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Thierry Manoncourt gestorben: Figeac verliert sein Gesicht

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Thierry Manoncourt wurde 1917 geboren und wuchs in Paris auf. Nach Ende des zweiten Weltkrieges, den er zeitweise in deutscher Kriegsgefangenschaft verbringen musste, studierte er Agrarwissenschaften, übersiedelte nach St. Émilion und verschrieb sich ganz und gar der Leitung des seit 1892 im Besitz seiner Familie befindlichen Weinguts. Seitdem er im Spitzenjahr 1947 Figeac übernommen hatte, war Manoncourt für über vierzig Jahrgänge des Premier Grand Cru Classé “B” verantwortlich, bevor er im Jahr 1988 die Leitung der Tagesgeschäfte an seinen Schwiegersohn Éric d’Aramon übergab. Doch auch danach blieb der hoch aufgeschossene, hagere, aristokratische Manoncourt als stiller Lenker auf dem Weingut präsent.

Manoncourts Verdienste um Château Figeac haben ihm unter Kennern einen schon zu Lebzeiten nahezu legendären Ruf eingetragen. Manoncourt hielt am Figeac-Stil fest, auch als ihm von einem Teil der Weinkritik heftiger Gegenwind ins Gesicht zu wehen begann. Denn die Weine von Figeac probieren sich in der Jugend oft abweisend und rau, zuweilen weisen sie fast rustikale Züge auf, ehe sie sich im Verlauf der Flaschenreife wundersam verfeinern. Doch Manoncourt weigerte sich, die Eigenschaft der jugendlichen Härte des Weins, die auf den Boden des Guts und dessen ungewöhnlichen Sortenspiegel zurückgeht, mit kellertechnischen Mitteln zu überschminken. Château Figeac teilt mit seinem (höher klassifizierten) Nachbarn Château Cheval Blanc die Eigenschaft, auf einer Kiesbank zu liegen. Durch diese fürs rechte Ufer Bordeaux’ ungewöhnliche Bodenbeschaffenheit unterscheiden sich diese beiden Spitzengewächse von allen anderen Weinen St. Émilions (die auf Sand, Mergel oder Kalkstein wachsen). Mit stoischer Ruhe ertrug Manoncourt alle Polemiken und nahm auch von jeder Änderung am Sortenspiegel Abstand: Kein Weingut in St. Émilion kultiviert weniger Merlot. Auf Figeac teilen sich Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon etwa je zu einem Drittel die Rebfläche.

Keller Chateau FigeacLediglich eine Sache war Manoncourt bis zuletzt ein Stachel im Fleisch: die Ungleichbehandlung der beiden Nachbarn Figeac und Cheval Blanc in der offiziellen Klassifikation. Figeac ist nur Premier Grand Cru Classé “B”, während Cheval Blanc die Einstufung “A” in Anspruch nehmen darf. So konnte der ansonsten stets höflich-zurückhaltende, ja liebenswürdige Manoncourt durchaus einen polemischen Unterton anklingen lassen, wenn er von Cheval Blanc als den “Nachbarn auf der anderen Straßenseite” oder gar “der früheren Meierei Figeacs” sprach. Tatsächlich waren die Rebflächen Cheval Blancs bis zur Mitte des 19. Jahrhundert ein Teil Figeacs gewesen. Dennoch wurde Manoncourts Ansinnen, ebenfalls in die Stufe Premier Grand Cru Classé “A” aufgenommen zu werden, bei den routinemäßigen Neufassungen der Klassifikation St. Émilions stets abgelehnt – dies paradoxerweise nicht unter Verweis auf qualitative Gründe, sondern unter Hinweis auf den zu moderaten Preis des Weins.

Thierry Manoncourt hinterlässt ein mustergültig geführtes Weingut mit starker Identität. 63 Jahrgänge tragen seine Handschrift. Und er hinterlässt auch in Deutschland Erinnerungen wie die von den Wine Awards des Jahres 2007, als er von der Zeitschrift Wein Gourmet auf Schloss Bensberg in Bergisch-Gladbach für sein Lebenswerk geehrt wurde. Für ihn war es selbstverständlich, trotz seiner (damals) 89 Jahre persönlich den Wein auszuschenken. Noch bis Mitternacht stand er hinter seinem Probentisch und füllte jedem Gast, der darum bat, großzügig das Glas – mit freundlichen Worten, mit geduldigen Erklärungen, und erkennbar auch mit Freude an dem Genuss, den er anderen Menschen verschaffen konnte.

Sergio Valentini mag: 2004 San Leonardo, Tenuta San Leonardo

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„Der San Leonardo ist einer der besten Cabernet-Weine Italiens. Auf ihn freue ich mich schon lange vor jeder Rückkehr aus dem Himalaya.“

Sergio Valentini, 52, aus dem Fassatal ist einer der besten Bergsteiger der Welt. Zweimal hat er den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät bezwungen, mehrere andere Achttausender hat er ebenfalls bestiegen. Im Sommer ist er an der Besteigung des berüchtigen K2 wegen schlechten Wetters knapp gescheitert. „Mir fehlen die Berge“, sagte er nach der Rückkehr in sein Heimatdorf Canazei mitten in den Dolomiten. Privat ist Valentini ein leidenschaftlicher Weintrinker. Insbesondere die einheimischen Trentiner Gewächse liegen ihm am Herzen. In Canazei besitzt seine Familie eine Enoteca.

2004 San Leonardo – Tenuta San Leonardo, Borghetto (Trento)

Die Tenuta San Leonardo ist ein herrschaftliches Anwesen im Süden des Trentino. Es besteht aus weitläufigen Parks, 21 Hektar Reben und viel Wald. Besitzer ist der Marchese Carlo Guerrieri-Gonzaga, der das Gut zusammen mit seinem Sohn Anselmo führt. Der San Leonardo ist der Spitzenwein der Tenuta. Er wird nur in sehr guten Jahren abgefüllt und besteht aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet franc, wobei letztere Sorte in Wirklichkeit die Carmenère ist – zumindest teilweise. Sie gibt dem Wein einen charakteristischen Hauch von grünem Pfeffer, der ihm zusammen mit dem Aroma von roten Früchten und Waldbeeren eine pikante Würze verleiht. Der Wein lag 24 Monate in Barriques und reifte weitere 18 Monate auf der Flasche nach, bevor er freigegeben wurde. 2004 war ein außergewöhnlich guter Jahrgang, der alle Voraussetzungen mitbringt, sich 15 oder mehr Jahre auf der Flasche zu verfeinern.

Preis: 39,60 Euro
Bezug: www.alpinawein.de

Dieter Kronzucker mag: 2009 Frühroter Veltliner, Weinhof Ehn

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„Schon seit Jahren gehöre ich zur treuen Kundschaft des Weinhofes Ehn am Wagramberg im Donauland. Ausgezeichnete Weine, die deutlich unter der 10-Euro-Grenze bleiben, aber weit teurer schmecken. Mein Favorit ist der 2009 Frührote Veltliner, ein leichter, frischer und höchst delikater Weißwein.“

Dieter Kronzucker ist seit über 40 Jahren Journalist. Lange Zeit war er Auslandskorrespondent der ARD. Später gründete er das ZDF-heute journal, wechselte dann zu SAT1. Seit 2001 ist Dieter Kronzucker, der 1936 in Berlin geboren wurde, Moderator und Sonderkorrespondent beim Nachrichtensender N24. Er lebt in Berlin, München und am Tegernsee.

2009 Frühroter Veltliner – Weinhof Ehn, Kirchberg am Wagram (Österreich)

Der Weinhof Ehn liegt rund 60 Kilometer westlich von Wien im Weinbaugebiet Wagram (früher: Donauland). Dort bewirtschaftet Gerhard Ehn sechs Hektar Rebfläche. Sein Ziel ist es, qualitativ hochwertige, fruchtbetonte und sortentypische Weine mit Charakter zu keltern. Die wichtigste Rebsorte ist der Grüne Veltliner, aus der er drei verschiedene Weine keltert – von leicht bis schwer. Der Frührote Veltliner ist dagegen eine völlig eigenständige Sorte, die nichts mit dem Grünen Veltliner zu tun hat. Sie ist eine natürliche Kreuzung zwischen Rotem Veltliner und Silvaner. Der Name rührt daher, dass die Beeren früh reif werden und sich dann leicht rötlich färben: frischer Duft nach Wiesenblumen, feines Säurespiel, belebend am Gaumen, trocken.

Preis: 5,90 Euro
Bezug: www.weingrube.com

Der Pigott-Wein ist da – Müller-Thurgau als Großes Gewächs

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Der in Berlin lebende englische Weinkritiker und Weinbuchautor Stuart Pigott hat 264 Flaschen eines Müller-Thurgau erzeugt, den es nur einmal geben wird. Das Besondere an dem Wein: Er soll sich auf Augenhöhe mit den Großen Gewächsen befinden, also den besten Weinen Deutschlands. Am kommenden Sonntag wird der Wein in Berlin präsentiert. Zu kaufen ist er allerdings nicht, nur zu probieren.

Stuart PigottDie Trauben für den Wein kommen aus Auernhofen, einem zum Bereich Taubertal und damit zu Franken gehörenden, doch weit weg vom Tauberfluß liegenden Dörfchen zwischen Würzburg und Rothenburg ob der Tauber. Dort hat sich Pigott zehn Zeilen Müller-Thurgau in der Lage Hasennest für ein Jahr „geliehen“: eine 68 Grad steile Lage, die dem Winzer-Ehepaar Christian und Simone Stahl gehört. Sie erzeugen dort seit Jahren einen der besten Müller-Thurgau Deutschlands (www.winzerhof-stahl.de).

Pigott, 49, will zeigen, dass sich aus dieser oft belächelten, von anspruchsvollen Weintrinkern meist gemiedenen Sorte bei sorgfältiger Pflege und bei niedrigen Erträgen ein Wein vom Rang eines Großen Gewächses erzeugen lässt. Nicht zufällig präsentiert er seinen Wein parallel zur Gutswein 2010, die am 4. und 5. September 2010 in Berlin im Daimler Benz Financial Service Center am Potsdamer Platz stattfindet. Auf ihr stellen die Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ihre Großen Gewächse des Jahrgangs 2009 der Öffentlichkeit vor: Riesling, Silvaner, Weiß- und Grauburgunder. Müller-Thurgau ist im VDP als Großes Gewächs nicht vorgesehen.

Pigott schenkt seinen Müller-Thurgau nur hundert Meter weiter im Museum für Film und Fernsehen im 4. Stock des Sony Center aus. Zum Vergleich hat er Weine von F. X. Pichler sowie den weißen Musigny von Comte de Vogue und den Chateau de Beaucastel Blanc von der Rhone mitgebracht. Einlass ist nur gegen Einladungskarte möglich.

Der Engländer lebt seit über 25 Jahren in Deutschland. Er gilt als einer der besten Riesling-Kenner der Welt – und einer der originellsten Weinschreiber außerdem (im Herbst erscheint sein neues Buch „Weinwunder Deutschland“ bei Tre Torri). Von 2008 bis 2009 studierte Pigott als Gasthörer zwei Semester an der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim. Als praktische Übung im Rahmen des Studiums wählte er die Bewirtschaftung eines Weinbergs und die Erzeugung eines Weins: „Auf Grund der Steilheit des Hangs und des steinigen Muschelkalkbodens war die Arbeit körperlich sehr anstrengend“, berichtet er. „Alleine der Schnitt der 400 Reben dauerte insgesamt 12 Stunden, teilweise bei Außentemperaturen von unter Null Grad Celsius. Der Verzicht auf Herbizide zwang mich zur Unkrautbekämpfung mit der Hacke. Insgesamt wurden 200 Arbeitstsunden bis zum Abschluss der Lese am 30. September 2009 in die 10 Rebzeilen investiert, davon 140 Stunden als mein eigener Einsatz.“

Die Müller-Thurgau-Trauben wurden mit 100° Öchsle gelesen. Der Hektarertrag lag bei umgerechnet 20 Hektolitern. Der Wein wurde im Stahltank vinifiziert und ausgebaut. Insgesamt wurden 264 Flaschen von ihm gefüllt – Schlegelflaschen mit Schraubverschluss. Käuflich ist der Wein übrigens nicht – auch bei Gefallen nicht. Er darf nur probiert und das wilde Etikett des Berliner Künstler Rolf Mehnert bewundert werden. Über Geld freut sich Pigott dennoch – als Spende die AIDS-Stiftung „Wein hilft“, die er unterstützt.

Händler über Bordeaux 2009 (10): Markus Geigle

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Markus Geigle ist studierter Wirtschaftsingenieur und Leiter des Geschäftsbereiches Wein bei der Firma Alpina im bayerischen Buchloe. Alpina wurde 1978 vom BMW-Veredler und Weinliebhaber Burkhard Bovensiepen gegründet. Der legendäre unterirdische Keller enthält rund eine Million Flaschen von knapp 3000 Erzeugern aus aller Welt. Bordeaux macht den mit Abstand größten Teil des Sortiments aus.

Markus GeigleAlpina konzentriert sich vor allem auf Spitzenweine. Seine Politik ist es, der Topgastronomie und den Privatkunden auch ältere Weine anbieten zu können. Entsprechend groß ist die Angebotstiefe. Das gilt nicht nur für Bordeaux (und andere französische Weine), sondern auch für italienische, kalifornische Weine und spanische Weine.

“Als sich im März/April 2010 der teilweise irrationale Hype um den Jahrgang 2009 abzeichnete, war uns einerseits klar, dass es wieder mal länger dauern würde, bis die Kampagne in Schwung kommt, und dass andererseits die Bordeauxweine aufgrund der zu erwartenden hohen Preise viel Liquidität aus dem Markt nehmen würden. Daher haben wir unseren Kunden bereits früh ein Subskriptionsangebot mit unseren “Nicht-Bordeaux” aus Frankreich (Marcel Deiss, Louis Latour, Château La Nerthe, Trévallon), Italien (Sassicaia, Guidalberto, San Leonardo,  Barrua, Costanti, Mascarello, Vignamaggio etc.), Spanien (Anima Negra), Argentinien (Chacra) und Kalifornien (Ridge Monte Bello und Chateau Montelena) geschickt, das geradezu euphorisch aufgenommen wurde. Dabei waren gerade langjährige Klassiker wie Sassicaia oder San Leonardo gefragt wie nie. Allerdings muss man auch zugestehen, dass die meisten dieser Weine aus heutiger Sicht gegen 2009er Bordeaux derselben Qualitäts- und Imageklasse geradezu als Schnäppchen dastehen.

Bis jetzt haben wir fast doppelt so viel Umsatz mit diesen “Nicht-Bordeaux”-Weinen erzielt, als mit den 2009er Bordeaux. Deren Verkäufe bewegen sich umsatzmäßig etwa zwischen den Jahrgängen 2008 und 2005 und werden letzteren – zumindest bei uns – wohl nicht erreichen. Aber noch läuft die Kampagne und nach der ersten heißen Phase erwarten wir nach der Ferienzeit und bis in den Herbst hinein noch einmal eine zweite Nachfragewelle – nicht ungewöhnlich bei sehr guten (und teuren) Jahrgängen, wenn die Kunden sich später, dann aber rationaler und sehr genau überlegen, wo sie ihr Geld anlegen. Auch die nachlassende Wirtschaftskrise mit deutlich positiveren Einkommens- und Sicherheitserwartungen spielt hier eine Rolle.

Ein Wort zu den vielgescholtenen Premiers Crus: Dass deren Preis nichts mehr mit dem Inhalt der Flasche zu tun hat, ist eine Tatsache, die der Weinliebhaber wohl oder übel akzeptieren muss. Aber das ist ja nicht erst seit heute so, sondern spätestens seit dem Jahrgang 2000 und dem schlichten Spiel von Angebot und Nachfrage geschuldet, das vor dem Hintergrund des boomenden Wohlstandes in Asien bei mengenmäßig limitierten Gütern (ob Kunst, Edelmetalle oder eben rare Weine) eben zu explodierenden Preisen führt. Darüber und über die “bösen” propriétaires zu lamentieren, mag zwar schick und opportun sein, ringt aber einem VWL-Studenten schon im ersten Semester nicht mehr als ein müdes Lächeln ab. Dafür gibt es heute eine große Anzahl hervorragender und erschwinglicher Weine, von deren Preis-Qualitäts-Verhältnis man vor wenigen Jahren nur träumen konnte. Nicht zuletzt denke man auch an die zahlreichen Zweitweine, selbst aus weniger renommierten Châteaux, deren heutige Versionen die Grands Vins der Vergangenheit oft in den Schatten stellen.

Der alte Spruch: ‚Kleine Weine in großen Jahren kaufen’ hat also nach wie vor seine Berechtigung und mal im Ernst: Wenn der echte Weinliebhaber in diesem großen Jahrgang nicht seinen Traumwein findet, dann ist ihm nicht zu helfen. Und hier abschließend die bisher erfolgreichsten Bordeaux-Weine der diesjährigen ALPINA-Subskription, die allerdings zum Teil bereits ausverkauft sind:

D´Aiguilhe (Côtes de Castillon, € 19,90), Brun (St-Émilion, €  9,90), L´Arrosée (St-Émilion, €  37,90), Clerc-Milon (Pauillac, €  49,90), Fleur de Boüard (Lalande de Pomerol, €  26,50), Fombrauge (St-Émilion, € 22,90), Haut Batailley (Pauillac, €  29,90), Léoville Barton (St-Julien, €  92,50), Lynch Bages (Pauillac, €  109,00), Marjosse (Bordeaux AC, € 7,40), Montrose (St-Estèphe, €  169,00), Paloumey (Haut-Médoc, €  11,90), Pape-Clément (Péssac-Léognan, €  126,80), Phélan-Ségur (St-Estèphe, €  31,00), Puygueraud (Côtes de Francs, €  10,50), Sociando Mallet (Haut-Médoc, €  35,00), La Tour Figeac (St-Émilion, €  29,90). Virginie de Valandraud (St-Émilion, €  45,00).”

Österreich im Blaufränkischfieber

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Am letzten Tag der Vievinum, der größten Weinmesse Österreichs, die alle zwei Jahre in der Wiener Hofburg veranstaltet wird, hatten sich 20 österreichische Top-Produzenten getroffen, um unter dem Motto „Blaufränkisch – Bekenntnis zu einer großen Rebsorte“ ihre besten Weine zu präsentieren. Gerufen hatte Roland Velich, dessen Moric-Weine zu den kontroversesten Österreichs gehören. Bis auf Ernst Triebaumer, Andi Kollwentz und Reinhold Krutzler waren alle gefolgt. Präsentiert wurden die Weine des Jahrgangs 2007.

Die Verkostung der Weine zeigte, dass es wohl Unterschiede, aber keine Gräben zwischen den verschiedenen Blaufränkisch-Weinen gibt. Auf der einen Seite stehen die dichten, kraftvollen Strukturweine, die durch üppige Fruchtaromen und viel Holz glänzen.  Ihnen gegenüber stehen hellfarbene, manchmal fast filigrane Weine von hoher Mineralität mit spürbarer Säure, die gegen die kräftigen Fruchtmonster geradezu puristisch wirken. Dirk van der Niepoort, der zusammen mit Dorli Muhr am Spitzerberg in Carnuntum einen eher schlanken Wein erzeugt,  hatte diesen Blaufränkisch vor zwei Jahren etwas forsch als „Pinot Noir-Typ“ bezeichnet.

Von beiden Stilistiken gibt es überzeugende, aber auch enttäuschende Weine. Die meisten Blaufränkisch liegen irgendwo zwischen diesen Polen, wobei die Tendenz zweifellos dahin geht, Überreife und Überextraktion zu vermeiden zu Gunsten zarter Aromen und einer feinen Gaumenstruktur. Auf jeden Fall weg vom internationalen Rotweintypus, der einseitig auf konzentrierte Frucht, niedrige Säure und viel Holz setzte, um so die feinen Terroirunterschiede zu nivellieren.

Weinberg im Leithagebirge

Indiz für diese Entwicklung war zunächst die Tendenz, Spitzen-Blaufränkisch reinsortig zu keltern, also ohne Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon oder auch Zweigelt als Cuvéepartner. Dieser Trend hält an. Dazu kommt die Fokussierung auf Spitzenlagen mit alten Reben. Wenn der Wein allein auf Blaufränkisch gestellt sein soll, braucht es Lesegut, das rundum perfekt ist. Aber die Lage und das Alter der Reben allein machen auch noch keinen Spitzenwein. Die Trauben müssen so vinifiziert werden, dass die Eigenarten der Sorte Blaufränkisch zur Geltung kommen: ihr Duft, ihre Frucht, die Terroirprägung.

Neu ist diese Diskussion nicht. Peter Moser, Chefredakteur des österreichischen Falstaff-Magazins, hatte bereits in der 2006/2007er Ausgabe des Falstaff-Weinguides geschrieben: „Voluminöse Kraftweine liegen nicht mehr im Trend, eine gezielte Hinwendung zu sehr aussagekräftigen Weinen mit klarem Herkunftsprofil ist spürbar.“

Die große öffentliche Debatte setzte allerdings erst vor einem Jahr ein, als David Schildknecht, Robert Parkers Österreich-Tester, sein Ranking der besten Rotweine des Landes vorlegte. Dabei platzierte er den im Rotweinsektor noch debütierenden Roland Velich mit seinen Moric-Weinen überraschenderweise vor die bekannten Blaufränkisch-Koryphäen Ernst Triebaumer, Prieler, Krutzler, Umathum, Gernot Heinrich. Weine, die durch relativ helle Farbe, florealen Duft, erhöhte Säure und Verzicht auf Barriques das Gegenstück zu den vielen „voluminösen Kraftweinen“  darstellten, die bis dahin Mode waren und hohe und höchste Bewertungen bei den Kritikern erzielt hatten. Sollte das der neue Blaufränkisch-Stil sein?

Mehr noch: In seiner Begeisterung griff Schildknecht tief in die Punktekiste und verlieh Roland Velichs 2006 Blaufränkisch Alte Reben Neckenmarkt sagenhafte 95 von maximal 100 Punkten. Damit hievte er den Wein auf ein Niveau, das bisher Spitzengewächsen wie dem Musigny Vielles Vignes von Comte de Vogue oder dem Chambertin von Armand Rousseau vorbehalten war.

Muschelfossil in der Lage Windener Alter Berg

Sei’s drum: Österreich hatte mit seinem Blaufränkisch die Weltbühne betreten. In Amerika, in der Schweiz, in Deutschland – überall wurde Roland Velichs Moric-Stil plötzlich als Benchmark gesehen. Blaufränkisch-Ikonen wie der Mariental von Ernst Triebaumer, der Goldberg von Prieler, der Point von Kollwentz, der Hochberc von Gesellmann oder der Dürrau von Weninger  – all diese Weine rückten, weil zu voluminös, aus dem Fokus in die zweite Reihe. Ein typischer Fall von Medienhype, von dem sich die Sommeliers des Landes ebenso erfassen ließen wie Teile des Weinhandels.

Die hohen Bewertungen, insbesondere für die Moric-Weine, brachten auch Bewegung an der Preisfront. Viele Weingüter glaubten, mit dem Hinweis auf alte Reben, geringe Erträge und den Pinot-Faktor preislich noch einmal draufsatteln zu können. So erreichten die eh schon hohen Preise für österreichische Spitzen-Blaufränkisch endgültig die Schmerzgrenze. Manche Erzeuger gingen und gehen sogar darüber hinaus. Dass sich aber österreichischer Blaufränkisch-Weine dauerhaft zu Burgunderpreisen verkaufen lassen, ist anzuzweifeln.

Inzwischen hat sich die Debatte über Blaufränkisch-Stilistik wieder beruhigt. Die Protagonisten halten sich zurück. Die Schnellbegeisterten haben gemerkt, dass die alten Blaufränkisch-Koryphäen sich nicht im Wald verirrt hatten und ihre Weine weder ein Fehltritt noch ein Missverständnis sind. Zudem haben die Frühjubler begriffen, dass längst nicht alles, was dem neuen Stil nacheifert, sein Geld und die Worte wert ist, die darüber verloren werden.

Vielleicht begreifen jene, die so gerne Punkte verteilen oder sich nach ihnen richten, dass Blaufränkisch nicht nur Spitzenwein bedeutet. Gerade im mittelpreisigen Bereich ist „der Blaue“, wie ihn die Österreicher salopp nennen, ein äußerst populärer, ebenso anspruchsvoller wie trinkiger Rotwein, wie es ihn in dieser Art nur sehr selten in Europa gibt. Einige der einfacheren Weine, die in Wien präsentiert wurden, machten deutlich, dass Charakter nicht unbedingt eine Frage von extremen Ertragsreduzierungen ist, wie sie bei den Spitzengewächsen praktiziert werden. Es reichen der richtige Standort und die sichere Hand des Winzers.

Händler über Bordeaux 2009 (9): Michael Unger

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Michael Unger, ursprünglich im Kraftfahrzeugingenieurwesen tätig, hat die Weinhandlung Unger Weine im bayerischen Chiemgau 1993 gegründet und führt sie zusammen mit seinem jüngeren Bruder Wulf Unger, einem promovierten Betriebswirt. Bordeaux bildet den Schwerpunkt ihres Sortiments. Die beiden verfügen über beste Kontakte zu vielen Chateaux und besitzen genaue Kenntnisse über den Markt Bordeaux. In den unterirdischen Kellern ihres 2006 eingeweihten Firmengebäudes, einem neu errichteten Chiemgauer Bauernhaus an der Autobahnausfahrt der A 8 bei Aschau, lagert alles, was gut und teuer ist. In kleinerem Rahmen handeln die Gebrüder Unger auch mit hochwertigen Weinen aus Australien, Kalifornien, Spanien und Italien (www.ungerweine.de).

Michael Unger„Wir hatten mit einer sehr starken Nachfrage im Primeur Business 2009 gerechnet, und uns im Vorfeld mit einem neuen Launch unserer Subskriptionspage www.subskription-bordeaux.de darauf vorbereitet. Die eingegangenen Order und das Gesamtvolumen haben unsere Erwartungen jedoch bei weitem übertroffen. Wir waren kurzzeitig deutlich über unserer Kapazitätsgrenze im Abarbeiten der Bestellungen, konnten aber zumindest alle Stammkunden und auch viele Neukunden zufriedenstellen.

Unsere über viele Jahre aufgebauten Allokationen und die langjährigen Beziehungen zu den Chateaux halfen uns, auch bereits am Markt ausverkaufte Weine mehrmals nachzukaufen. Mittlerweile sind wir mit einigen Weinen geräumt, die Nachfrage ist aber auch jetzt im August noch immer sehr stark und wird erfahrungsgemäß bis in den Herbst hinein anhalten. Der späte Freigabetermin vieler Güter hat sicherlich auch zu diesem Effekt beigetragen. In der Summe war es mit Abstand die größte Subskription, die wir jemals durchführten.

Extrem gut gelaufen sind Weine wie Montrose, Clinet, Gazin, Smith-Haut-Lafitte, Canon-La-Gaffelière. Von denen hätten wir die dreifache Menge verkaufen können. Spitzenreiter war diesmal Cos d’Estournel. Das war richtig irre, was da geordert wurde, obwohl der 2009er ja ein umstrittener Wein ist. Bei Pichon Comtesse und Pichon Baron hätten wir dagegen mehr Nachfrage erwartet.

Noch besser sind allerdings die kleineren Weine gelaufen. Belle Vue aus dem Haut Médoc und Aiguilhe von Stephan Graf Neipperg – da haben wir teilweise die zehnfache Menge des Normalen verkauft.

Bei den Premier Crus konnten wir aufgrund guter Allokation alle unsere Stammkunden befriedigen. Die Nachfrage war da, trotz der exorbitant hohen Preise. Von den Kunden, die jedes Jahr von allen Premier Crus eine Kiste kaufen, haben viele auch dieses Mal wieder gekauft. Das führte, wie sich jeder selbst ausrechnen kann, zwar schnell zu einer Rechnung von 60 000 Euro. Aber es war ja der Jahrgang 2009… Allerdings glaube ich, dass 2009 preislich die Spitze bildet, was der Kunde toleriert.

Rückblickend war es eine der arbeitsreichsten und nicht immer angenehmen Primeur-Kampagnen, die wir erlebt haben. Die Chateaux kamen spät und nur in sehr kleinen Tranchen mit ihren Weinen heraus. Die Kunden waren teilweise sehr ungeduldig. Einige haben täglich angerufen, andere unter sechs verschiedenen Namen bestellt, um zum Zuge zu kommen. Insgesamt haben wir bei dieser Kampagne viele Neukunden gewonnen. Allerdings haben wir nicht um jeden Preis Neukunden akzeptiert. Wer nur eine Kiste Pétrus bestellen wollte, den haben wir abschlägig beschieden.“

Händler über Bordeaux 2009 (8): Peer Dörpinghaus

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Peer Dörpinghaus ist einer von zwei Geschäftsführern der C&D Weinhandelsgesellschaft in Köln. Aus einer Winzer- und Gastronomenfamilie von der Ahr stammend, war er schon früh im Weingeschäft tätig. Die C&D wurde 1994 gegründet, seit 1995 ist sie im Primeur-Geschäft tätig. Das Sortiment der Firma ist groß. Es umfasst über tausend Positionen. Bordeaux ist der Schwerpunkt, wobei C&D auch ganze Keller aufkauft und entsprechend gereifte Jahrgänge anbieten kann. Aber auch Italien, Spanien, Deutschland und Übersee nehmen eine gewichtige Position im Sortiment ein. Dörpinghaus, der regelmäßig an den Primeur-Verkostungen in Bordeaux teilnimmt und ein aktiver Blogger ist, hat die Firma zu einem Pionier im Onlinehandel gemacht (www.c-und-d.de).

Peer Dörpinghaus„Über die Stilistik der 2009er Weine wurde ja schon sehr viel geschrieben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die fertigen Weine bei der Arrivage präsentieren werden. Manche Weine (z.B. 2009er Cos d’Estournel) machen es in einer Blindverkostung sicherlich auch profunden Weinkennern schwer, auf eine andere Herkunft als auf Kalifornien zu tippen. Die größte Herausforderung für die Bordeaux-Winzer wird auch in der Zukunft (wie jetzt beim 2009er) darin liegen, trotz der hohen Alkohol- und Tanninwerte noch Weine mit Charakter, Persönlichkeit und Individualität auf die Flasche zu bringen.

Was die Preispolitik der Châteaux angeht, fällt immer wieder der Name Lafite-Rothschild, und man diskutiert die hohen Endverbraucherpreise von +/- 1.400€ pro Flasche. Im Zuge des Lafite-Hypes in China sind mittlerweile selbst nicht so gute Jahrgänge wie 2007 oder 2006 derart massiv im Preis gestiegen, dass ein noch höherer Preis für einen echten Ausnahmejahrgang wie den 2009er als relativ logisch erschien. Mittlerweile sind demzufolge die Marktpreise des 2003er und 2009er Lafite-Rothschild mehr oder weniger gleich.

Unserer Einschätzung nach haben es die anderen Premier-Crus nur dem Lafite-Hype zu verdanken, dass sie ebenfalls so hohe Preise für Ihre 2009er durchsetzen konnten. Die Preise der 2009er Premier Crus wurden von der Mehrzahl unserer Kunden nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Zum Glück waren die Allokationen der Premier Crus in diesem Fall restriktiver denn je, und wir konnten unsere Mengen gut absetzen. Wenn ein Weingut wie Mouton-Rothschild nach eigenen Angaben ca. 300.000 Flaschen des Erstweins abfüllen wird, dann kann man schnell ermessen, welch wirtschaftlichen Erfolg der 2009er Jahrgang den Winzern an der Gironde beschert hat.

Aber zum Glück gibt es in Bordeaux ja auch eine Vielzahl höchst interessanter Gewächse der zweiten und dritten Reihe bis hin zu den bürgerlichen Gewächsen. Bei diesen kann der Sammler und Bordeauxfreund gerade dieses Jahr großartige Weine für sein Geld bekommen.

Unsere TOP 20 der meistverkauften 2009er Weine zeigt deutlich, dass die Kunden nicht bereit sind, jeden Preis zu akzeptieren. Vielmehr suchen sie sich sehr selektiv den Wein nach Ihren Präferenzen und nach dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Zu nennen sind:

Poujeaux (23,50), Cantemerle (26,50), Rollan de By (14,40), Mayne Lalande (11,89), La Tour Figeac (28,80), Cambon la Pelouse (12,99), Pedesclaux (21,80), Chasse Spleen (25,00), Phelan Segur (31,50), Lilian-Ladouys (15,50), Pontet Canet (119,95), Moulin Haut-Laroque (17,50), d’Aiguilhe Querre (9,95), Batailley (29,95), Le Boscq (17,30), Lafon La Tuilerie (28,90), Villars (12,50), Lanessan (12,99), L’Inclassable (11,99), Charmail (15,50).

Der Verkauf der Super Seconds (Cos d’Estournel, Ducru Beaucaillou, Pichon Comtesse und Pichon Baron etc.) verläuft dagegen eher schleppender im Vergleich zu früheren Jahren. Wir können nur vermuten, dass es daran liegt, dass keiner dieser Weine mehr unter 100 Euro zu haben ist. Aber von einem Montrose (149 Euro) hätten wir, Parker sei Dank (96-100 Punkte), bestimmt die dreifache Menge absetzen können.

Tag für Tag erreichen uns immer noch viele Subskriptionsbestellungen und die Anzahl liegt schon jetzt sehr deutlich über der Anzahl der Bestellungen für den 2005er Jahrgang.“

Pennsylvania entwickelt Weinautomaten

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Um den Alkoholmissbrauch einzudämmen, hat die puritanisch orientierte Regierung des US-Bundesstaats Pennsylvania probehalber zwei Weinautomaten aufstellen lassen. Dort kann Wein kaufen, wer sich elektronisch ausweisen kann und nüchtern ist. Um Letzteres zu überprüfen, müssen die Kunden ins Röhrchen blasen, bevor sie ihre Kreditkarte in den Schlitz stecken.

Weinautomat in PennsylvaniaWas den Alkoholkonsum angeht, war der amerikanische Bundesstaat Pennsylvania schon immer Spitze. Bier oder Whiskey, Wodka oder Wein – das Monopol über den Kauf und Verkauf von Alkoholika liegt beim Staat. Er vergibt Lizenzen an sogenannte Liquor Stores, die die Getränke unter strengen Auflagen vertreiben dürfen. Die Furcht, dass seine Bürger billigen oder teurem Fusel erliegen und einem unchristlichen Lebenswandel huldigen könnten, teilt die Regierung dieses Bundesstaats mit zahlreichen anderen Bundesstaaten der Ostküste, etwa North Carolina. Bible Belt nennen die Amerikaner die Ostküste deshalb: Bibel-Gürtel.

Nun will Pennsylvania prüfen, ob man die Betreiber der Liquor Stores entlasten und die Kontrolle über Nüchternheit und Volljährigkeit der Weinkunden einem Automaten anvertrauen kann. Zunächst muss der Weinkunde seinen Führerschein in den Automatenschlitz stecken. Eine Kamera vergleicht sein Gesicht mit dem Foto auf dem Fahrdokument. Stimmt beides überein, wird der Kunde aufgefordert, in ein Röhrchen zu pusten, über das in Sekundenschnelle der Alkoholgehalt analysiert wird. Erst danach gibt es grünes Licht für den Kauf.

Sollten sich die Automaten bewähren, plant Pennsylvania die Aufstellung von 100 derartiger Wine Boxes.

Händler über Bordeaux 2009 (7): Martin Kössler

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Martin Kössler ist ein Weinhändler mit Ecken und Kanten. Er trägt seine Meinungen und Ansichten sehr dezidiert vor. Nicht immer finden diese Zustimmung von Kollegen und Weinliebhabern. Das stört ihn wenig. Er schwimmt gerne gegen den Strom, und manchmal ist er damit besser gefahren als die, die mit dem Mainstream schwimmen. Das Sortiment seiner Nürnberger Weinhandlung ist frankreich- und kalifornienlastig, wobei er sich im Süden Frankreichs – wo er einen Großteil des Jahres lebt – besonders gut auskennt. Er führt zahlreiche Weine von dort, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, unter Eingeweihten dagegen stillschweigend höchste Wertschätzung genießen. Auch Deutschland ist in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt geworden (www.weinhalle.de).

Martin Kössler„Ich bin nun schon seit 25 Jahren im Bordeaux-Geschäft und habe auch dieses Jahr rund 200 Primeur-Weine probiert. Aber da frage ich mich doch einfach: Warum soll ich dieses teure Geschäft mitmachen? Ich habe mich aus dem Handel mit Crus Classés komplett zurückgezogen. Die meisten 2009er haben eine niedrige Säure und einen hohen pH-Wert. Die sind lecker, süß, nett, aber ich habe beschlossen: Ich schieße mich auf ein paar Weine ein, von denen ich überzeugt bin, der Rest kann mir gestohlen bleiben.

Weine wie der Clos Puy Arnaud aus den Côtes de Castillon, das sind die wahren Bordeaux. Oder Clos Manou (Médoc), Bel Air La Royère (Blaye), die Weine von Christian Veyry und François Mitjaville. Und diese Weine biete ich meinen Kunden auch in Subskription an. Von Clos Manou beispielsweise habe ich fast ein Viertel der ganzen Ernte.

Aber machen wir uns nichts vor: Das klassische Bordeaux-Geschäft ist trist. Der typische Subskriptionskäufer kauft ja unterm Jahr keine einzige Flasche Bordeaux mehr. Und gerade bei diesem Jahrgang wundere ich mich über die einhellige Begeisterung und die große Kauffreude. Der 2009er ist doch kein 1959er, bei dem die Säure stimmte. Der Jahrgang hat seine Macken, darüber muss man reden. In meinen Augen ist die chemische Stabilität vieler Weine fraglich, ich bin da sehr skeptisch. Und die Berichterstattung darüber ist mir viel zu unkritisch.“

Rarer Wein aus Franken: Alter Satz

Eigentlich hatte Otmar Zang nur einen Mitarbeiter für sein Weingut gesucht. Doch auf seine Zeitungsannonce meldete sich ein Mann, der außer seiner Arbeitskraft noch etwas anderes mitbrachte: einen kleinen Weinberg mit alten Rebstöcken. Was genau die Rebstöcke trugen, wusste der Mann nicht zu sagen. Der Weinberg war nämlich 1835 gepflanzt worden, und zwar bunt durcheinander, was die Rebsorten angeht. Er hatte Kriege, Seuchen, Flurbereinigung und den Rationalisierungswahn des modernen Weinbaus überstanden. Der fränkische Winzermeister begriff sofort, auf was für ein Juwel er da zufällig gestoßen war. Er engagierte nicht nur den Mann, sondern pachtete sofort dessen Weinberg mit.

Etikett Alter Satz

Das war 1989. Seitdem produziert Zang zusammen mit seinem Sohn Johannes aus den Trauben dieses Weinbergs, der sich im fränkischen Rimbach, einem Ortsteil von Volkach, befindet, einen Wein, wie es ihn in Deutschland heute nur noch ganz selten gibt: gekeltert aus 35 verschiedenen Rebsorten, die an uralten, knotigen Stöcken wachsen. Die wurzelecht, also nicht veredelt und damit nicht gegen die Reblaus geschützt sind. Die aus verschiedenen weißen Sorten wie Riesling, Silvaner, Elbling, Muskateller, Traminer zum Beispiel gekeltert sind, aber auch aus roten Sorten wie Spätburgunder und Roter Silvaner. Zwanzig der 35 Sorten sind namentlich bekannt. Die restlichen 15 haben auch die Fachleute der fränkischen Weinbauschule in Veitshöchheim bei Würzburg nicht zuordnen können.

Otmar und Johannes Zang

Moderne Weißweine strahlen normalerweise vor Frucht. Dieser Wein aber besitzt wenig Frucht. Er zeigt Würz- und Bodennoten, ist üppig und reich, elegant und rustikal zugleich. Also kein Wein für Leckertrinker oder Liebhaber weichgespülter Weißweine. Eher einer für Neugierige und Nostalgiker, die ihre Faszination für einen Wein aus  dessen Urwüchsigkeit und Authentizität ziehen.

Wenn man in die Weinbaugeschichte zurück blickt, ist der rebsortenreine Anbau ein Produkt der letzten hundert Jahre. Die Winzer früherer Tage pflanzten in ihre Weinberge gerne verschiedene Rebsorten durcheinander. So konnten sie das Risiko durch Rebkrankheiten und nachteilige Witterungseinflüsse so klein wie möglich halten. Geriet in einem Jahr die später reifende Hälfte der Traubensorten weniger gut, dann glichen das die früher reifen Sorten aus. Führte Feuchtigkeit im anfälligeren Teil der Rebsorten zu Mehltau-Befall, dann blieb immer noch der Ertrag der weniger empfindlichen Sorten. In einem trockenen Jahr wiederum spendeten genau diejenigen Sorten dem Wein ihre Kraft, die in einem feuchten Jahr gelitten hätten.

Weinberg Alter Satz

Selbstverständlich wurden damals die Trauben auch zusammen gelesen. Kein Winzer hätte daran gedacht, auf die unterschiedlichen Reifegrade der einzelnen Sorten Rücksicht zu nehmen. Kurioserweise scheinen solche im gemischten Satz angelegten Weinberge aber dennoch zuverlässig einen Wein mit guter Balance hervorgebracht zu haben. Ziemlich sicher hatten die Winzer diese Balance schon im Auge, wenn sie die verschiedenen Rebsorten in verschiedenen Anteilen in ihren Weinberg setzten.

Im Jahrgang 2009 ist Zangs Alter Satz ein herzhafter, fein abgestimmter Wein. Man kann an ihm erkennen, welches Geschmacksbild unseren Ahnen wohl vertraut war. Er ist im strengen Sinn eher arm an Frucht. Seine Stärke liegt in den feinen Zwischentönen – und in der herben, von einer lebendigen Säure durchzogenen Gaumenstruktur. Dass die Reben 175 Jahre lang ihre Wurzeln tief verzweigt in den Muschelkalk-Boden treiben konnten, kann man am kernigen Abgang erkennen. Selbst wenn die Aromen verklungen sind, hallt eine mineralische Wahrnehmung im Mund nach. Durchschnittlich 2000 Bocksbeutel werden von ihm gefüllt.

Händler über Bordeaux 2009 (6): Andreas Brensing

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Andreas Brensing hat Philosophie und Germanistik studiert. Während seines Studiums hat er unter anderem als Koch gejobbt und ist so in Berührung mit dem Wein gekommen. Seit 2006 ist er Geschäftsführer des Kölner Weinkellers, der zur REWE-Gruppe gehört. In dem 13 Meter unter der Erde befindlichen Gewölbekeller lagern rund 150 000 Flaschen. Frankreich bildet den Schwerpunkt, wobei sich das Sortiment keineswegs nur auf Bordeaux beschränkt. Viele hervorragende Weine kommen auch von der Loire, aus dem Elsass, aus Südfrankreich. Den zweiten Sortiments-Schwerpunkt bildet mittlerweile Deutschland. Eine starke Stellung haben auch Italien und Spanien. Rund 20 Prozent seines Umsatzes macht der Kölner Weinkenner mittlerweile mit seinem Online-Shop, den Brensing perfektioniert und zu einem state-of-the-art-Tool gemacht hat (www.koelner-weinkeller.de).

„Das war eine ziemlich gute Kampagne – aber sie hat das Nervenkostüm der Weinhändler doch sehr belastet. Mit fast 10 Wochen hat sie sich extrem lang hingezogen, und ihr Verlauf war ein wenig seltsam. Tagelang tat sich nichts, und dann kamen alle Offerten auf einmal. Bei einigen Weinen hätte ich angesichts der Preise kaum damit gerechnet, dass sie sich verkaufen, aber von vielen Weinen hätte ich mehr verkaufen können, als ich geordert hatte. Insgesamt war das, sowohl von der Flaschenzahl, als auch vom Umsatz her, die beste Kampagne, die der Kölner Weinkeller je erlebt hat. Dabei hatten wir wohl auch einen kleinen Bonus: Angesichts der schwierigen Marktlage wollen sich manche Kunden absichern, um in zwei Jahren den subskribierten Wein auch wirklich zu bekommen. Hier haben wir durch die Zugehörigkeit zur REWE Group sicherlich einen großen Vorteil, und viele Kunden sagen uns das auch.

Interessant war aber auch, dass sich Weine in allen Preisklassen verkauft haben. Und es gab viele Neukunden, die überhaupt zum ersten Mal subskribiert haben.

Einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt allerdings das Geschachere am Ende der Kampagne. Die gefragtesten Weine wurden einem dann plötzlich mit 2007ern im Paket angeboten, oder in stundenweise neu erscheinenden Tranchen. Dem einen oder anderen Bordelaiser Händler scheinen langfristige Geschäftsbeziehungen dieses Jahr nicht so wichtig gewesen zu sein, sondern nur die kurzfristige Optimierung des Profits. Da wird mancher Negociant noch böse erwachen, wenn das nächste und übernächste Jahr wieder schlechter wird.“

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