt, des­to mehr Sau­er­stoff gelangt in die Fla­sche, und je mehr Kon­takt der Wein mit Sau­er­stoff bekommt, des­to schnel­ler oxy­diert er. Mit sin­ken­dem Pegel beschleu­nigt sich der Alte­rungs­pro­zess expo­nen­ti­ell. Beson­ders groß ist die Kon­takt­flä­che zwi­schen Sau­er­stoff und Wein, wenn die Fla­sche lie­gend auf­be­wahrt wird (1968 Gran Reser­va 904, La Rio­ja Alta). Die gerings­te Angriffs­flä­che bie­tet ein Wein, der ste­hend gela­gert wird (1959 Rio­ja Gran Reser­va Ygay). Ein­zi­ges Risi­ko: Der Kor­ken kann austrocknen.

Wenn ein Wein län­ge­re Zeit liegt, ver­grö­ßert sich inner­halb der Fla­sche der Luftkontakt.

Wie der Luftaustausch stattfindet

Der Gas­aus­tausch zwi­schen Fla­schen­in­ne­rem und Umge­bung fin­det zwi­schen Kork und Fla­schen­hals statt. Die Innen­wand des Fla­schen­hal­ses erweist sich näm­lich unter dem Mikro­skop als rau und uneben. Selbst der elas­tischs­te Kor­ken schmiegt sich nicht so an, dass der Gas­aus­tausch voll­stän­dig unter­bun­den ist. Durch die Spal­ten und Lücken ver­duns­tet einer­seits Flüs­sig­keit und Alko­hol in der Fla­sche, ande­rer­seits dringt Sau­er­stoff von außen in die Fla­sche ein. Kor­ken mit vie­len Kork­war­zen und Poren ver­stär­ken den Gas­au­tausch noch zusätz­lich. Die Fol­ge davon ist, dass der Wein schnel­ler reift. Wenn der Kor­ken durch Aus­trock­nung oder zuneh­men­des Alter schrumpft und immer mehr Fla­schen­in­halt ver­duns­tet, kann man für das, was mit dem Wein pas­siert, kaum noch den Aus­druck »atmen« ver­wen­den. Der Wein oxydiert.

Kork unter dem Elektronenmikroskop

Kork unter dem Elektronenmikroskop, Mikroskop, Korken

Ein gewöhn­li­cher Kor­ken besteht aus Mil­li­ar­den von Zel­len, die mit Stick­stoff gefüllt sind. Sie lie­gen so dicht anein­an­der, dass es kei­ne Zwi­schen­räu­me gibt. Die Zell­wän­de bestehen aus Zel­lu­lo­se. Der Zel­lu­lo­se ist eine Sub­stanz namens Sube­rin bei­gemischt. Sube­rin ist eine hydro­pho­be Sub­stanz; das heißt, sie stößt Was­ser ab und sie ist auch für Alko­hol, Fett und Luft nur schwer zu durch­drin­gen. Als Fol­ge davon kann durch das Kork­ge­we­be selbst nur noch sehr wenig Sau­er­stoff in die Fla­sche gelangen.

Hohes Füllniveau:

Der Châ­teau Latour 1990 zeigt nur einen Zen­ti­me­ter Luft­raum zwi­schen Wein­pe­gel und Kor­ken­spie­gel an.

Abgesunkener Pegel durch Verdunstung:

Der Châ­teau Latour 1982 zeigt bereits zwei Zen­ti­me­ter Luft­raum zwi­schen Wein­pe­gel und Kor­ken­spie­gel an.

Gesunkenes Füllniveau durch schrumpfenden Korken:

Bei dem Châ­teau Latour 1968 beträgt der Luft­raum zwi­schen Wein­pe­gel und Kor­ken­spie­gel bereits vier Zentimeter.