Weinviertel: die wiedergewonnene Ehre des Grünen Veltliners (Teil 1)

Das Weinviertel
Das Weinviertel
Jahrzehntelang war das Weinviertel berühmt nur für seine Massen Grüner Veltliner, die zu billigem Sekt verarbeitet wurden. Jetzt hat Jens Priewe mal einen Ausflug gemacht ins Land, wo das „Pfefferl“ wächst – und bald resigniert: So viele gute Grüne Veltliner auf einmal konnte er gar nicht so schnell verarbeiten.

Hin­zu­kom­men ist nicht schwer. Von Wien ein­fach über die A 5 Rich­tung Brünn fah­ren, und nach einer knap­pen Stun­de Fahr­zeit ist man mit­ten drin in jenem Wein­an­bau­ge­biet, das zwar groß an Aus­deh­nung, aber klein an Repu­ta­ti­on ist: das Wein­vier­tel. Gegen die roman­ti­sche Wach­au, die stol­ze Stei­er­mark, das rote Bur­gen­land mit dem Neu­sied­ler­see ver­blasst das Wein­vier­tel irgend­wie. Kei­ne Ber­ge, weni­ge berühm­te Bur­gen, kein Seen- und kein Strom­land, viel­mehr ein rie­si­ger Fle­ckerl­tep­pich, der sich im Nie­mands­land an der Gren­ze zu Tsche­chi­en aus­brei­tet und auf dem Getrei­de, Mais, Kar­tof­feln und Wald mehr Raum ein­neh­men als Reben. Der Him­mel ist oft grau, das Kli­ma eher kühl, an vie­len Stel­len pfeift der Wind übers Land. Doch Vor­sicht: Rhein­hes­sen und die Cham­pa­gne sind auch kei­ne Post­kar­ten­idyl­len, obwohl sie gran­dio­se Wei­ne hervorbringen.

Poysdorf – „Hauptstadt des Grünen Veltiner“

Poysdorf
Poy­s­dorf

Poy­s­dorf ist einer die­ser Fle­cken auf dem Tep­pich. Ein beschei­de­nes Städt­chen, sie­ben Kilo­me­ter von der Gren­ze ent­fernt mit einer baro­cken Pfarr­kir­che, bie­de­ren Handwerker- und statt­li­chen Bür­ger­häu­sern, von denen eini­ge aller­dings eine Auf­fri­schung gut gebrau­chen könn­ten, einem Golf­platz und einem hüb­schen Hotel namens Eisen­hut­haus, in dem man nicht nur ruhig schläft, son­dern sich auch wohl­fühlt. Wenn sich nicht täg­lich eine end­lo­se Schlan­ge von Schwer­las­tern durch den Ort quäl­te auf dem Weg nach Prag oder Polen, könn­te man von einem stil­len, gemüt­li­chen Städt­chen sprechen.

Alte Kel­ler­gas­se in Poy­s­dorf­Dass man über Poy­s­dorf manch­mal als der „Haupt­stadt des Grü­nen Velt­li­ners“ liest, davon ist für den Besu­cher aller­dings wenig zu spü­ren. Sicher, am Orts­rand gibt es eine roman­ti­sche Kel­ler­gas­se. Auf dem Markt­platz steht eine Trau­ben­skulp­tur. Und am 14. April wird die Aus­stel­lung Wein + Trau­ben­welt im ehe­ma­li­gen Bür­ger­spi­tal des Ortes fei­er­lich eröff­net, die dar­auf auf­merk­sam machen soll, dass die Stadt einst wirk­lich eine Haupt­stadt war, näm­lich der Sekt­her­stel­lung. Nir­gend­wo in Öster­reich befan­den sich so vie­le Sekt­kel­le­rei­en auf engs­tem Raum wie in Poy­s­dorf. An sie ver­kauf­ten die Wein­bau­ern aus dem gan­zen Wein­vier­tel frü­her ihre Trau­ben, weil die­se nicht genug waren, um aus ihnen Wei­ne zu kel­tern, die auch ohne Bläs­chen zum mensch­li­chen Genuss geeig­net waren.

Statt prickelnder jetzt mehr stiller Wein

Heu­te befin­den sich nur noch weni­ge Sekt­kel­le­rei­en im Ort. Des­halb merkt man erst im Herbst so rich­tig, dass Poy­s­dorf eine klei­ne Wein­me­tro­po­le ist. Dann tuckern Dut­zen­de Trak­to­ren durch den Ort, die Anhän­ger voll von grün-gelben Trau­ben. Sie ver­schwin­den in brei­ten Hof­to­ren, hin­ter denen sich geräu­mi­ge Innen­hö­fe auf­tun, von denen der Besu­cher nor­ma­ler­wei­se nichts ahnt. Dort kel­tern die Wein­bau­ern jetzt selbst ihren Wein.

Tat­säch­lich kom­men aus Poy­s­dorf heu­te eini­ge der bes­ten Grü­nen Velt­li­ner Öster­reichs. Im Ver­gleich zu den Wach­au­ern, den Krem­sern, den Lan­gen­loi­ser Velt­li­nern sind sie ras­si­ger, schlan­ker, wür­zi­ger. Das „Pfef­ferl“, das allen Wei­nen aus die­ser Reb­sor­te pau­schal und gedan­ken­los zuge­spro­chen wird, ist eigent­lich ein Wein­viert­ler Cha­rak­te­ris­ti­kum. Durch das küh­le­re Kli­ma waren und sind die Wei­ne die­ses Anbau­ge­biets oft etwas pikan­ter, „grü­ner“ als die Grü­nen Velt­li­ner wär­me­rer Zonen.


Die wie­der­ge­won­ne­ne Ehre des Grü­nen Velt­li­ner (Teil 2) mit den Wein­gü­tern Stu­de­ny, Zull und Pechtl folgt in den nächs­ten Tagen.


Das Weingut Taubenschuss


Monika, Thomas, Markus und Helmut Taubenschuss
Moni­ka, Tho­mas, Mar­kus und Hel­mut Taubenschuss

Eines der gut 30 Poy­s­dor­fer Wein­gü­ter ist Tau­ben­schuss. Außen unschein­bar, innen mit hüb­schem Innen­hof, in dem man rela­xen und die Wei­ne des Gutes pro­bie­ren kann.

Grüner Veltliner

Der Name klingt für deut­sche Ohren eher unge­wöhn­lich. Aber die Inha­ber hei­ßen wirk­lich so: Hel­mut und Moni­ka Tau­ben­schuss, wobei letz­te­re der Tur­bo der Fami­lie ist: immer in Bewe­gung, immer am Orga­ni­sie­ren, nie­mals im Still­stand – „unka­putt­bar“, wie Sohn Mar­kus sagt.

Tau­ben­schuss’ Grü­ner Velt­li­ner ist ein zupa­cken­der Wein, saf­tig und gehalt­voll, hand­werk­lich per­fekt gemacht, wobei er durch­aus Ecken und Kan­ten auf­wei­sen kann. Zumin­dest trifft das auf den Wein­vier­tel DAC clas­sic zu, den Standard-Veltliner, der sich mit 6 Euro ab Hof als ein äußerst wohl­fei­ler Wein ent­puppt. Und neben Fri­sche und Pri­mär­aro­men ist das Pfef­ferl, die pikan­te Wür­ze, hier­in deut­lich zu schme­cken. Wer mehr will, muss zu den Lagen-Veltlinern Wei­ßer Berg, Her­mann­scha­chern, Ried Tenn oder dem phä­no­me­na­len MX Alte Reben grei­fen, die mehr Kör­per und mehr Mine­ra­li­tät besit­zen, dafür weni­ger Pfefferl.

Bezug: Boteg­hin, Vin­a­ri­us, Velt­li­ner & Co

 

Das Weingut Ebner-Ebenauer


Man­fred und Mari­on Ebner-EbenauerEin paar hun­dert Meter wei­ter befin­det sich ein Wein­gut, das in den letz­ten Jah­ren zu einem füh­ren­den Grüne-Veltliner-Produzenten Öster­reichs gewor­den ist: das von Man­fred Eben­au­er und Mari­on Ebner. Er ist ein beson­ne­ner Tüft­ler, sie die quir­li­ge Wie­ne­rin, die schon früh in die Weinmma­te­rie ein­ge­taucht und mit gekauf­ten und selbst assem­blier­ten Wei­nen in der Gas­tro­no­mie erfolg­reich war. Die bei­den Mit­drei­ßi­ger, inzwi­schen ver­hei­ra­tet, haben das Poy­s­dor­fer Wein­gut von Man­freds Eltern über­nom­men und zu neu­en Höhen geführt. Ihre Wei­ne neh­men sti­lis­tisch eine Son­der­stel­lung ein im Wein­vier­tel: Sie sind rela­tiv kör­per­reich, aber aus­ge­spro­chen ner­vig und spannungsreich.

Spontan vergoren

Grüner Veltliner

Ihr Bou­quet ist schon des­halb unver­wech­sel­bar, weil sie zumeist spon­tan ver­go­ren und lan­ge auf der Fein­he­fe aus­ge­baut wur­den. Bereits beim DAC Bir­thal, dem ein­fachs­ten Grü­nen Velt­li­ner, ist die­se Eigen­art deut­lich zu spü­ren: vibrie­ren­de Fri­sche gepaart mit fei­ner Mine­ra­lik. Toll. Beim DAC Bürs­t­ing und beim DAC Alte Reben kom­men noch Rei­fe­aro­men wie Maril­le und Bir­ne hinzu.

Bei der Black Edi­ti­on, der Top-Linie, liegt der Wein sogar ein paar Mona­te im klei­nen Holz­fass. „Ansons­ten über­las­sen wir die Wei­ne im Kel­ler weit­ge­hend sich selbst“, sagt Mari­on Ebner-Ebenauer. „Und wir freu­en uns dann, wenn sie zei­gen, dass Poy­s­dorf ein gutes Ter­ro­ir für den Grü­nen Velt­li­ner ist.“

Ein Stück Toskana im Hinterhof

Das Wein­gut Ebner-EbenauerÄußerlich ist das mit­ten in dem Städt­chen gele­ge­ne Gut übri­gens völ­lig unschein­bar: ein Stadt­haus mit Renaissance-Fassade. Aber im Innen­hof befin­det sich eine Art von tos­ka­ni­schem Schlöss­chen, das Man­freds Eltern, die in Frank­reich und Ita­li­en stu­diert hat­ten, kunst­voll auf­ge­baut haben, nach­dem das Wein­gut 1945 abge­brannt war. Man­fred ist übri­gens ein her­vor­ra­gen­der Koch. Was er, wenn Freun­de kom­men, auf den Tisch bringt, ist bes­ser als alles, was die Gast­hö­fe Poy­s­dorfs zu bie­ten haben. Damit die Gäs­te nicht auch noch zum Steak vom Holz­koh­le­grill oder zum Och­sen­bra­ten Grü­ner Velt­li­ner trin­ken müs­sen, erzeugt er auch Pinot Noir – und nicht den schlech­tes­ten. Noch etwas: Gemes­sen an den Prei­sen, die in der Wach­au für Grü­nen Velt­li­ner der Spit­zen­klas­se gezahlt wer­den müs­sen, sind die Ebner-Ebenauer-Weine preiswert.

Bezug: Broe­ding, Gari­bal­di, Wein Com­pi­la­ti­on, Moe­ven­pick Wein, Wein­re­fu­gi­um, Wein & Co

 

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