Champs-Élysées des Weins
Seinen Ruf als Land, aus dem die Spitzenweine kommen, verdankt Frankreich vor allem Bordeaux. Die drei Grundpfeiler für den Erfolg des roten Bordeaux lauten: Boden, Qualitätsstreben, jahrhundertealte Tradition.
Bordeaux bildet das mit Abstand größte AOC-Gebiet Frankreichs. Über 117000 Hektar Reben stehen im Ertrag. Das Gebiet ist nach Größe und Qualität der Böden aufgegliedert. Die berühmtesten Gebiete liegen auf der rechten (etwa St-Emilion, Pomerol) und auf der linken Seite der Gironde (Médoc, Haut Médoc). Dort wachsen die bedeutendsten Rotweine Bordeaux’ – wenn nicht der Welt.
Haut Médoc
Von den Weinen, die auf den leicht erhöhten Kiesbänken am linken Ufer der Gironde wachsen, geht der größte Glanz Bordeaux’ aus. Dort dominieren Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc. Aus diesen drei Sorten bestehen fast alle Weine der Appellation.
St-Estèphe
Ehemaliges Fischerdorf an der Gironde, das dem Wein der Gemeinde den Namen geliehen hat. Es liegt am nördlichen Zipfel des Haut Médoc, wo schwerer Lehm den Untergrund bildet. Die Weine von St-Estèphe gelten als die sprödesten des Gebiets, dunkelfarbig, gerbstoffgeprägt und sich nur langsam öffnend, später aber geradezu „explodierend“ von Wohlgeschmack.
Pauillac
Das Handels- und Hafenstädtchen bildet das Herzstück des Haut Médoc. Hier sind die tiefgründigsten Kiesböden zu finden, hier stehen drei erstrangige Châteaus – mehr als in jeder anderen Appellation Bordeaux’: Lafite-Rothschild, Mouton-Rothschild und Latour. Ihre Weinberge befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Strom und legen Beweis für den häufig zu hörenden Satz ab: „Großer Wein muß Wasser sehen“. Die Weine von Pauillac sind die üppigsten und geschliffensten des ganzen Haut Médoc. Sie besitzen die dichteste Tanninstruktur, ohne überladen zu wirken. Die Tannine selbst sind außerordentlich fein und weich – zumindest in guten Jahren. Außerdem sind sie in der Regel die langlebigsten Weine von Bordeaux. Selbst in den hinteren Bereichen des fast sechseinhalb Kilometer breiten Rebengürtels, wo der Boden stärker mit Sand und Lehm durchsetzt ist, wachsen noch volle, muskulöse und zugleich feine Weine. Die Cabernet Sauvignon ist in den Weinen normalerweise zu 65 bis 75 Prozent enthalten. Fachleute behaupten, daß die Cabernet Sauvignon in Pauillac ihren maximalen Ausdruck erreiche. Gleichwohl ist ihr Anteil in den letzten Jahren zugunsten der weicheren Merlot spürbar gesunken.
St-Julien
Nur ein unscheinbares Bächlein trennt das Gebiet von St-Julien und Pauillac. Die Weinberge von Château Latour grenzen somit direkt an die von Château Léoville-Las-Cases, dem herausragenden Wein aus der kleinen Gemeinde St-Julien. Diese besteht aus nicht viel mehr als einer Ansammlung von einfachen Landarbeiterbehausungen um ein knappes Dutzend strahlender Châteaux.
Entscheidend ist jedoch auch hier der Boden: Ein großer Teil liegt direkt am Fluß auf leicht welligen Kieskuppen, die eine optimale Drainage besitzen – ein wichtiges Qualitätskriterium im Médoc. Trotzdem besitzt St-Julien keinen Premier Cru, aber Fachleute sind sich einig, daß Léoville-Las-Cases eigentlich schon lange in diese Kategorie gehört, und die große Zahl von „zweitrangigen“ Gewächsen zeugt ebenfalls von der außerordentlichen Exquise der Weine von St-Julien. Sie mögen nicht so kompakt und auch nicht ganz so langlebig wie die von Pauillac sein, besitzen dafür mehr Würze und ein hohes Maß an Eleganz. Merlot und Cabernet Franc sind in ihnen stärker vertreten als bei den meisten Pauillac-Weinen. Léoville-Las-Cases verwendet sogar zweieinhalb bis fünf Prozent Petit Verdot, eine Komplementärsorte, die normalerweise nur in Margaux angebaut wird.
Margaux
Das Dorf Margaux liegt am südlichen Ende des Haut Médoc, die Appellation selbst ist relativ groß. Sie umfaßt die benachbarten Gemeinden Issan, Cantenac, Labarde und Arsac. Die Böden sind in Margaux nicht weniger wasserdurchlässig als in den anderen Gemeinden an der Gironde, jedoch karg und arm an Stickstoff. Die Weine zählen nicht zu den körperreichsten Bordeaux, gelten aber als die vornehmsten und duftigsten. Ihre zarte, würzig-rauchige Frucht, das elegante, perfekt verwobene Tannin und das meist gut ausbalancierte Verhältnis von Alkohol, Säure und Körper – all das hat zu dem Weltruhm der Weine beigetragen. Allerdings findet man – bedingt auch durch die große Zahl an Châteaux – zahlreiche Stile und noch größere Qualitätsunterschiede zwischen den Weinen, auch bedingt durch die große Ausdehnung der Appellation und die verschiedenartigen Böden. Einsam herausragend: der Wein von Château Margaux, dem einzigen Premier Cru der Appellation; Licht und Schatten jedoch schon unter den zweitklassifizierten Gewächsen und riesige Unterschiede zwischen den dritt- und viertrangigen Weinen. Dafür gibt es eine beachtliche Anzahl von Cru Bourgeois, deren Weine eigentlich Grand-Cru-Qualität besitzen. Auch die Weine von Margaux basieren auf der Cabernet Sauvignon, jedoch kommen bei der Assemblage nicht nur Merlot und Cabernet Franc hinzu, sondern immer auch einige Anteile Petit Verdot, die einen extrem dunklen und säurehaltigen Wein ergibt.
Listrac und Moulis
Zwei kleine zum Haut Médoc gehörende Gemeinde-Appellationen im Hinterland von Margaux mit kräftigen und feinen, aber manchmal auch etwas derben Weinen.
Pessac-Léognan
Die beiden Orte gehören zum großen Anbaugebiet Graves, das sich von Bordeaux südlich bis über Sauternes hinaus hinzieht – immer am linken Ufer der Garonne. Pessac liegt noch im Stadtgebiet von Bordeaux. Dort befindet sich der einzige Premier Cru der Appellation, Château Haut-Brion, sowie die hervorragenden Châteaux La Mission-Haut-Brion und Pape Clement, dazu einige weniger bedeutende Güter und das für seinen Weißwein berühmte Château Laville-Haut-Brion. Léognan liegt weiter südlich in einer abwechslungsreichen Wald- und Weinlandschaft, deren karge, sand- durchmischte Böden äußerst delikate, erdig-fruchtige Weine hervorbringen. Allerdings erreichen sie nicht die Vielschichtigkeit und Langlebigkeit der Médoc-Weine.
Graves
Fast alle Weingüter südlich von Bordeaux erzeugen auch Weißwein aus Sauvignon Blanc, Sémillon und ein wenig Muscadelle. Diese Weine – meistens im kleinen Eichenfaß vergoren – gehören wegen ihres Körperreichtums und ihrer Verfeinerungsfähigkeit zu den edelsten Frankreichs.
Sauternes
Kleines Anbaugebiet im Süden Graves’, berühmt für seine schweren edelsüßen Weine aus Sauvignon Blanc und Sémillon. Mehr noch als der Boden um das gleichnamige kleine Dorf spielt die Edelfäule eine Rolle, die – bedingt durch die tiefe Lage und die Nähe zum Flüßchen Ciron –fast regelmäßig auftritt und einen großen Teil der Trauben infiziert. Der berühmteste Sauternes ist der von Château d’Yquem. Aus den gesunden Trauben werden, wie überall in der Gegend, körperreiche, volle, trockene Weißweine gekeltert, die unter der Bezeichnung Graves gehandelt werden.
Barsac und Cérons
Zwei nördlich von Sauternes gelegene Appellationen, die etwas leichtere, weniger üppige Süßweine ergeben, insbesondere die von Cérons. Während ein guter Barsac nicht weit von einem Sauternes entfernt ist, erreicht ein Cérons nicht dessen Klasse. Im Norden von Barsac wachsen die leichtesten edelsüßen Weine.