Wein wider alle Moden: Amarone della Valpolicella

Zwölf der renommiertesten Amarone-Erzeuger haben sich im letzten Jahr zu einer Interessenvereinigung zusammengeschlossen. Der Name: Le Famiglie dell’Amarone. Ziel ist es, die Vermassung dieses Weins zu stoppen und den echten, handwerklich erzeugten Amarone zu verteidigen. Jens Priewe hat die Weine, vor allem die der großen Jahrgangänge 2006, 2005 und 2004 unter die Lupe genommen.

Zuge­ge­ben: Der Ama­ro­ne ist ein pola­ri­sie­ren­der Wein. Die ihn mögen, für die ist er hei­lig. Sie lie­ben sei­ne Dich­te, die Kom­ple­xi­tät sei­nes Geschmacks, die scho­ko­la­di­gen Noten, die er auf­weist, sei­ne Fül­le und Kraft. Ande­re hin­ter­lässt der Wein rat­los. Obwohl er nomi­nell tro­cken ist, emp­fin­den sie ihn als süß und oft­mals über­la­den. Vor allem ver­mis­sen sie Fri­sche. Zu Recht. Aber gera­de das macht nun ein­mal die Beson­der­heit des Ama­ro­ne aus, dass er nicht aus fri­schen, son­dern aus geschrum­pel­ten, auf Stroh­mat­ten oder in Holz­kist­chen ange­trock­ne­ten Trau­ben erzeugt wird.

Im Gegen­satz zum ein­fa­chen Val­po­li­cel­la ist der Ama­ro­ne von sei­nem Ursprung her ein fei­er­li­cher Wein. „Die Bau­ern leg­ten sich frü­her ein Fäss­chen von ihm in den Kel­ler, um einen Wein für beson­de­re Gele­gen­hei­ten zu haben“  sagt Ste­fa­no Cesa­ri vom Wein­gut Bri­gal­dara, einer der Initia­to­ren der Fami­g­lie dell’Amarone. Ent­spre­chend rar war der Wein einst. Heu­te macht der Ama­ro­ne bis zu 60 Pro­zent der Pro­duk­ti­on eines Wein­guts aus, wäh­rend der gemei­ne Val­po­li­cel­la fast völ­lig ver­schwun­den ist. Grund dafür ist der all­ge­mei­ne Trend zu höhe­ren Qua­li­tä­ten, die gestie­ge­ne Nach­fra­ge und die bes­se­ren Ren­di­ten, die der Wein für die Erzeu­ger abwirft.

Die andere Seite des Amarone-Problems

Die Ent­wick­lung hat jedoch auch eine ande­re Sei­te. Die Aus­wei­tung der Anbau­zo­ne und die Ent­wick­lung neu­er Metho­den des appas­si­men­to (der Trock­nung der Trau­ben) haben in den letz­ten Jah­ren zu einer mas­si­ven Erhö­hung der Pro­duk­ti­on und damit zum Preis­ver­fall geführt.

Vor die­sem Hin­ter­grund haben sich 2009 zwölf Amarone-Produzenten zu einer Inter­es­sen­ver­ei­ni­gung zusam­men­ge­tan, die der Ver­mas­sung des Ama­ro­ne Ein­halt gebie­ten will. Ihr gehö­ren unter ande­rem Masi, Tede­schi, Zena­to, Tom­ma­si an – Namen, die welt­weit für die Qua­li­tät die­ses schwe­ren, wuch­ti­gen Rot­weins ste­hen. Sie ver­tei­di­gen den tra­di­tio­nel­len Ama­ro­ne, der aus der his­to­ri­schen Hügel­zo­ne, dem Val­po­li­cel­la clas­si­co, kommt und hand­werk­lich erzeugt wird: Des­sen Trau­ben zum Bei­spiel auf Stroh­mat­ten oder in Holz­kist­chen an hoch gele­ge­nen, luf­ti­gen Orten natür­lich getrock­net wer­den; der min­des­tens 15 Vol.% Alko­hol und erhöh­te Extrakt­wer­te auf­weist und frü­hes­tens 30 Mona­te nach der Lese auf den Markt kommt.

Immer rar und teuer

„Ein authen­ti­scher Ama­ro­ne ist immer rar und teu­er“, sagt San­dro Bos­ca­ni, Masi-Inhaber und der Prä­si­dent der neu­en Inter­es­sen­ge­mein­schaft. Der Wein müs­se schließ­lich die Fami­lie ernäh­ren. Die Fami­lie sei der Garant für die Authen­ti­zi­tät des Amarone.

Hin­ter­grund der Grün­dung der Inter­es­sen­ge­mein­schaft ist, dass sich die Amarone-Produktion von 6 Mil­lio­nen Fla­schen (Jahr­gang 2004) auf 12 Mil­lio­nen Fla­schen (Jahr­gang 2007) ver­dop­pelt hat. Fol­ge: Eine Groß­teil des Ama­ro­ne wird inzwi­schen zu Prei­sen zwi­schen 10 und 12 Euro ver­kauft. „Zu die­sen Prei­sen lohnt sich für die Fami­li­en der Auf­wand nicht“, rech­net Bos­cai­ni vor.

Die Reak­ti­on der Inter­es­sen­ver­ei­ni­gung auf die Markt­ent­wick­lung des Ama­ro­ne ist ver­ständ­lich, auch wenn ihre Argu­men­ta­ti­on nicht  ganz stim­mig ist. Ohne Zwei­fel aber reprä­sen­tie­ren ihre Mit­glie­der den hoch­klas­si­gen Ama­ro­ne. Jens Prie­we hat 23 ihrer Wei­ne ver­kos­ten kön­nen, und zwar aus den Jahr­gän­gen 2006, 2005 und 2004, von denen zumin­dest der ers­te und der letz­te als „gro­ße“ Jahr­gän­ge gel­ten. Ein Groß­teil die­ser Wei­ne die­ser Jahr­gän­ge befin­det sich der­zeit auf dem Markt.

Amarone in Deutschland

Der Lieb­ha­ber­kreis des Ama­ro­ne ist in Deutsch­land aller­dings über­schau­bar – im  Gegen­satz zur Schweiz oder zu den USA, wo sich die­ser wuch­ti­ge, schwe­re Wein wider allen zeit­geis­ti­gen Strö­mun­gen aller­größ­ter Beliebt­heit und ent­spre­chen­der Nach­fra­ge erfreut. Ange­sichts von Alko­hol­ge­hal­ten, die durch­weg bei 16 Vol.% lie­gen, war die Degus­ta­ti­on kein leich­tes Unter­fan­gen. Prie­we hat die Wei­ne bei ver­schie­de­nen Gele­gen­hei­ten in Mai­land und Zürich ver­kos­ten kön­nen – jeden also zwei­mal. Eines lässt sich nach sei­ner Mei­nung zusam­men­fas­send sagen: Es war kein ein­zi­ger bana­ler, schwa­cher oder span­nungs­lo­ser Wein dabei – egal wie man zum Ama­ro­ne steht.

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