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Weingut In der Eben: der etwas andere Vernatsch

Es gibt wenig, was Urban Plattner aufregt. Nur bei einer Sache, da wird er wütend. Wenn jemand die Art als falsch abtut, wie er und ein paar andere Winzer in Südtirol den Vernatsch keltern. „Ich kann verstehen, wenn jemand am Anfang meine Weine nicht mag oder nicht versteht“, sagt Plattner. „Aber wenn ich erklären kann, was ich da tue, dann wechselt meist Unverständnis in Begeisterung.“

Was Plattner anders macht? Alles!

Was Plattner oder Kollegen wie Martin Gojer und Hartmann Donà mit ihren Vernatsch anders machen, ist schnell gesagt: alles. Blind sind ihre Weine kaum als Vernatsch zu erkennen. Mit dem typischen, klar definierten Geschmacksbild haben sie nichts mehr zu tun – sie sind weder frisch-rotfruchtig, noch easy-drinking noch für kleines Geld zu haben.

Diese Winzer arbeiten mit äußerst reduzierten Erträgen von alten Rebstöcken, lassen den Wein Tage bis Wochen auf der Maische, legen ihn in Holzfässer und dort bleibt er manchmal jahrelang. Was am Ende in die Flasche kommt, das polarisiert. Plattner sagt dazu: „Der Vernatsch hat ein klar definiertes Geschmacksbild. Aber das kann und darf durchbrochen werden.“

Wenig Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen Vernatsch-Weinen

Sein derzeit jüngster Wein auf dem Markt ist der Vernatsch „Sankt Anna“ aus dem Jahr 2014. Schon im Glas zeigt er wenig Gemeinsamkeiten mit einem klassischen Vernatsch. Die Farbe ist deutlich dunkler und kräftiger. In der Nase dominieren schwarze Früchte, der Holzeinsatz bringt kräftige Röstaromen mit sich. Auch am Gaumen sucht man die Gemeinsamkeit mit dem, was allgemein als Vernatsch bekannt ist, vergeblich. Packende Säure, viel Tannin, wenig Frucht, und die eher von der dunklen Sorte. Ein Schmeichler ist das nicht. Wer sich vielleicht schon eine Brettlmarende gerichtet hatte, wird sich entsetzt abwenden.

Tannin wie ein Sangiovese

Ich hatte neulich zu einem mehrere Stunden eingekochtem Tomatensugo eine Flasche „Sankt Anna“ getrunken. In dieser Kombination zeigte der Wein, wo die Reise mit dieser Art von Vernatsch hingehen kann: in völlig neue Kombinationen von Wein und Speisen. Die Säure der Tomatensoße kontrastierte wunderbar mit der des Weins, selbst die kräftigen Tannine ließen sich von dem Gericht einfangen und bändigen. Ein Sangiovese hätte kaum besser passen können.

Am Eingang zum Eisacktal gelegen

Weingut In der Eben am Ritten bei Bozen
Weingut In der Eben am Ritten bei Bozen

Das Weingut des Urban Plattner heißt „In der Eben“. Es liegt an den östlichen Hängen des Ritten im Eisacktal. Wer kurz vor der Ausfahrt Bozen Nord nach rechts den Berg hinaufschaut, der kann es von der Autostrada aus sehen. Plattner bewirtschaftet dreieinhalb Hektar. Die Weinberge sind verstreut und liegen auf einer Höhe zwischen 450 und 550 Meter. „Die Landschaft hier ist von der Eiszeit geformt, deshalb sind die Böden interessant. Wir liegen noch auf der Bozner Porphyrplatte, das ist Vulkangestein. Es gibt aber auch Moränenlandschaft mit Granit und Schiefer, die die Gletscher aus dem Eisacktal gebracht haben.“

Der Vater vinifizierte noch ganz konventionell

Der Hof ist urkundlich erstmal im Jahr 1348 erwähnt und war ein typischer Südtiroler Mischbetrieb. Erst Plattners Vater begann Wein abzufüllen. Er hatte 1990 auf biologischen Anbau umgestellt und verkaufte seine Trauben an die Genossenschaft. 1996 begann er, seine Trauben selbst zu vinifizieren und den Wein selbst auszubauen und abzufüllen. „Die Weine waren gut, aber austauschbar“, sagt Plattner Junior über die Arbeit seines Vaters. Der arbeitete im Keller noch konventionell, verwendete Reinzuchthefen, filtrierte, setzte mehr Stahltanks ein.

Der Junior geht einen Schritt weiter

„Meine Idee war es dann, im Keller einen Schritt weiterzugehen“, sagt Plattner. Er ließ Reinzuchthefen und Filter weg, schaffte mehr Holzfässer an und erhöhte die Lagerzeit der Weine deutlich. Nur ein bisschen Schwefel kommt noch in seinen Wein, das war’s. Der Wein macht also weitgehend das, was er will.

15.000 Flaschen füllt In der Eben jedes Jahr ab. und nicht nur Vernatsch. Neben dem „Sankt Anna“ macht Plattner noch einen „Sankt Anna R“, eine Art Riserva. Von ihr ist aktuell der Jahrgang 2010 auf dem Markt. Außerdem produziert er einen Roten Malvasier, einen Merlot sowie Gewürztraminer und Sauvignon Blanc. Bei allen Weinen ist Plattners Handschrift klar zu erkennen. Alle Weine lagen – zumindest für ein paar Monate – im Holzfass, alle sind keine Schmeichler und wenig oder gar nicht von der Primärfrucht geprägt. Die Preise bewegen sich zwischen elf Euro für den „Sankt Anna“ und 21 Euro für den „Sankt Anna R“.

Über den schonenden Rebschnitt zum anderen Wein

Vernatsch-Traube
Vernatsch-Traube

Wie kommt jemand mit 31 Jahren darauf, so gegen den Mainstream zu schwimmen? Als Plattner mit der Schule fertig war, lernte er das Winzerhandwerk in Laimburg und Weinsberg in der Nähe von Heilbronn. „Am meisten Inspiration für meine Arbeit habe ich aber danach bei einem Praktikum für die Preparatori d’Uva bekommen“, sagt Plattner. Das ist eine kleine, norditalienische Beratungsorganisation für Winzer, die einen sanften Umgang mit den Reben propagieren, besonders beim Schneiden.

Von Josko Gravner gelernt

Als er sich dann noch mit den Natural Wines von Josko Gravner aus dem Friaul beschäftigte, war Plattner endgültig für alles Gewöhnliche verdorben. Gravner gilt vielen als der Großmeister der Amphorenweine. „Er war einer der ersten, die auf niedrige Erträge setzten, dann Barriques kauften, dann die Barriques wieder aus dem Keller verbannte und dafür Amphoren anschaffte“, sagt Plattner. Als er Gravners Weine zum ersten Mal probierte, mochte er sie nicht und verstand sie nicht. Erst mit der Zeit erlag der der Faszination dieser unkonventionellen Arbeit.

Biodynamie ist die Voraussetzung

Diese Faszination war mit ein Grund dafür, dass Plattner im Jahr 2014 auf biodynamische Wirtschaftsweise umstellte. „Bio ist zwar ganz gut, man lässt erstmal alles Böse weg. Bei der Biodynamie aber gibt man noch etwas hinzu. Ich habe Instrumente in der Hand, mit denen ich einen gesünderen Organismus aufbauen kann.“ Es zeige sich, dass mit der Biodynamie Dinge machbar sind, die früher für unmöglich gehalten wurden, der Verzicht auf Kupferspritzungen gegen den Mehltau etwa.

Bereits seit einigen Jahren verwendet Plattner auf einem halben Hektar mit Sauvignon Blanc dieses Schwermetall nicht mehr, obwohl es in begrenzter Menge selbst nach Demeter-Richtlinien erlaubt wäre. Mit Erfolg. „Vielleicht ist es sogar möglich, einen Boden aufzubauen, bei dem ich irgendwann nicht mehr bewässern muss“, sagt Plattner. Auf jeden Fall hat er das Gefühl, dass sich schon jetzt, kurz nach der Umstellung, in den Weinbergen etwas ändert. So war durch die feuchte Witterung im Sommer des vergangenen Jahres der Krankheitsdruck in ganz Südtirol enorm. Bei ihm „war es gar nicht so schlimm.“

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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