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Weinviertel: die wiedergewonnene Ehre des Grünen Veltliners (Teil 1)

Hinzukommen ist nicht schwer. Von Wien einfach über die A 5 Richtung Brünn fahren, und nach einer knappen Stunde Fahrzeit ist man mitten drin in jenem Weinanbaugebiet, das zwar groß an Ausdehnung, aber klein an Reputation ist: das Weinviertel. Gegen die romantische Wachau, die stolze Steiermark, das rote Burgenland mit dem Neusiedlersee verblasst das Weinviertel irgendwie. Keine Berge, wenige berühmte Burgen, kein Seen- und kein Stromland, vielmehr ein riesiger Fleckerlteppich, der sich im Niemandsland an der Grenze zu Tschechien ausbreitet und auf dem Getreide, Mais, Kartoffeln und Wald mehr Raum einnehmen als Reben. Der Himmel ist oft grau, das Klima eher kühl, an vielen Stellen pfeift der Wind übers Land. Doch Vorsicht: Rheinhessen und die Champagne sind auch keine Postkartenidyllen, obwohl sie grandiose Weine hervorbringen.

Poysdorf – „Hauptstadt des Grünen Veltiner“

Poysdorf
Poysdorf

Poysdorf ist einer dieser Flecken auf dem Teppich. Ein bescheidenes Städtchen, sieben Kilometer von der Grenze entfernt mit einer barocken Pfarrkirche, biederen Handwerker- und stattlichen Bürgerhäusern, von denen einige allerdings eine Auffrischung gut gebrauchen könnten, einem Golfplatz und einem hübschen Hotel namens Eisenhuthaus, in dem man nicht nur ruhig schläft, sondern sich auch wohlfühlt. Wenn sich nicht täglich eine endlose Schlange von Schwerlastern durch den Ort quälte auf dem Weg nach Prag oder Polen, könnte man von einem stillen, gemütlichen Städtchen sprechen.

Alte Kellergasse in PoysdorfDass man über Poysdorf manchmal als der „Hauptstadt des Grünen Veltliners“ liest, davon ist für den Besucher allerdings wenig zu spüren. Sicher, am Ortsrand gibt es eine romantische Kellergasse. Auf dem Marktplatz steht eine Traubenskulptur. Und am 14. April wird die Ausstellung Wein + Traubenwelt im ehemaligen Bürgerspital des Ortes feierlich eröffnet, die darauf aufmerksam machen soll, dass die Stadt einst wirklich eine Hauptstadt war, nämlich der Sektherstellung. Nirgendwo in Österreich befanden sich so viele Sektkellereien auf engstem Raum wie in Poysdorf. An sie verkauften die Weinbauern aus dem ganzen Weinviertel früher ihre Trauben, weil diese nicht genug waren, um aus ihnen Weine zu keltern, die auch ohne Bläschen zum menschlichen Genuss geeignet waren.

Statt prickelnder jetzt mehr stiller Wein

Heute befinden sich nur noch wenige Sektkellereien im Ort. Deshalb merkt man erst im Herbst so richtig, dass Poysdorf eine kleine Weinmetropole ist. Dann tuckern Dutzende Traktoren durch den Ort, die Anhänger voll von grün-gelben Trauben. Sie verschwinden in breiten Hoftoren, hinter denen sich geräumige Innenhöfe auftun, von denen der Besucher normalerweise nichts ahnt. Dort keltern die Weinbauern jetzt selbst ihren Wein.

Tatsächlich kommen aus Poysdorf heute einige der besten Grünen Veltliner Österreichs. Im Vergleich zu den Wachauern, den Kremsern, den Langenloiser Veltlinern sind sie rassiger, schlanker, würziger. Das „Pfefferl“, das allen Weinen aus dieser Rebsorte pauschal und gedankenlos zugesprochen wird, ist eigentlich ein Weinviertler Charakteristikum. Durch das kühlere Klima waren und sind die Weine dieses Anbaugebiets oft etwas pikanter, „grüner“ als die Grünen Veltliner wärmerer Zonen.


Die wiedergewonnene Ehre des Grünen Veltliner (Teil 2) mit den Weingütern Studeny, Zull und Pechtl folgt in den nächsten Tagen.


Das Weingut Taubenschuss


Monika, Thomas, Markus und Helmut Taubenschuss
Monika, Thomas, Markus und Helmut Taubenschuss

Eines der gut 30 Poysdorfer Weingüter ist Taubenschuss. Außen unscheinbar, innen mit hübschem Innenhof, in dem man relaxen und die Weine des Gutes probieren kann.

Grüner Veltliner

Der Name klingt für deutsche Ohren eher ungewöhnlich. Aber die Inhaber heißen wirklich so: Helmut und Monika Taubenschuss, wobei letztere der Turbo der Familie ist: immer in Bewegung, immer am Organisieren, niemals im Stillstand – „unkaputtbar“, wie Sohn Markus sagt.

Taubenschuss’ Grüner Veltliner ist ein zupackender Wein, saftig und gehaltvoll, handwerklich perfekt gemacht, wobei er durchaus Ecken und Kanten aufweisen kann. Zumindest trifft das auf den Weinviertel DAC classic zu, den Standard-Veltliner, der sich mit 6 Euro ab Hof als ein äußerst wohlfeiler Wein entpuppt. Und neben Frische und Primäraromen ist das Pfefferl, die pikante Würze, hierin deutlich zu schmecken. Wer mehr will, muss zu den Lagen-Veltlinern Weißer Berg, Hermannschachern, Ried Tenn oder dem phänomenalen MX Alte Reben greifen, die mehr Körper und mehr Mineralität besitzen, dafür weniger Pfefferl.

Bezug: Boteghin, Vinarius, Veltliner & Co

 

Das Weingut Ebner-Ebenauer


Manfred und Marion Ebner-EbenauerEin paar hundert Meter weiter befindet sich ein Weingut, das in den letzten Jahren zu einem führenden Grüne-Veltliner-Produzenten Österreichs geworden ist: das von Manfred Ebenauer und Marion Ebner. Er ist ein besonnener Tüftler, sie die quirlige Wienerin, die schon früh in die Weinmmaterie eingetaucht und mit gekauften und selbst assemblierten Weinen in der Gastronomie erfolgreich war. Die beiden Mitdreißiger, inzwischen verheiratet, haben das Poysdorfer Weingut von Manfreds Eltern übernommen und zu neuen Höhen geführt. Ihre Weine nehmen stilistisch eine Sonderstellung ein im Weinviertel: Sie sind relativ körperreich, aber ausgesprochen nervig und spannungsreich.

Spontan vergoren

Grüner Veltliner

Ihr Bouquet ist schon deshalb unverwechselbar, weil sie zumeist spontan vergoren und lange auf der Feinhefe ausgebaut wurden. Bereits beim DAC Birthal, dem einfachsten Grünen Veltliner, ist diese Eigenart deutlich zu spüren: vibrierende Frische gepaart mit feiner Mineralik. Toll. Beim DAC Bürsting und beim DAC Alte Reben kommen noch Reifearomen wie Marille und Birne hinzu.

Bei der Black Edition, der Top-Linie, liegt der Wein sogar ein paar Monate im kleinen Holzfass. „Ansonsten überlassen wir die Weine im Keller weitgehend sich selbst“, sagt Marion Ebner-Ebenauer. „Und wir freuen uns dann, wenn sie zeigen, dass Poysdorf ein gutes Terroir für den Grünen Veltliner ist.“

Ein Stück Toskana im Hinterhof

Das Weingut Ebner-EbenauerÄußerlich ist das mitten in dem Städtchen gelegene Gut übrigens völlig unscheinbar: ein Stadthaus mit Renaissance-Fassade. Aber im Innenhof befindet sich eine Art von toskanischem Schlösschen, das Manfreds Eltern, die in Frankreich und Italien studiert hatten, kunstvoll aufgebaut haben, nachdem das Weingut 1945 abgebrannt war. Manfred ist übrigens ein hervorragender Koch. Was er, wenn Freunde kommen, auf den Tisch bringt, ist besser als alles, was die Gasthöfe Poysdorfs zu bieten haben. Damit die Gäste nicht auch noch zum Steak vom Holzkohlegrill oder zum Ochsenbraten Grüner Veltliner trinken müssen, erzeugt er auch Pinot Noir – und nicht den schlechtesten. Noch etwas: Gemessen an den Preisen, die in der Wachau für Grünen Veltliner der Spitzenklasse gezahlt werden müssen, sind die Ebner-Ebenauer-Weine preiswert.

Bezug: Broeding, Garibaldi, Wein Compilation, Moevenpick Wein, Weinrefugium, Wein & Co

 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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