Vorklären

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    auch Entschleimen. Klären des Mostes weißer Trauben, bevor er vergoren wird. Dabei werden Fruchtfleischteilchen, Schalenfragmente, Stielreste, Erde, in feuchten Jahren auch Schimmelpilze und deren Stoffwechselprodukte entfernt. Auf diese Weise wird der Most leichter vergärbar, benötigt weniger (oder gar keinen) Schwefel, weil sich keine Aldehyde bilden, lässt einen reintönigen Wein ohne Fehltöne erwarten. Das einfachste und älteste Verfahren, einen Most zu klären, ist die Absetzmethode. Dabei wird der Most eine Nacht lang im Tank gelassen, sodass die Verunreinigungen zu Boden sinken und der Most am nächsten Morgen klar ist. Durch Kühlung wird verhindert, dass der Most zu gären beginnt. Große Kellereien oder Genossenschaften, die ihr Lesegut rasch verarbeiten müssen, benutzen häufig Zentrifugen, um den Most zu säubern. Dabei wird der Wein mit Separatoren von den Schmutzbestandteilen getrennt. Je nach Umdrehungszahl (500 bis 5000 Umdrehungen pro Minute) ist er hinterher mehr oder minder klar. Schonender arbeiten die Vakuumdrehfilter, die bis zu 10 000 Liter Most in einer Stunde klären können. Dabei wird der ungeklärte Most mithilfe einer Vakuumpumpe durch einen dicken Kieselgurkuchen gesaugt, in dem Feststoffe und Trub hängen bleiben. Kieselgur ist ein weißer, locker verfestigter, hochporöser Stoff, der aus natürlichen Ablagerungen fossiler Kieselalgen besteht. Um das Entschleimen zu erleichtern, werden dem Most beispielsweise häufig Enzyme zugesetzt, die das Pektin lösen, das für dessen Dickflüssigkeit verantwortlich ist (je später die Trauben gelesen wurden, desto höher der Pektinanteil im Most). Die hohe Viskosität des Mostes verlangsamt das Absinken der Feststoffe. Sind die Pektine entfernt, ist der Most dünnflüssiger und kann schneller entschleimt werden. Doch ist das Vorklären des Mostes nicht unumstritten. Genauer: die Art des Vorklärens. Wenn der Most nämlich zu stark geklärt wird, etwa durch scharfes Zentrifugieren, besteht die Gefahr, dass der Wein hinterher wie »ausgezogen« schmeckt. Er verliert seine geschmackliche Komplexität. Schließlich gehen durch die Fliehkraft des Separators bzw. durch die Saugkraft des Vakuumdrehfilters auch Hefen verloren. Der Most muss dann möglicherweise mit Reinzuchthefen vergoren werden. Anspruchsvolle Erzeuger empfinden das als einen Verlust, weil eigene Hefen den Charakter des Weins mitprägen. Qualitätsorientierte Weinerzeuger bemühen sich daher, nicht mehr als unbedingt nötig und v. a. schonend zu entschleimen. Einige der bedeutendsten Weißweine der Welt werden sogar nahezu ohne Vorklärung vergoren, z. B. viele Burgunder-Weißweine wie Meursault, Puligny-Montrachet und Corton-Charlemagne. Allerdings sind die Moste dieser Weine durch sorgfältiges Verlesen der Trauben, durch vorsichtiges Pressen und dadurch, dass sie überwiegend aus Vorlaufmost bestehen, meist von vornherein relativ sauber. In der Regel ist eine gewisse Vorklärung des Mostes jedenfalls nötig, v. a. in feuchten Jahren, in denen das Lesegut nicht 100-prozentig gesund ist.

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    Jens Priewe
    Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.