Weiße Rioja im Trend

Die Großen und Kleinen entdecken neu, was immer schon da war. Inspiration für die Weißweine in Nordspaniens Rotweinregion liegen sowohl sowohl in der Ferne als auch bei den eigenen Vorfahren.

Rot wie Rio­ja. Das stimmt zwar durch­aus, soll aber nicht als soli­tä­re Wahr­heit miss­ver­stan­den wer­den. Neben den gran­dio­sen Tempranillo- und Garnacha-Weinen, die ohne Zwei­fel zu den gro­ßen Roten der Wein­welt gehö­ren, ver­mag die Flagg­schif­fre­gi­on im Nord­wes­ten Spa­ni­ens neben mit­un­ter span­nen­den Rosés (wir berich­te­ten) auch mit Weiß­wei­nen auf­zu­trump­fen. An vie­len Ecken in der Rio­ja scheint sich der Wind zu dre­hen. Zwar möch­te hier nie­mand den Rot­wein­bau hin­ter sich las­sen. Den­noch wer­den wei­ße Rio­ja immer viel­fäl­ti­ger, wich­ti­ger und belieb­ter. Zeit, einen genaue­ren Blick auf den Nor­den Spa­ni­ens zu werfen.

Ein Rioja-Reise in sechs Wei­nen – und sechs Erkenntnissen.

1 Weißer Rioja ist nichts neues

Lopez de Heredia Viña Tondonia – Viña Gravonia Crianza

Lopez Here­dia betreibt Wein­bau wie schon immer. Legenden- und Eichwert-Status genießt zwar eher der Viña Ton­do­nia Reser­va, aber die Erkennt­nis trans­por­tiert auch der erschwing­li­che­re und ein­fa­cher zu bezie­hen­de Viña Gra­vo­nia Cri­anza: obwohl wei­ßer Rio­ja im Trend liegt, ist er kei­ne Kopf­ge­burt, son­dern eine uralte Spiel­art der Regi­on. Nach tra­di­tio­nel­ler Art ver­wei­len Rio­ja sehr lan­ge im Fass. Das gilt für die Roten aber auch für Weiß­wei­ne. Bei den Ultra­t­ra­di­tio­na­lis­ten von Lopez Here­dia ist der aktu­el­le Jahr­gang gera­de 2014 für die Cri­anza, 2011 für die Reser­va und 2001 für die Gran Reser­va. Wäh­rend der vier Jah­re, die bereits der Basis­wein im alten Holz­fass ver­bringt, bil­det er aller­lei mikr­oxi­da­tive Noten aus, erin­nert an Wal­nüs­se, blan­chier­te Man­deln, leicht an Fino-Sherry und an Zitro­nen­mar­me­la­de. Wer Rio­ja ver­ste­hen möch­te, soll­te die Wei­ne von Lopez Herre­dia getrun­ken haben.

36 Euro, Wein-Direktimport Scholz

2 Mit Rebsorten lässt sich spielen

Viña Pomal – Maturana Blanca 2017

Die mit Abstand wich­tigs­te wei­ße Reb­sor­te der Rio­ja ist eigent­lich Viura, die für zwei Drit­tel der Weiß­wein­pro­duk­ti­on steht und 50 bis 100 Pro­zent der meis­ten wei­ßen Rio­ja bil­det. Dane­ben exis­tie­ren aber auch zahl­rei­che alte Sor­ten. Eine davon ist Maturana Blan­ca. His­to­ri­sche Doku­men­te wei­sen dar­auf­hin, dass schon im 17. Jahr­hun­dert weiß­beer­i­ge Maturana-Reben in der Rio­ja wur­zel­ten. Meist schme­cken Wein­gü­ter ihre Viura mit eini­gen Pro­zent Gar­nacha Blan­ca, Mal­va­sía, Maturana oder Ver­de­jo ab. Rein­sor­tig aus­ge­baut spielt der Maturana von Viña Pomal sei­ne posi­ti­ve Bananen- und Zitrus-Aromatik voll aus, ist durch den Aus­bau im Bar­ri­que geprägt, gibt sich vanil­lig und cre­mig. Eine moder­ne Spie­le­rei mit einer alten Sorten.

ca. 25 Euro, Décan­to­lo

3 Das Konzept Gran Reserva löst sich auf – zum Teil

Cosme Palacio „1894“2018

Der Trend mach­te sich schon vor län­ge­rer Zeit bei den Rot­wei­nen bemerk­bar. Zuneh­mend schwappt er auch auf die Weiß­wei­ne über: es tau­chen immer mehr unklas­si­fi­zier­te Spit­zen­wei­ne auf. Tra­di­tio­nell defi­niert sich Qua­li­tät in der Rio­ja über Fass­rei­fe. Für wei­ße Gran Reser­vas sind vier Jah­re Rei­fe, davon min­des­tens sechs Mona­te im Bar­ri­ques vor­ge­schrie­ben. Cos­me Pala­ci­os‘ 1894 etwa dis­qua­li­fi­ziert sich als Gran Reser­va, da die Kel­ler­meis­ter auf die vor­ge­schrie­be­nen 225-Liter-Barriques ver­zich­ten und statt­des­sen grö­ße­rer 500-Liter-Tonneaux ver­wen­den. Ande­re Wein­gü­ter wol­len ihre Spit­zen­wei­ne fili­gra­ner inter­pre­tie­ren und betrach­ten die lan­ge Rei­fe­zeit als hin­der­lich. Und ein Teil scheint aus Prin­zip nicht nicht mit­zu­spie­len, da die Gran Reser­va viel zu häu­fig als Fünf-Euro-Wein im Weih­nachts­pro­spekt der Super­markt­ket­ten lan­det und kaum noch als Distink­ti­ons­he­bel taugt. Der bas­ki­sche Teil der Rio­ja ist sogar gera­de dabei ganz aus dem Crianza-Reserva-Gran-Reserva-System aus­zu­stei­gen. Mit sei­ner Aro­ma­tik von Nüs­sen, gewich­ti­ger But­t­rig­keit und getrock­ne­ten Zitrus­früch­ten passt der 1894 durch­aus zum Aro­men­bild klas­si­scher Gran Reser­vas. Sein Rechts­sta­tus als ein­fa­cher Rio­ja ohne wei­ter Klas­si­fi­ka­ti­on beweist dabei, dass man nicht mehr zwangs­läu­fig einen Stem­pel benö­tigt, um hoch­wer­ti­ge Wei­ne zu platzieren.

ca. 45 Euro
Décan­to­lo

4 Die Rioja burgundisiert sich

Condes de los Andes Blanco 2018

„Wir Rioja-Winzer haben uns frü­her sehr viel von Bor­deaux abge­schaut, wer­den aber Zukunft mehr und mehr ins Bur­gund bli­cken“, sagt Edu­ar­do Sara­ci­bar Itur­be von Con­des des los Andes. Zum Hin­ter­grund: als die Reb­laus Ende des 19. Jahr­hun­derts in Frank­reich wüte­te, flo­hen zahl­rei­chen Kel­ler­meis­ter über die Pyre­nä­en in die bis dato ver­schon­te Rio­ja – und kel­ter­ten dort Wein, wie sie es in ihrer Hei­mat gewohnt waren: mit moder­nen klei­nen Bar­ri­que­fäs­sern und lan­ger Lager­zeit. Zurück in die Gegen­wart: neben der klas­si­schen, oft aus­la­den­den, rei­fen, nussi­gen Sti­lis­tik hat sich in den ver­gan­gen Jah­ren ein par­al­le­ler neu­er Stil wei­ßen Rio­jas eta­bliert, weg von Üppig­keit hin zu Fines­se. Kaum jemand inter­pre­tiert den Stil bes­ser als Con­de de los Andes, deren Blan­co zum Teil im gro­ßen Holz und zum Teil im Gra­nittank reift. Mit sei­nem wie aus der Laser­pis­to­le geschos­se­nen Säu­re­strahl, der Johan­nis­beer­frucht und dem sub­ti­len Aro­ma von grü­nen Hasel­nüs­sen ein ful­mi­nan­ter Burgund- und Jura-Konkurrent.

ca. 27 Euro
Hispa­vi­nus

5 Weißer Rioja steckt Alkohol bestens weg

Roda Blanco I 2019

Vie­le Wein­ken­ner wer­den skep­tisch, wenn sie 14 oder mehr Volu­men­pro­zent Alko­hol auf dem Eti­kett eines Weiß­weins lesen. Meis­tens zurecht. Rio­ja stellt häu­fig eine Aus­nah­me dar. Weiß­wei­ne unter 13 Pro­zent fin­det man kaum und Spit­zen­wei­ne krat­zen nicht sel­ten an den 15. Dass gute Viura hier­in kein Pro­blem ber­gen, ver­deut­licht der Roda I Blan­co per­fekt. 14,5 Volu­men­pro­zent weist das Eti­kett aus. Der Alko­hol ist zwar durch­aus schmeck­bar aber nicht stö­rend. Bit­ter­man­del, Grape­fruit, Brat­ap­fel und Nüs­se ver­spre­chen einen unstrit­tig volu­mi­nö­sen Wein, der jedoch nie­mals ins über­la­den Alko­ho­li­sche kippt. Also: Augen zu und Gau­men auf bei der Rioja-Wahl.

ca. 70 Euro
Bre­mers Weinkolleg

6 Die großen haben das weiße Potential erkannt

Baron de Ley – Viura 2021 (Fassprobe)

Auch wenn die­ser Wein rein in Bezug auf sein Geschmacks­er­leb­nis nicht wei­ter erwäh­nens­wert wäre, ver­an­schau­licht er die Ent­wick­lung wei­ßer Rio­ja bes­tens. Mit Baron de Ley schlägt gera­de eine der größ­ten Mar­ken der Regi­on eine Kurs­än­de­rung ein. Seit 2019 hat sich der Weiß­wein­an­teil bei Baron de Ley ver­dop­pelt, von 7 auf 15 Pro­zent. An der Spit­ze der Blan­cos soll ein neu instal­lier­ter Viña Sin­gu­la­ris ste­hen, eine Linie mit eini­gen tau­send Fla­schen Auf­la­ge – ver­gli­chen mit dem Gesamt­aus­stoß des 650-Hektar-Betriebs also eine Boutique-Linie. Aus dem gro­ßen Holz­fass ver­kos­tet, deu­tet der Viura einen moder­nen Stil mit wenig Holz an, erin­nert an Bir­nen­kom­pott mit Vanil­le, wei­ße Blü­ten und Zitrus – ohne Gran-Reserva-Status, mit Ein­zel­la­ge und mit viel ein­ge­bun­de­nem Alkohol.

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